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Wer derzeit wegen einer psychischen Erkrankung, zum Beispiel einer Depression, schnelle Hilfe sucht, muss im Schnitt fünf Monate auf einen ersten Termin warten. Professor Michael Landgrebe, Chefarzt der kbo-Lech-Mangfall-Klinik Agatharied und Ärztlicher Direktor der kbo-Lech-Mangfall-Kliniken, bewertet das als "inakzeptabel lang". Helfen können hier nach Ansicht der Expert:innen der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN)  virtuelle Videosprechstunden oder auch digitale Gesundheitsanwendungen (DiGAs).

Internet-gestützte Interventionen für eine bessere Versorgung von Menschen mit psychischen Erkrankungen waren ein zentrales Thema beim diesjährigen Kongress der DGPPN.

Mehr Qualität bei Apps auf Rezept

Wie Medikamente werden auch die DiGAs von Ärzt:innen und Therapeut:innen per Rezept verschrieben. Apps auf Rezept können die Behandlungverschiedenster Erkrankungen ergänzen. Sie vermitteln zum Beispiel Wissen oder leiten Patient:innen bei Übungen an. Um in von Krankenkassen erstattet werden zu können müssen DiGAs diverse Anforderungen erfüllen. Diese sind den den Expert:innen der DGPPN derzeit noch zu gering.

Sie fordern, dass die Apps auf Rezept auf einem wissenschaftlich anerkannten Verfahren basieren, sicher sind und einen medizinischen Nutzen haben. Belegt werden soll das durch Studien. "Die Anforderungen an deren Wirksamkeit entsprechen aktuell noch nicht dem Grundsatz der evidenzbasierten Medizin in Deutschland", heißt es in der entsprechenden Stellungnahme der Fachgesellschaft.

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Digitale Psychotherapie überzeugt

Der Bedarf an digitalen Versorgungsangeboten ist laut DGPPN hoch – und die Vorteile liegen auf der Hand. So ist die Hemmschwelle für die Nutzung der Apps auf Rezept relativ gering, der Gang in die Praxis entfällt und Wartezeiten können sinnvoll überbrückt werden. Gerade während der Corona-Pandemie haben sich diese Vorteile ausgezahlt. Eine aktuelle Erhebung aus den USA zeigt: Der Einsatz digitaler Versorgungsangebote im Bereich psychischer Erkrankungen hat sich dort seit Beginn der Pandemie um mehr als 90 Prozent erhöht, verglichen mit dem Zeitraum Oktober bis Dezember 2019.

Die Expert:innen der DGPPN glauben, dass evidenzbasierte Online-Angebote die herkömmliche face-to-face-Behandlung nicht ersetzen können. Gleichzeitig zeigen mehrere wissenschaftliche Studien, dass das klinische Ergebnis von Psychotherapie per Videoschalte mit dem aus einer herkömmlichen Therapie vergleichbar ist. Wie hoch der Therapiebedarf der Zukunft wirklich sein wird, bleibt abzuwarten: Die Auswirkungen der Pandemie auf die Psyche werden aktuell noch untersucht.