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Es ist die Kombination aus drei Buchstaben, die auf immer mehr Produkten um Aufmerksamkeit buhlt: CBD. Das Kürzel ist auf Ölen, Kaugummis oder Hautpflegeprodukten abgebildet, daneben oft ein grünes Hanfblatt. In Fußgängerzonen haben „CBD-Shops“ eröffnet. Selbst auf mancher Getränkekarte findet sich CBD als Zusatz für Cappuccino oder Latte macchiato. Was steckt also dahinter?

Viele Versprechen, aber berechtigt?

Die drei Buchstaben stehen für Cannabidiol, einen Wirkstoff, der aus Hanf gewonnen wird. Wer im Internet danach sucht, landet schnell auf Seiten, auf denen von allerlei positiven Wirkungen für Körper und Geist die Rede ist – angeblich alles durch wissenschaftliche Studien belegt. So groß die Versprechen, so groß auch die Fragezeichen, wie Dr. Christian Ude, Leiter einer Apotheke in Darmstadt, bemerkt: „Die Kunden kommen mit vielen Fragen zu uns, denn die wenigsten Informationen, die zu CBD im Umlauf sind, sind verlässlich.“

Dr. Christian Ude, Apothekeninhaber aus Darmstadt und Lehrbeauftragter an der Universität Frankfurt am Main

Dr. Christian Ude, Apothekeninhaber aus Darmstadt und Lehrbeauftragter an der Universität Frankfurt am Main

Teile der Hanfpflanze enthalten zig verschiedene Cannabinoide. Je nach Pflanzensorte variieren die Zusammensetzung und ihr Gehalt. Die bekanntesten Cannabinoide sind Tetrahydrocannabinol, kurz THC, sowie Cannabidiol, also CBD. Weil THC eine berauschende Wirkung und damit Suchtpotenzial hat, fällt es unter die Bestimmungen des Betäubungsmittel-gesetzes, wird also streng reguliert.

CBD hingegen gilt bislang als quasi braver Verwandter: Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) schrieb 2018 in einer Stellungnahme, dass Cannabidiol beim Menschen keine Effekte zeige, die auf ein Missbrauchs- oder Suchtpotenzial hindeuteten. Für jemanden, der auf der Suche nach Drogenrausch ist, sei CBD kaum geeignet.

Stattdessen sind es vor allem Menschen mit chronischen Beschwerden wie Schlafproblemen, Stoffwechsel- oder Hauterkrankungen, die sich für CBD interessieren. Die Hersteller werben – manchmal sehr direkt, manchmal eher durch die Hintertür – mit verschiedenen Gesundheitsversprechen. Zum Beispiel soll der Inhaltsstoff auf natürliche Art den Appetit zügeln. In Kosmetik soll es Akne beseitigen, als Tropfen Unruhe lindern oder gegen Schmerzen helfen.

Versprechen, die gut klingen. Doch Hersteller von CBD-Limonaden, -Tees oder -Kaugummis begeben sich rechtlich damit auf dünnes Eis, erklärt Apotheker Ude, der ein Buch hierzu verfasst hat: „Sobald es um gesundheitliche Probleme geht, ist CBD in Deutschland ein verschreibungspflichtiger Wirkstoff. Punkt.“ Die Zulassung als Wirkstoff hat CBD noch nicht lange.

Vor etwa acht Jahren begann eine Familie im US-Bundesstaat Colorado, die Zulassung von CBD voranzutreiben. Ihre Tochter litt an einer sehr seltenen Form der Epilepsie, dem Dravet-Syndrom. Betroffene haben in der Regel keine hohe Lebenserwartung. „Die häufigen Anfälle zerstören das Gehirn irgendwann völlig“, erklärt der Psychiater und Experte für Epilepsie Professor Markus Leweke, der derzeit am Brain and Mind Centre der Universität Sydney hierzu forscht.

Nicht der Rausch als Ziel

Weil es bis dahin keinerlei Medikamente dagegen gab, suchten die Angehörigen selbst nach Alternativen. So hatte bei einem anderen Dravet-Patienten Cannabis mit hohem CBD-Gehalt die Häufigkeit der Anfälle senken können. Die Familie aus Colorado machte sich auf die Suche nach Hanfbauern, die eine spezielle, kaum berauschende Hanfsorte mit hohem CBD-Gehalt gezüchtet hatten. Ihr Name: „Hippie’s Disappointment“, also übersetzt „Enttäuschung für Hippies“. Eine Anspielung auf die ausbleibende berauschende Wirkung.

Nach Rücksprache mit den behandelnden Ärzten bekam das epilepsiekranke Mädchen hochkonzentriertes CBD-Öl, woraufhin die Anfälle deutlich zurückgingen. Ein Effekt, der auch bei anderen Patienten beobachtet wurde: In der Zulassungsstudie kam es bei jenen Patienten, die mit CBD behandelt wurden, zu etwa einem Drittel weniger Anfällen als in der Vergleichsgruppe. 2017 wurde in den USA das erste CBD-Fertigpräparat zur Behandlung seltener Epilepsieformen zugelassen.

Doch die Berichte über das angebliche Wundermittel entwickelten eine flotte Dynamik: CBD helfe angeblich auch gegen Ängste, Schlafprobleme oder Schmerzen. Beweise hierfür gibt es bislang nur wenige. „Seit der Zulassung gab es kaum gute wissenschaftliche Untersuchungen zur medizinischen Wirkung der Cannabinoide“, sagt Psychiater Leweke. Die Vermutung etwa, dass CBD, äußerlich angewendet, auch gegen bestimmte Schmerz- und Entzündungsprobleme helfen könne, wurde bislang nicht an Patienten untersucht. Ähnlich bei der Diagnose Angststörungen. „Auch hier ist die Studienlage mehr als dürftig“, so Leweke.

Wenig Wissen um CBD

Er selbst arbeitet mit Forschern der Unikliniken Köln, Berlin, München und Aachen an einer Studie, die untersuchen soll, ob CBD die Behandlung von Schizophrenie verbessern könnte. Unterstützung bekommt das Projekt vom Bundesministerium für Bildung und Forschung. Die Idee dahinter: Cannabinoide können das körpereigene Cannabinoid-System beeinflussen. Dieses reguliert viele Körperfunktionen, von Schlaf über Appetit und Stress bis zum Immunsystem.

Während das rauschauslösende Cannabinoid THC Psychosen auslösen kann, wenn es an entsprechenden Rezeptoren im Gehirn andockt, scheint CBD dem sogar entgegenzuwirken. In einer Studie der Universität Köln erhielt die Hälfte der 40 Patienten, die an Schizophrenie erkrankt waren, über mehrere Wochen ein Standard-Antipsychotikum, die anderen CBD. Nach Ende der Behandlung stellte Lewekes Forschungsgruppe fest, dass Cannabidiol genauso gut gewirkt hatte – bei deutlich weniger Nebenwirkungen.

Dass CBD großes Potenzial hat, bescheinigte in diesem Jahr auch eine Studie, die im Fachjournal The Lancet Psychiatry publiziert wurde. Forscher behandelten Suchtpatienten, die von THC abhängig waren, mit CBD. Dabei zeigte sich, dass Cannabidiol in einer bestimmten Dosis den Konsum von Cannabis mit dem Ziel des Rausches tatsächlich etwas reduzieren konnte.

Die Untersuchung belegte jedoch auch: Die Wirkung von CBD hängt ganz entscheidend von der Dosis ab. Für die Suchtbehandlung etwa waren zwischen 400 und 800 Milligramm CBD notwendig. Zum Vergleich: Ein gängiges CBD-Öl enthält zehn Prozent Wirkstoff. Dies entspricht etwa fünf Milligramm CBD pro Tropfen. „Hier besteht die Frage, welche Wirkung man bei solch niedriger Dosierung überhaupt erreichen kann“, sagt Leweke.

Unerforschte Nebenwirkungen

Ungeklärt sind auch viele Fragen zu Neben- und Wechselwirkungen. Es gibt Hinweise darauf, CBD bringe mit sich, dass Gerinnungshemmer oder andere Medikamente nicht mehr ausreichend in der Leber abgebaut werden. Sie könnten sich dann im Blut anreichern.

Dass CBD nicht nur als Medikament verordnet wird, sondern vor allem als Nahrungsergänzungsmittel im Umlauf ist, sieht Apotheker Ude als zusätzliches Problem: „Anders als Arzneimittel werden sie deutlich weniger streng reguliert.“ Es gebe bei frei verkäuflichen CBD-Produkten keine Garantie, dass tatsächlich der versprochene Wirkstoff und höchstens 0,2 Prozent des berauschenden THC enthalten sind.

Psychiater Leweke, für den CBD ein ähnliches Potenzial hat wie stark wirksame Medikamente aus dem Bereich der Psychiatrie, warnt davor, niedrig dosiertem CBD nur positive Effekte zuzuschreiben: „Kein Mensch würde auf die Idee kommen, sich jeden Tag eine Prise Psychopharmaka fürs Wohlbefinden in den Kaffee zu rühren.“ Anwendungsgebiete für Cannabidiol seien primär Krankheitsbilder, die ärztlich diagnostiziert und überwacht werden müssten.

Dass CBD-Produkte in Deutschland sowohl Medikament als auch Nahrungsergänzungsmittel sein können, verkompliziert die Situation. Sowohl für Patienten, die darauf hoffen, CBD-Präparate einst von der Kasse bezahlt zu bekommen, als auch für Apotheken, deren Kunden nach CBD fragen. Christian Ude baut auf klare Regeln für den Handel: „Unseriöse Heilsversprechen können seriösen und wirksamen Therapieansätzen schaden.“