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Herr Rühmann, wussten Sie eigentlich, dass Sie es mit Ihrer Rolle als ­Dr. Roland Heilmann in einer Umfrage[1] mal auf Platz zwei der beliebtesten TV-Ärzte Deutschlands geschafft haben?

Nein. So etwas kriege ich nicht mit. Was ich mal erfahren habe, ist, dass ich nach Martin Luther der beliebteste Sachsen-Anhaltiner gewesen bin. Noch vor Genscher. Darüber konnte ich lachen.

Und über Fernseharzt-Umfragen nicht?

So etwas schmeichelt einem, ja. Aber es bedeutet mir nichts. Wobei: Wer war denn auf Platz eins?

Raten Sie mal!

Also, dann würde ich sagen der Kollege Bergdoktor.

Falsch. Professor Brinkmann aus der „Schwarzwaldklinik“.

Was, der Brinkmann? Immer noch?

Immer noch!

Da können dann aber nur ältere Zuschauer befragt worden sein. Die Sehgewohnheiten haben sich in den letzten 40 Jahren extrem verändert. Damals wurde ja noch ganz anders erzählt.

Wie meinen Sie das?

Na ja, die Rolle des Arztes wird heutzutage selbstverständlicher genommen als früher. Sie hat doch nicht mehr diesen Anstrich vom Halbgott in Weiß. Die Arztserien heute sind schon näher an der Wirklichkeit dran als in den 70er-, 80er-Jahren. Das hat sich grundsätzlich verändert.

Jedenfalls scheinen sich Krankenhausserien immer noch großer Beliebtheit zu erfreuen. Bald läuft immerhin die 1000. Folge von „In aller Freundschaft“.

Die Wahrscheinlichkeit, dass man auf der Straße erschossen wird, ist einfach geringer, als dass man ins Krankenhaus kommt. ­Diese Lebenswelt ist den Leuten vielleicht näher als der Kriminalfall, den sie im Fernsehen sehen.

Ist es vielleicht auch die Geschichte von der heilen Welt, die Serien wie „In aller Freundschaft“ so erfolgreich machen?

Die Leute sagen oft: Mensch, da kann ich danach gut schlafen und bin nicht so aufgeregt. Das verstehe ich gut. Ich selber bin da nicht so. Und als Schauspieler sehe ich die Sache noch mal ganz anders.

Wie denn?

Es gab eine interessante Staffel, in der die Sachsenklinik privatisiert worden ist. Ein Hauen und Stechen – so, wie das auch im wahren Leben passiert. Wir Schauspieler fanden das reizvoll. Aber es führte auch dazu, dass weniger Leute guckten, weil sie ihre Sachsenklinik nicht mehr wiedererkannt haben. Also wurde die Privatisierung schnell beendet und es war wieder alles wie immer. Wir Schauspieler haben das bedauert.

Warum?

Das andere war einfach eher die Wirklichkeit. Gucken Sie sich doch mal an, was in den Krankenhäusern gerade los ist. Unter welchen Zwängen die Ärzte da stehen. Kinderkliniken werden zusammengelegt. Da müssen Frühchen plötzlich in Krankenhäuser, die 100 Kilometer weit weg sind. Diese schwierigeren, realitätsnahen Geschichten zu spielen, reizt einen Schauspieler schon.

Wie würde Dr. Heilmann mit der Realität umgehen?

Der würde sein Ding trotzdem durchziehen. Der plappert nicht. Der ist zwar eigenartig, manchmal sonderbar und stur. Aber den interessiert seine Karriere nicht. Und das finde ich gut an ihm. Vor allem aber ist er ein leidenschaftlicher Mediziner.

Apropos: Gibt es eigentlich irgendein Leiden, das Dr. Heilmann in den letzten 24 Jahren noch nicht behandelt hat?

(lacht) Ich dachte, Sie wollten jetzt fragen, welche Leiden Dr. Heilmann in den letzten 24 Jahren noch nicht durchlebt hat.

Ich bin genauso ungebildet wie jeder andere Mensch, der erschrocken vor einem Verkehrsunfall steht und nicht weiß, was er tun soll.

Hat er denn schon so viele durchlebt?

Naja, also Leukämie, schwerer Autounfall, Flugzeugabsturz, Tumor, Hirnödem, noch mal Krebs …

Ach herrje!

Ja, aber für die Leute ist das wahrscheinlich am interessantesten. Das ist in Krankenhausserien oft so: Alle Ärzte hatten schon was, es gibt keinen, der nichts hatte. Für so ein Serienformat ist es unabdingbar, dass auch die Protagonisten erkranken. Das ist genauso wie in Krimis, wo viele Verbrecher im Polizistenmilieu gesucht werden. Das hängt auch mit der Dramaturgie zusammen.

Aber um noch mal auf die medizinische Kompetenz von Dr.
Heilmann zurückzukommen …

Also, ich habe in der Rolle schon mehrere Kinder mit zur Welt gebracht, im Kopf operiert, Hände operiert, Inneres operiert …

Und wie steht es um Ihre persönliche medizinische Expertise? Könnten Sie – theoretisch – nach all den Jahren einen entzündeten Blinddarm diagnostizieren?

Ich bin genauso ungebildet wie jeder andere Mensch, der erschrocken vor einem Verkehrsunfall steht und nicht weiß, was er tun soll. Vielleicht würde ich die stabile Seitenlage noch hinkriegen. Das Einzige, was ich gelernt habe, ist, dass die Medizin ein riesiges Wissensfeld darstellt und was es bedeutet, eine aufwendige Anamnese zu machen. (lacht) Jetzt bin ich gerade selbst überrascht, dass ich Anamnese gesagt habe.

Medizinersprache! Dann ist also doch etwas hängen geblieben.

Nein. Ich weiß nichts. Eher, dass ich noch weniger weiß als am Anfang. Was ich sicher sagen kann, ist: Ich habe großen Respekt vor der Medizin, vor den Ärzten, den Schwes­tern, den Pflegekräften.

Wäre der Arztberuf eine Alternative zur Schauspielerei für Sie gewesen?

Ich habe als Schüler mal ein Praktikum im Krankenhaus gemacht. Da roch die ganze Station nach Franzbranntwein. Das war offenbar nicht die Welt, in die ich eintauchen wollte.

Sie sind sehr auf Ihre Rolle als Fernseharzt festgelegt. Nervt Sie das manchmal?

Man steckt schon irgendwie in einer Schublade. Aber ich leide nicht darunter. Ich habe so viele interessante künstlerische Dinge zu tun, dass ich heilfroh bin, diese stabile Grundlage zu haben, die mein Leben stark prägt. Und daneben kann ich meinen ganzen anderen Kram machen.

Das heißt: Dr. Heilmann ist nur ein kleiner Teil von Thomas ­Rühmann?

Ja. Vielleicht sogar der kleinere Teil. Aber ich würde ihn nie infrage stellen.

Wie muss man sich den anderen Teil vorstellen? So ganz ohne Dr. Heilmann?

Ich mache zum Beispiel Rockmusik mit meiner Band und betreibe mit einem Kollegen ein privates Theater im Oderbruch: das Theater am Rand. Dort inszeniere ich und spiele selber. Für mich ist das eine extreme Form von Energiegewinn.

Ist das Ihr Ausgleich zu Ihrer Fernsehrolle?

Vielleicht. Die Geschichten dieser Welt, ­unsere Urproblematiken, die kann man gut auf die Bühne bringen. Besser als in einer Serie. Aber dass ich in meinem Leben beides machen kann, das empfinde ich als großes Glück.


Quellen:

  • [1] Bauer Media Group Zeitschrift "auf einen Blick": Aktuelle Umfrage: "Schwarzwaldklinik"-Chef Prof. Brinkmann ist beliebtester TV-Arzt aller Zeiten. https://www.presseportal.de/... (Abgerufen am 13.01.2023)