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Frau Rieß, Sie sind Musikerin und DJ – wenn Migräne ein Musikstil wäre, dann welcher?

Techno! Eine sehr aggressive Art von Techno, die stark pulsiert, wie die Schmerzen in meinem Kopf, wenn ich eine Migräne-Attacke habe. Dabei muss man wissen: Ich liebe Techno, ich lege das als DJ auf! Ich verbinde mit der Musik viel Positives, aber da ich gerade auch versuche, die Migräne als etwas Positives zu sehen, passt das ja.

Seit wann leben Sie mit Migräne?

Ich hatte schon als Kind manchmal unglaubliche Kopfschmerzen. Erst jetzt habe ich verstanden, dass das Migräne gewesen sein muss. Das war aber sehr selten. Erst in den letzten anderthalb Jahren hatte ich immer wieder schlimme Kopfschmerzen. Mir war übel, ich hatte Sehstörungen. Mein Mann hat mich dann darauf gebracht, dass das Anzeichen für Migräne sind. Ich dachte vorher immer, das sind eben Kopfschmerzen, die muss man aushalten. Mir war nicht bewusst, dass es da Unterschiede gibt.

Wie spüren Sie, dass sich eine Attacke ankündigt?

Das ist unterschiedlich. Manchmal ist es Übelkeit – und ich bin eigentlich jemand, dem nie übel ist. Bei Migräne kann ich dann einfach gar nichts mehr essen. Oft wache ich schon in der Nacht mit hämmernden Kopfschmerzen auf und weiß, das ist Migräne. Auch meine Sicht verändert sich, ich sehe alles dunkler, kann nicht so gut wahrnehmen, was links und rechts von mir ist. Bei einer Migräne kann ich nicht rausgehen und eine Runde spazieren gehen, dafür sind die Kopfschmerzen viel zu heftig.

Was hilft Ihnen dann?

Zu Hause bleiben und früh genug ein Triptan nehmen. Ich bin kein großer Fan von Medikamenten, aber ich bin so froh, dass ich das habe. Ich nehme es gleich, wenn ich merke, dass die Migräne im Anmarsch ist.

Triptane, die speziellen Schmerzmittel für Migräne, wirken auch am besten, wenn sie schon frühzeitig eingenommen werden.

Das musste ich auch erst verstehen. Ich habe anfangs den Fehler gemacht, zu lange zu warten, weil ich nicht sofort was nehmen oder es ohne Schmerzmittel versuchen wollte.

Haben Sie sich darüber auch mit anderen Betroffenen ausgetauscht?

Wenn man Migräne hat – so ging es mir – denkt man ja erst mal, man sei die Einzige damit. Es war für mich ein Aha-Moment, als ich die Titelgeschichte dazu in der Apotheken Umschau gelesen habe. Zu sehen, ich bin nicht allein.

Das freut uns natürlich sehr!

Das hat mich sehr erleichtert. Ich bin kein Fan davon, alle Beschwerden und Krankheiten gleich zu googeln. Weil man sich ja schnell fragt: Stimmt etwas nicht mit mir, hab ich noch was anderes? Da fängt das Kopfkino an. Deshalb ist es wichtig, sich zu informieren – bei den richtigen Quellen. Also brav die Apotheken Umschau lesen und nicht in irgendwelchen Internet-Foren!

Führen Sie ein Migräne-Tagebuch?

Ja, mittlerweile schon. Vor allem, um einen Überblick zu bekommen, wie oft ich Schmerzmittel nehme. So habe ich auch gemerkt, was Auslöser für meine Attacken sein könnten. Bei mir ist das oft Stress oder die Periode. Seitdem lasse ich es ruhiger angehen, wenn ich meine Tage habe. Ich habe so langsam meine Strategien gefunden, aber ich will mir von der Migräne auch nicht mein Leben diktieren lassen.

Was hilft Ihnen am besten, um eine Attacke zu vermeiden?

Pausen einlegen, nicht nonstop auf den Bildschirm gucken. Das passiert mir oft, wenn ich Musik produziere, dann bin ich extrem konzentriert. Ich habe angefangen, viel Sport zu machen. Für meine Auftritte als DJ muss ich körperlich fit sein und ich merke: Wenn ich morgens Sport gemacht habe, kriege ich an dem Tag wahrscheinlich keine Migräne. Ich versuche, die Migräne als etwas Positives zu sehen.

Das müssen Sie jetzt etwas genauer erklären.

Die Migräne hat mich dazu angespornt, deutlich bewusster zu leben, auf mich aufzupassen. Ich glaube, das ist mein Körper, der sagt: Stopp, das ist zu viel. Ich bin jemand, der vieles gleichzeitig tut, ich mache das gerne. Aber ich glaube, in mir gibt es ein System, das dann sagt: Jetzt leg die Arbeit weg, ruh dich aus, geh mit dem Hund spazieren. Außerdem habe ich mein Essverhalten umgestellt, ich koche gesund und esse immer zu den gleichen Uhrzeiten.

Migräne-Betroffenen wird oft geraten, viel Struktur in ihr Leben zu bringen. Geht das mit dem DJ-Beruf zusammen?

Tatsächlich ist mein Leben sehr strukturiert! Ich schaffe mir Regelmäßigkeit, indem ich morgens wie die meisten Mütter aufstehe, mein Kind für die Kita fertig mache und dann zu Hause meine Aufgaben erledige – da bin ich sehr strukturiert. Und ich weiß mittlerweile, wie viel ich an einem Tag erledigen kann. Die Auftritte als DJ Lari Luke am Wochenende sind dazu ein schöner Ausgleich.

Haben Sie manchmal Angst, gerade vor einem Auftritt
Kopfschmerzen zu bekommen?

Ich hatte noch nie Migräne vor einem Auftritt. Als Lari Luke bin ich nervös, aber nicht gestresst. Ich spüre eine gesunde Aufregung, ich will raus, das ist schön. Vielleicht ist das der Grund, warum ich da noch nie Migräne hatte.

Und was stresst Sie?

Es gab Jobs im Fernsehen, große Produktionen, die haben Spaß gemacht, aber mich unglaublich unter Stress gesetzt.

Welche Konsequenzen haben Sie daraus gezogen?

Ich habe gelernt, solche Jobs zu lassen – egal wie gut das Angebot, egal wie hoch die Gage ist. Auch mithilfe der Migräne habe ich gelernt, mehr auf meine seelische Gesundheit zu achten und in mich hineinzuhören und zu fragen: Muss das wirklich sein?