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Frau Lanz, die erste Folge der neuen Staffel „Tierärztin Dr. Mertens“dürfte für den ein oder anderen Fan der Serie ein ziemlicher Schock gewesen sein. Gleich zu Beginn wird klar: Ihre Figur, Frau Dr. Mertens, hat ihren Lebenspartner und ihr ungeborenes Kind verloren.

Ich war selbst an der Entwicklung der Geschichte beteiligt. Und wir haben tatsächlich lange diskutiert, ob das inhaltlich vielleicht zu dramatisch sein könnte. Mein ­Argument war aber: So etwas passiert doch auch im wahren Leben. Es gibt zum Beispiel viel mehr Frauen, als man denkt, die Erfahrungen mit Fehlgeburten gemacht haben. Ich fand es deshalb durchaus vertretbar, dass wir diese Geschichte erzählen.

Trotzdem eher ungewöhnlich für ein Format, von dem wir eher heile Welt erwarten.

Das mag schon sein. Aber vielleicht wird es allmählich Zeit, das zu ändern. Ich glaube, es ist wichtig, dass Themen wie Tod und Trauer auch in Familiensendungen ihren Platz finden. Meiner Meinung nach sind solche Inhalte gerade in diesen Formaten bislang zu wenig repräsentiert. Und man darf nicht vergessen: Es kommt immer auch auf die Umsetzung an.

Wie meinen Sie das?

Ich kann dramatische Dinge auch in Familienformaten in einer Weise behandeln, dass sie verdaulicher sind. Mit einer gewissen Leichtigkeit, die der Zielgruppe einer Serie gerecht wird. Aber trotzdem findet das Thema statt. Darzustellen, wie Menschen mit schwierigen Situationen zurechtkommen, das gefällt mir als Schauspielerin sehr.

Dann ist es Ihnen nicht schwergefallen, sich in die Situation einer Trauernden zu versetzen?

Nein, überhaupt nicht. Gerade im fortgeschritteneren Alter schöpfe ich meine Emotionalität ja aus ganz vielen Lebenserfahrungen. Ich glaube, ich bin ein sehr empathischer Mensch. Viele Dinge, die ich nur sehe, gehen mir schon intensiv unter die Haut. Es ist mir daher nie schwergefallen, mich in eine Rolle einzufühlen.

Die Figur, die Sie spielen, versucht sich vor allem mit Beschäftigungstherapie von ihrer Trauer abzulenken.

Ja, das ist ihre Art, mit dem Verlust umzugehen. Und sie hält sehr exzessiv an Träumen und Projekten fest, die sie mit ihrem verstorbenen Lebenspartner hatte.

Können Sie dieses Verhalten – als Elisabeth Lanz – nachvollziehen?

Ich kann nachvollziehen, wieso sie sich so verhält. Trotzdem wäre ich da ganz anders. Ich persönlich bin jemand, der sich mit der Realität eher hart konfrontiert und nicht irgendwelchen Illusionen hinterherhängt. Ich will den Tatsachen ins Auge sehen. Manchmal sogar direkter und brutaler, als die Realität vielleicht ist. Ich bin kein Schmerzvermeidungstaktiker. Ich schone mich nicht.

Das klingt sehr diszipliniert.

Ja. Ich glaube, ich bin manchmal sehr streng mit mir. Ich würde mir jedenfalls selbst nie zugestehen, mich in so einer Situation hängen zu lassen. Aber da ist natürlich jeder anders.

Urteilen wir als Gesellschaft zu oft darüber, wie Menschen trauern?

Ich finde, wir sollten uns da viel mehr Individualität erlauben. Nicht jeder bricht zum Beispiel heulend zusammen, wenn er vom Tod eines geliebten Menschen erfährt. Manchmal kommt die Trauer erst zwei ­Wochen später, manchmal erst drei Jahre. Es gibt Menschen, die reagieren als Schockreaktion sogar mit einem Lachen. Unser inneres System versteht ja oft gar nicht so schnell, was passiert ist.

Sprechen Sie aus Erfahrung?

Sagen wir mal so: In meiner Familie ist es sehr gängig, dass wir im Umgang mit schwierigen Situationen zu besonderen Clowns werden. Vielleicht ist das auch etwas Österreichisches. Wir haben ja durchaus etwas Schwarzhumoriges. In Deutschland fällt mir schon oft diese verfestigte Meinung von Dingen auf. Da sind wir Österreicher schon ein bisschen lockerer.

Humor und Trauer schließen sich also nicht aus?

Überhaupt nicht. Ich finde es geradezu unverschämt, wenn ich von meinem Gegenüber in eine Emotion reingezwungen werde, weil sie von mir eben so erwartet wird. Diese Forderung, wie man sich in bestimmten Situationen zu verhalten hat, die stört mich wahnsinnig. Und genau diese Verhaltensmuster aufzubrechen, das ist mir ein großes Anliegen als Schauspielerin.

Wie kann Ihre Berufsgruppe dazu beitragen?

Indem wir im Fernsehen die Wirklichkeit abbilden. Trauer ist so persönlich, Menschen sind so unterschiedlich. Aber nach dieser Individualität suche ich oft vergebens im deutschen Fernsehen. Wir sehen häufig nur die Klischeereaktionen. Das ­finde ich regelrecht ungesund.

Warum?

Da fühlen sich Menschen in ihrer eigenen Empfindungswelt falsch, weil sie sich anders verhalten, als sie es immer in Serien und Filmen sehen. Ich hätte gerne viel mehr Formate, in denen die Figuren auf unterschiedliche Weise schwierige Situationen meistern. Und zum Beispiel zeigen: Wie motiviere ich mich für den Alltag? Wie finde ich aus einer traurigen Phase wieder heraus? Im besten Fall nehmen die ­Zuschauer vielleicht sogar eine Art Anleitung mit.

Ich finde es geradezu unverschämt, wenn ich von meinem Gegenüber in eine Emotion reingezwungen werde, weil sie von mir eben so erwartet wird.

Ist das der Anspruch, den Sie an sich als Schauspielerin haben? Den Menschen mehr als nur Unterhaltung zu bieten?

Unterhaltung ist schon wichtig. Aber ich will etwas geben. Mein eigenes Bedürfnis, in die Öffentlichkeit zu drängen, ist ansonsten nicht so besonders groß. Ich will niemanden belehren, aber ich mag es, Verantwortung zu tragen. Ich will mir bewusst sein, dass das, was ich tue, eine Wirkung hat. Und wenn es auch nur ein kleiner, hilfreicher Impuls ist, den ich jemandem geben kann, der sich vielleicht in einer ähnlichen Lage wie meine Rolle befindet.

Welche Kraftquelle haben Sie persönlich, um schwierige Lebensphasen zu bewältigen?

Ich finde viel Trost in meinem Glauben. Ein Leben ohne Gott ist für mich nicht vorstellbar. Natürlich hat man Familie und Freunde. Nur sterben muss ich irgendwann ohne sie. Wenn ich mich aber an Gott binde, weiß ich, dass ich nie allein sein werde. Dieser Gedanke trägt mich durchs Leben.