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SENIOREN RATGEBER: Der Liebe wegen sind Sie in Weimar geblieben. Ist das für Sie als Schauspieler nicht vergleichsweise …

Dominique Horwitz: Beschaulich-provinziell? Das ist es. Und ich lebe auch noch außerhalb der Stadt, in einem kleinen Dorf. Obwohl ich viele Jahre, Jahrzehnte in Städten gelebt habe, war ich immer ein Landkind. Ich liebe Natur, ich liebe das Grün, die frische Luft, die Stille … Ich bin dort sehr glücklich.

Sie sind an Ihrem Bestimmungsort angekommen?

Ja. Besser hätte ich es nicht ausdrücken können.

Seit Sie Ihre zweite Frau kennen, seien Sie „ein besserer Mensch“,
sagen Sie. Die erste Ehe sei ein falsches Leben gewesen. Was überwog, als Sie das merkten, Trauer oder Erleichterung?

Beide Gefühle waren vorhanden. Doch das Gefühl der Erleichterung überwog bei weitem. Umso mehr bin ich dankbar, mit ihr das Leben genießen und Tag für Tag bewusster leben zu dürfen.

Sie hatten 2019 einen schweren Motorradunfall. Wie hat das Ihre Lebenseinstellung verändert?

Als mich der Transporterfahrer übersah und ich hinweggefegt wurde, muss ein ganzer Schwarm Schutzengel mit auf dem Motorrad gesessen haben. Als mir bewusst wurde, welches Glück ich hatte, verfestigte sich einmal mehr: Mein Leben hat Priorität, nicht meine Karriere. Dieser Beruf birgt die Gefahr, dass man beides auf verhängnisvolle Weise verwechselt. Mein Beruf ist zwar ein Teil meines Lebens. Aber es ist nicht mein Leben. Wenn ich das Leben auf einen Begriff bringen müsste, dann wäre es meine Frau. Wenn sie meine Interviews liest, fragt sie allerdings, ob mir das nicht langsam peinlich wird, soviel über uns zu erzählen. Aber es ist mir gleich. Es entspricht der Wahrheit. Ich habe wirklich meine bessere Hälfte gefunden.

Mit 54 Jahren sagten Sie: „Ich weiß, mit 60 ist alles vorbei.“ Haben Sie diese Panik überwinden können?

Ich hatte Angst, so vieles, was mir wichtig war, nicht mehr umsetzen zu können. Dass die Zeit nicht mehr reichen würde. Im Älterwerden spielt die Zeit die Hauptrolle. Das Älterwerden ist das Gemeinste und Überflüssigste überhaupt. Dieses Gefühl von „Es geht dem Ende zu“ ist ganz schlimm. Altsein hingegen ist ein Segen. Paradoxerweise spielt die Zeit auf einmal eine Nebenrolle. Ich war noch nie so gelassen wie heute. Sogar der Beruf macht noch mehr Spaß.

Dominique Horwitz neben seinen Schauspielkollegen Thomas Kretschmann, Sebastian Rudolph und Jochen Nickel (von links nach rechts) im Film Stalingrad (1993).

Dominique Horwitz neben seinen Schauspielkollegen Thomas Kretschmann, Sebastian Rudolph und Jochen Nickel (von links nach rechts) im Film Stalingrad (1993).

Lassen Sie Dinge kalt, die Sie früher aufgeregt haben?

Nein. Ich rege mich genauso oft auf. Aber mit entschieden geringerer Intensität.

Aber die Lebenserfahrung, die Altersweisheit genießen Sie?

Das zu behaupten, wäre unangenehm selbstgefällig. Ein gelebtes, halbwegs erfolgreiches Leben ermöglicht einem lediglich, mit Zuversicht und Neugierde an Dinge heranzugehen, ohne das Gefühl, man müsse sich oder anderen etwas beweisen.

Man traut sich mehr zu mit dem Alter, weil man weiß, was man geleistet hat?

Genauso ist es. Vielleicht geht man aber auch nur ehrlicher mit sich um. Früher dachte ich, ich müsste exakt das erfüllen, was andere Menschen von mir gerade erwarten. Jetzt darf ich hoffen, dass die Menschen exakt das erwarten, was ich gerade erfülle.

Ihre Eltern führten einen Feinkostladen bei Paris. Sie selbst waren mal Verkäufer im KaDeWe in Berlin …

Ja, in der Abteilung für Herrenmode. Krawatten, Hemden, Socken ...

Weil es Ihnen Spaß machte? Oder aus Verlegenheit?

Wäre ich nicht Schauspieler geworden, ich wäre Händler geworden. Handel ist die Wiege der Zivilisation: Kaufleute haben die Kunst gefördert, Wirtschaftswege erfunden und belebt, die Städte, die Kommunikation. Ich mochte das immer. Ich bin jemand, der wahnsinnig gerne quatscht und Kunden berät und glücklich macht. Dann kam der Zufall dazwischen …

Inwiefern?

Mein ältester Freund, den ich, seit wir 14 sind, kenne, ist Schauspieler Christian Berkel. Bei einer Produktion wurde er gefragt, ob er einen Franzosen vermitteln könne. Ab da war klar, dass das mein Weg sein würde.

Darsteller Horwitz: Bei der Probe zum Theaterstück „Das Abschiedsdinner“

Darsteller Horwitz: Bei der Probe zum Theaterstück „Das Abschiedsdinner“

Gibt es etwas an Ihnen, das besonders deutsch, besonders französisch ist? Oder ist das zu klischeehaft?

Ich mag Klischees! Man kann sich so schön an ihnen reiben. Bei mir ist es ganz einfach: Mein Vater war Berliner, meine Mutter Ostpreußin. Genetisch bin ich sowas von preußisch, inklusive aller preußischen Primärtugenden! Das Französische hingegen ist bei mir angenommen. Ich bin in Paris geboren und habe meine ersten 14 Jahre in Frankreich verbracht. Da wird man, ob man will oder nicht, kulinarisch zum Genießer.

Achten Sie auf gesunde Ernährung?

Ich achte auf meine Ernährung, aber lebe kein Dogma. Ich fühle mich fit. Meine Frau ist Pilates-Trainerin, sie trainiert auch mich, und ich habe aufgehört zu rauchen. Sie haben es erraten, ich will einhundert werden.

Für Ihren Roman „Tod in Weimar“ dachten Sie sich ein Seniorenheim für Schauspieler aus. Könnten Sie sich vorstellen, so zu wohnen?

Da sei Gott vor! Um den Lebensweg, den ich mir ausgesucht habe, geistig gesund zu überstehen, bedarf es einer humorvollen Distanz zu sich selbst. Das ist ein Beruf für Egomanen. Anders als bei Pianisten oder Geigern gibt es bei Schauspielern nur den eigenen Körper, der die Kunst entstehen lässt. Das hinterlässt Spuren. Müsste ich mich entscheiden zwischen einem Schauspielerstammtisch und dem mit den Kumpels aus dem Dorf, würde ich immer lieber mit den Kumpels trinken.

Welche Gabe hätten Sie gerne?

Ich beneide Menschen, die Hobbys haben. Diesbezüglich bin ich absolut antriebslos. Es gibt zwei Möglichkeiten der Interpretation: Die eine ist, dass mein Beruf mich derart befriedigt, dass ich keine Hobbys brauche. Die andere: Ich bin als Person einfach zu lahm. Zuhause könnte eine Mauer einstürzen, ich könnte mich wohl kaum aufraffen, sie wiederaufzubauen. Das erschreckt mich zuweilen.

Thomas Thieme

"Ich bin Schauspieler, und das ist gut so"

Thomas Thieme spielte bereits Uli Hoeneß und Helmut Kohl – eine Figur reizt ihn aber noch besonders. Welche das ist und worüber er lachen kann, sagt Thieme im Interview zum Artikel