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Herr Kurth, als Kind verbrachten Sie jeden Sonntagnachmittag im Kleinstadtkino. Hatten Sie einen Lieblingsfilm?

Peter Kurth: Den „Kapitän vom Tenkesberg“ habe ich gefühlt mehr als 20-mal gesehen. Das war ein ungarischer Kinofilm, der lief auch als Vorabendserie im Fernsehen. Der Held war ein Revoluzzer, ein Robin Hood, pfiffig, ein ganzer Kerl und konnte alles. Wie der die Gegner reinlegte, auch indem er sich verkleidete.

Sie spielten zunächst viele Jahre am Theater. Zum Film kamen Sie eher spät, mit über 40.

Ich war in Hamburg am Thalia Theater, als Filmleute auf mich aufmerksam wurden. Sie waren auf der Suche nach neuen Gesichtern.

Worauf legen Sie bei der Rollenauswahl am meisten Wert?

Die Themen müssen etwas mit der Zeit zu tun haben, mich auf eine Weise bewegen.

Unterhalten um des Unterhaltens willen wäre nichts für Sie?

Ich habe nichts gegen pure Unterhaltung oder Nonsens. Alles, was wir machen, ist ein Versuch der Unterhaltung. Es muss nur gut sein. Wenn dazu künstlerische Form und Relevanz stimmig sind, ist das am allerbesten. Ich schaue immer, wo ich die Geschichte auch mit Humor packen kann. Nur mit wem ich lachen kann, mit dem kann ich weinen.

Wie beschreiben Sie Ihren neuen Film „Die stillen Trabanten“, der seit 1. Dezember in den Kinos läuft?

Es ist ein ruhiger, stiller Episodenfilm. Mit sehr schönen Geschichten aus dem alltäglichen Leben, die auf eine berührende Art und Weise erzählt werden. Es geht um die Liebe, um Fragen wie: Was passiert mit uns, auf welcher Suche befinden sich die Menschen, wo finden sie ihr Glück, wo verlässt es sie? Wir wollen alle geliebt werden und versuchen, auf dieser Erde einigermaßen vernünftige Dinge zu tun. Die meisten zumindest.

Peter Kurth neben seinem Schauspielkollegen Daniel Bruhl im Film „Nebenan“ (2021)

Peter Kurth neben seinem Schauspielkollegen Daniel Bruhl im Film „Nebenan“ (2021)

Der Film beruht auf einer Geschichte des Literaten Clemens Meyer. Sie haben schon mal bei der Verfilmung eines seiner Bücher mitgespielt.

Ja, das war 2018 bei „In den Gängen“. Für den Film habe ich einen Gabelstaplerschein gemacht. Es war klasse, im Großmarkt herumzukurven und aus dem dritten Regal von links oben mal eine Palette zu holen.

Müssen Sie Ihren Gabelstaplerschein irgendwann erneuern?

Nein, den habe ich für immer.

Im Schauspiel „Liliom“ standen Sie mal minutenlang schweigend auf der Bühne. Wie schwer ist es für Sie, Stille auszuhalten?

Mindestens sieben, bei der letzten Vorstellung waren es sogar 18 Minuten! Die Figur des Liliom soll provozieren, und unsere Idee war: nicht durch agieren, sondern durch die Verweigerung mit dem Publikum zu spielen. Das dachte natürlich zuerst mal, ich hätte meinen Text vergessen, und rief nach der Souffleuse. Ein- oder zweimal sind Leute aufgestanden und haben mit der Tür geknallt. Das war sehr gut als Reaktion, die hatten an dem Abend aber keinen Spaß mehr. Die anderen dann aber umso mehr. Durch den geballten Unmut, den ich provozierte, erreichte ich, dass die Zuschauer untereinander kommunizierten, einen Stolz entwickelten: „Wir haben durchgehalten!“ Und dann die Geschichte ganz anders verfolgten.

Da braucht es starke Nerven. Oder waren Sie ganz cool?

Jeder Spieler überlegt: Welches Mittel passt zu meiner Persönlichkeit, um Geschichten zu erzählen? Mir wurde mit den Jahren immer klarer: Mein Mittel ist die Reduktion. Meine Leitfrage ist: Wie kann ich mit dem geringstmöglichen Aufwand so kräftig wie möglich agieren und erzählen.

Machen Sie sich Gedanken übers Älterwerden?

Gott sei Dank habe ich noch keine beeinträchtigenden Zipperlein. Natürlich merkt man das Alter irgendwann, wenn man die 65 überschritten hat. Mich damit zu beschäftigen, hebe ich mir auf, bis mir was fehlt. Jetzt brauche ich meine Kraft für anderes und genieße das Leben.

Sie haben mal gesagt, durch Ihren Vater hätten Sie früh gelernt, was der Tod bedeutet.

Mein Vater war Tierarzt, und er war auch Jäger. Er hat mir erklärt, was es heißt, wenn der Mensch in die Natur eingreift und der Wolf nicht mehr da ist. Dass der Mensch dann noch mehr eingreifen und das Wild abschießen müsse, um das Gleichgewicht wiederherzustellen. Das habe ich früh verinnerlicht.

Was mögen Sie an sich und was mögen Sie nicht?

Die Antwort auf beide Fragen: alles.

Gibt es noch etwas, das Sie lernen möchten?

Gerade versuche ich, mein Englisch zu verbessern. Und meine Klarinette liegt zu Hause immer in Griffweite. Klarinette habe ich als Kind mal vier Jahre in der Musikschule gelernt. Da würde ich gerne drauf aufbauen.

Manchmal kommt man auch ganz unverhofft zu neuen Erfahrungen …

Wie mit dem Gabelstaplerschein, meinen Sie das? Stimmt. Der Schauspielberuf ist für neue Erfahrungen prädestiniert.

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