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Prof. Rosner, die anhaltende Trauerstörung ist eine psychische Störung mit eigener Diagnose. Traurig zu sein - etwa, wenn ein geliebter Mensch stirbt - ist doch normal und keine Störung!?

Ja, Trauer ist ein normaler, eher langsamer und individueller Prozess. In der Regel braucht man keine psychologische Hilfe. Manche Menschen bleiben aber in der Verarbeitung stecken und finden nicht in ihren Alltag zurück. Sie können nicht mehr ihren Haushalt führen, ihren Job ausüben, treffen keine Freunde mehr. Ihre Gedanken kreisen immerzu um den Verstorbenen, häufig verbunden mit Schuldgefühlen oder Selbstvorwürfen. Bessert sich die Stimmung nach einem halben Jahr nicht, ist es wichtig, sich Unterstützung bei einem Psychologen zu holen.

Warum?

Der Therapeut kann zunächst abklären, ob es sich tatsächlich um ei- ne Trauerstörung handelt. Viele sind erleichtert, wenn ihr Leid einen Namen bekommt. Die Diagnose verhilft auch zur richtigen Behandlung. Bei Trauer helfen keine Antidepressiva. Wenn ich zusätzlich eine Depression habe, kann ein Antidepressivum helfen, die Trauer aber bleibt.

Wer den langjährigen Partner oder das eigene Kind verliert oder wer eine geliebte Person durch Suizid verloren hat, profitiert von professioneller Hilfe!

Die Beschwerden ähneln aber durchaus denen einer Depression.

Das stimmt. Doch bei einer Depression steckt in den meisten Fällen kein Trauerfall als Auslöser dahinter. Manche Trauernde entwickeln allerdings zusätzlich eine Depression. Ich frage dann immer: Was war zuerst da? Wer vor dem Verlust bereits an einer Depression litt, ist häufig anfälliger für eine anhaltende Trauerstörung. Bei sechs von zehn Patienten liegen allerdings beide Diagnosen vor.

Wie gehen Sie als Psychologin in der Trauertherapie vor?

In einer Einzeltherapie über 20 Sitzungen schaue ich mir mit dem Patienten den Verlust bewusst an und kläre, ob er möchte, dass es ihm besser geht. Viele haben Angst, den Kontakt zum Verstorbenen zu verlieren, wenn sie weniger trauern. Wir schauen gemeinsam die Gedanken an, die den Schmerz aufrechterhalten. In Übungen können Angehörige all das aussprechen, was sie dem Verstorbenen noch mitteilen wollten. Im letzten Teil der Therapie geht es um das neue Leben nach dem Verlust. Manche möchten etwas von der geliebten Person mit in ihren Alltag nehmen, etwa einen Baum pflanzen. Andere nehmen sich vor, neugieriger und mutiger zu sein, weil dies den Ver-storbenen ausgemacht hat.

Welche Umstände machen es Menschen besonders schwer, sich von ihrer Trauer zu befreien?

Wenn der langjährige Partner oder das eigene Kind stirbt. Auch wer jemanden durch Suizid verloren hat, trauert häufig sehr lange und profitiert von professioneller Hilfe.