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Herr Balder, als Beruf geben Sie "Gaukler" an. Was genau zeichnet einen Gaukler aus?

Ein Gaukler macht alles. Er hüpft und singt, er macht Späßchen, er unterhält.

Der Begriff hat aber auch was Halbseidenes. Stört Sie das nicht?

Nein. Noch nie.

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Sie haben tatsächlich die unterschiedlichsten Dinge gemacht. Sie waren sogar Puppenspieler …

Für die Sendung "Vorsicht, Musik!" mit Frank Zander haben wir einen Hund gebaut aus einem Flokatiteppich, mit einer Socke als Zunge. Ich war sein Spieler und habe ihn auch gesprochen. Bei diesem Ausflug ins Puppenspiel ist es aber geblieben.

Es gab auch Gesangsauftritte. Etwa der Song "Schwarzfahr’n". Der war sehr … nun ja, speziell ...

Ich habe mehrere solche Sachen gemacht. Das war alles nur Spaß, ums Geld ging es mir nicht. Ich hatte auch nie einen Plan. Nach der Schauspielschule war ich sieben Jahre am Schillertheater, und als der Intendant wechselte, bewarb ich mich bei Frank Elstner als Moderator für Radio Luxemburg. Alles andere hat sich halt so ergeben.

Sie haben auch mal Kabarett gemacht. Das war nicht so Ihr Ding.

Das politische Kabarett, wie es mal war, das gibt es ja nicht mehr. So wenig, wie es den Unterschied zwischen SPD und CDU noch gibt.

Sie hatten offenbar immer die Zuversicht: Wenn etwas zu Ende ist, wird sich etwas Neues ergeben.

Ja. Es ist ja so. Nicht nur bei mir. Es geht ja immer weiter. Manche trauern da nach, andere schimpfen, statt zu sagen: "Es war eine tolle Zeit – nun ist sie vorbei. Okay, suchen wir uns etwas Neues."

Sie spielen wieder Theater. Ist das ein "Zurück zu den Wurzeln"?

Genauso sieht’s aus. Man muss sich irgendwann ab sechzig fragen: "Was willst du und was kannst du im Fernsehen noch machen? Was nehmen dir die Leute ab?" Es gibt ja ein paar Beispiele, wo es nicht mehr so gut funktioniert, die Leute aber nicht aufhören wollen. Theater kann ich auch noch spielen, wenn ich 85 bin – und gesund.

Nie wieder Fernsehen?

Es gibt wenig, was mich reizt, etwa die Neuauflage von "Genial daneben" gerade im Frühjahr – im Herbst gibt es weitere Folgen. Da muss ich nicht herumhopsen, das geht.

Ist das Fernsehen heute schlechter als früher?

Es ist anders. Es gab auch früher Sachen, die beschissen waren, und es gibt auch heute Sachen, die gut sind. Wir haben eine schnelllebigere Zeit. Die große Samstagabendunterhaltung ist vorbei, und die Jugend geht sowieso nur ins Internet.

Inwiefern beschäftigt Sie das Thema Älterwerden?    

Tagsüber wenig, abends gar nicht, morgens mehr – wenn ich aufwache, und es hier und da wehtut … dafür habe ich Kaffee-Yoga erfunden.

Wie soll das gehen?

Zwanzig Tassen Kaffee trinken und eine Stunde lang die Wand angucken, ohne was zu sagen. Dann werde ich langsam wach, tagsüber geht das dann so, und abends bin ich dann fit.

Warum wollen Sie dauernd komisch sein? 

Ich bin nun einmal so. Es ist einfacher im Leben, wenn man alles nicht so ernst nehmen kann. Natürlich, es gibt auch ein paar Sachen, die man ernst nehmen muss. Aber viele Menschen nehmen vieles zu ernst. Es gibt Dinge, die man nicht ändern kann, und dann ist es doch sinnlos, darüber stundenlang nachzudenken oder zu debattieren. Das habe ich von meinen Eltern, insbesondere von meiner Mutter.

Ihre Mutter und Ihr Halbbruder haben das KZ Theresienstadt überlebt ...

Ja. Darüber wurde zu Hause nie gesprochen. Die Fröhlichkeit meiner Eltern war ein Schutzmechanismus, um mit dem Vergangenen klarzukommen. Abzuschließen und die Zeit zu genießen, die dann kommt.

Wie schwierig ist es, Ihnen nahezukommen?

Ich lasse sehr wenig Leute an mich heran. Das wird sich sicher nicht mehr ändern. Das wird eher schlimmer.

Sie wollen doch aber auch ernst genommen werden?

Da differenziere ich. Das Publikum kennt mich ja nicht persönlich, da ist mir das wurscht. Wenn meine engsten Menschen um mich herum mich nicht mehr ernst nähmen, wäre das ein Problem. Die nehmen mich aber ernst. Ich bin nicht nur fröhlich-flapsig, ich kann auch normal sein.

Privat sind Sie ganz anders?

Wenn ich gute Laune habe, nicht. Aber wenn mich etwas wirklich stört, dann bin ich auch direkt und sage das.

"Nicht lamentieren" ist ein Motto von Ihnen. Verschwinden die Zipperlein dann von selbst?

Das habe ich auch von meiner Mutter. Wenn ich so drüber nachdenke, was meine Mutter, meine Oma, mein Bruder alles ausgehalten haben. Da ist doch, was ich so habe, alles ein Scheiß dagegen. Die Psyche kann einige physische Sachen beheben. Theaterspielen etwa ist eine absolute Therapie für mich. Auf der Bühne fehlt mir nichts.  

Sind Sie nicht zu hart zu sich?

Nur wo es sein muss. Ich schlage ja auch über die Stränge, ich rauche, ich trinke … aber wenn mir mein Körper signalisiert: "Nun ist genug", dann höre ich auch auf ihn.

Schließen Sie nach vier Ehen ein fünftes Mal kategorisch aus?

Ich schließe kategorisch überhaupt nichts aus. Aber ich denke überhaupt nicht in die Richtung. Das reicht.

Warum sind Ihre Ehen immer wieder gescheitert?

Das war meine Schuld. Ich bin Einzelgänger und nicht für ein Eheleben geschaffen. Für mich sind Fernbeziehungen am besten. Wo man sich ab und zu mal sieht und sonst jeder sein Ding macht.

Worüber können Sie sich im Alltag besonders aufregen?

Über die Nichtachtung von älteren Menschen. Das hat mich schon als kleiner Junge gestört. Das fand ich immer zum Kotzen. Da werde ich böse.     

Zur Person:

  • Hugo Egon Balder wurde am 22. März 1950 in Berlin geboren
  • Show: Nach der Schauspielschule gehörte er sieben Jahre zum Ensemble des Berliner Schillertheaters. In den 1980ern trat er auch als Sänger und Moderator auf. Zu seinen bekanntesten TV-Shows gehören "Tutti Frutti", "Alles nichts oder?!", "RTL Samstagnacht" und "Genial daneben", das SAT.1 nach sechs Jahren Pause neu auflegt. Seit Kurzem ist Balder wieder verstärkt als Schauspieler im Fernsehen und im Theater zu sehen.  
  • Privat: Balder lebt in Köln und war viermal verheiratet. Aus seiner vierten Ehe stammen ein Sohn und eine Tochter (15 und 16 Jahre).

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