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Wie fühlt sich das nach der „Lindenstraße“ an, „Rentnercop“ zu sein?

Fantastisch! Schon weil meine Figur Reinhard Bielefelder ganz anders ist, ein Einzelgänger, ein oft grantiger Typ, der nicht immer nach den Regeln handelt. Da reibe ich mich dann mit meinem Partner, gespielt von Hartmut Volle, einem Familienmenschen, der streng die Vorschriften befolgt.

Auch äußerlich haben Sie sich verändert.

Erst der lange Bart und das Käppi erlauben mir, diese völlig neue Figur zu spielen. Meine sechs Jungs rieten mir, nach der „Lindenstraße“ mein Aussehen zu verändern. So siehst du nicht mehr sofort den Erich Schiller, und das war ein großer Vorteil.

Mit Ihrem Co-„Rentnercop“ hat die Chemie gleich gestimmt?

Ich merkte sofort, Hartmut Volle ist ein langjähriger Bühnenschauspieler wie ich. Solche Leute sprechen dieselbe Sprache und empfinden eine Szene ähnlich. Schauspieler wollen oft nur ihr Ding verkaufen und hören dem andern überhaupt nicht zu. Das war bei uns anders. Wir können sehr gut miteinander, sind dadurch besonders kreativ am Set.

Sie wollten „Tatort“-Kommissar werden. Jetzt sind Sie ein anderer

TV-Kommissar. Zufrieden?

Ich bin sehr froh, dass es die „Rentnercops“ geworden sind. Viele „Tatort“- Kommissare sind sehr düster und eindimensional. Bei uns kommen Comedy, Familie und Spannung zusammen, das liegt mir viel mehr.

Dass Sie in der „Lindenstraße“ sterben mussten, war damals aber nicht in Ihrem Sinn?

Überhaupt nicht. Ich dachte, ich würde mit 90 in den Armen von Helga Beimer sterben. Ich fand es sehr kurzsichtig, weil ich das Gefühl hatte, die Zuschauer hängen an ihren „Dinosauriern“. Aber was soll’s?

Haben Sie die Lust am Schauspiel von Ihren biologischen Eltern oder von Ihren Adoptiveltern?

Erst mit Mitte 30 fand ich die Familie meiner Mutter. Sie war Kunst- und Musiklehrerin. Mein Vater war englischer Filmregisseur und drehte in Kanada. Als meine Mutter schwanger wurde mit mir, sagte sie: „Wir müssen heiraten, meine Eltern bringen mich sonst um!“ Da gestand er, dass er Frau und zwei Kinder in England hatte. Dahin ist er zurück, die beiden haben nie wieder miteinander gesprochen. Ich weiß nur, dass er Filmregisseur war und sein Vater in der Stummfilmzeit auch schon. Offenbar habe ich eine starke musische Ader geerbt.

Ihre Adoptivfamilie war weniger künstlerisch veranlagt?

Mein Vater war ein sehr erfolgreicher Rechtsanwalt. Nicht sehr emotional, sondern sehr pragmatisch. Ich fühlte mich wohlbehütet in dieser Familie, aber nicht verstanden, weil ich ein sehr emotionales Kind war. Ich wollte mit zehn Jahren einen Schminkkoffer, mit elf ein Kassettengerät, um mich selbst aufzunehmen, das konnte mein Vater alles nicht verstehen. Als ich Schauspieler werden wollte, sagte er: „Mein guter Name auf der Bühne, das kommt überhaupt nicht infrage!“ Also riss ich mit 15 Jahren von zu Hause aus und wurde Schauspieler. Wir hatten später aber ein sehr gutes Verhältnis.

Bill Mockridge mit seiner Frau Margie Kinsky beim Fotoshooting im Theater „Springmaus“ in Bonn.

Bill Mockridge mit seiner Frau Margie Kinsky beim Fotoshooting im Theater „Springmaus“ in Bonn.

Warum sind Sie nach Deutschland ausgewandert?

Als ich zwei Jahre gespielt hatte, bekam ich ein Stipendium von der kanadischen Regierung für einen Auslandsaufenthalt. Ich wollte nach Deutschland, weil ich von der großen Theatertradition gehört hatte. Als ich begriff, dass Schauspieler hier das ganze Jahr hindurch am Theater beschäftigt sind, konnte ich das nicht fassen! Zwei, drei, vier Jahre in einem Team mit denselben Regisseuren: Das fand ich absolut bewundernswert. Ich lernte Deutsch, bekam eine Regieassistenz und dann ergab sich eins aus dem anderen.

Margie und Sie sind 39 Jahre verheiratet. Was ist Ihr Erfolgsgeheimnis?

Wir haben uns buchstäblich gesucht und gefunden. Emotional und intellektuell sind wir sehr ähnlich gestrickt. Sie kommt aus Rom, ich aus Toronto, aber beide aus Elternhäusern, die die gleichen Werte hatten. Wir besitzen beide dieses Entertainment-Gen, Margie ist eine begnadete Komikerin. Dann fingen wir an, Kinder zu bekommen, und hatten wahnsinnig viel Spaß damit.

Diese zweite Lebenshälfte ist eine unglaublich spannende, kreative, völlig neue Art, das Leben zu sehen.

Sechs Kinder stellen eine Partnerschaft auch extrem auf die Probe…

Darum haben wir immer zugesehen, dass wir alle zwei Monate einen Tag, noch besser ein Wochenende ganz für uns hatten. Damit man sich da­rauf besinnt, warum man zusammen ist: weil man sich liebt. Margie sagte immer: „Wenn Bill und ich nicht funktionieren, wenn wir kein Team sind, bricht alles zusammen.“ Da gebe ich ihr absolut recht, das Fundament muss stimmen.

Wie haben Sie das Thema Älterwerden für die Bühne entdeckt?

Ich entdeckte bei mir diese Geräusche, die man macht, wenn man aufsteht. Oder man geht in einen Raum und vergisst, was man eigentlich wollte. Dieses Brabbeln, wenn man allein zu Hause ist. Das sind so Hinweise: Du bist nicht mehr der junge Spund. Ich fing an, das auf der Bühne zu erzählen, und merkte: Die Leute fanden das sehr witzig. Und ich entdeckte, dass ich eine Botschaft habe.

Die da lautet?

Diese zweite Lebenshälfte ist eine unglaublich spannende, kreative, völlig neue Art, das Leben zu sehen. Und wenn man die Kraft hat, das wahrzunehmen, ist diese Zeit eine enorme Bereicherung. Ich ziehe jeden Tag meine fünf „L“ durch: Laufen, Laben, Lieben, Lachen, Lernen.

Wo sehen Sie sich in 20 Jahren?

Meine Vision: Ich werde mit 100 noch auf der Bühne stehen, fit wie ein Turnschuh, weil ich viel dafür mache. Solange ich kann und die Leute mich sehen wollen, bin ich zu hundert Prozent dabei.

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