Frischzellentherapie: Tierisch riskant
Wir schreiben das Jahr 1997, in England stellt ein Forscher ein geklontes Schaf namens Dolly vor, Borussia Dortmund gewinnt die Champions League, und im Bundesgesundheitsministerium residiert der CSU-Grande Horst Seehofer.
Verbot der Frischzellentherapie
Diesem kommt eine Therapieform weder christlich noch sozial vor, mit der sich manche Reiche und mancher Schöne verjüngen und von allen möglichen Gebrechen heilen lassen will: die Frischzellentherapie. Kurzerhand verbietet das Ministerium das dubiose Verfahren.
Ein Sieg des Gesetzgebers über windige Geschäftemacher, die eine krude Behandlung an gutgläubige Klienten verkaufen? Klarer Fall von „Denkste!“. Denn keine drei Jahre später kassiert das Bundesverfassungsgericht das Verbot. Aus rein formalen Gründen: Dafür sei nicht der Bund, sondern die Länder zuständig.
Seither dürfen sich Heilpraktiker, Ärzte und private Kliniken wieder zahlungskräftige Kunden krallen, gern auch von anderen Kontinenten, wo so etwas nicht erlaubt ist. Und Achtung, jetzt wird es unappetitlich: Meist gewinnen die vermeintlichen Wunderheiler aus den Föten von geschlachteten trächtigen Schafen oder Rindern jene Zellen, die sie ihren gutgläubigen Klienten dann spritzen – frisch, gefriergetrocknet oder als „Organextrakt“.
Versprechen vs Gefahr
Die tierischen Zellen sollen den Körper verjüngen und das Immunsystem stärken, aber je nach Zellmix und Wunsch auch gern alle Körperorgane „revitalisieren“. Ihr Ziel finden sie angeblich von selbst, hierzu dienen ominöse „Richtungsmarker“. Einen wissenschaftlichen Beleg für all das gibt es indes nicht. Das geben manche der selbst ernannten Heiler sogar zu. Entscheidend sei ihre „Erfahrung“, prahlen sie – allerdings ohne diese nachzuweisen.
Das alles wäre ja nicht so schlimm: Soll doch jedem Menschen selbst überlassen bleiben, wohin er seine überschüssigen Moneten verschleudert. Doch mancher bezahlt nicht nur mit einigen Tausend Euro, sondern auch mit der eigenen Gesundheit. Artfremde Eiweiße in Blut und Gewebe bergen immer die Gefahr allergischer Reaktionen bis hin zum Schock, sie können das Immunsystem überfordern. Und angeblich noch so gut aufgereinigte Präparate können Krankheitserreger enthalten. Im Jahr 2014 haben das fünf US-Amerikaner schmerzlich erfahren, als sie nach einer Behandlung in Rheinland-Pfalz schwer an bakteriellem Q-Fieber erkrankten, das auch tödlich enden kann.
Immerhin hat die Geschichte ein Happy End. Eine diesmal rechtssichere Verordnung hat inzwischen alle Instanzen durchlaufen. Sie ist rechtskräftig und macht der kruden Therapie ein Ende. Endlich.