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Bela B, immer am 15. Oktober ist Tag des Händewaschens, an dem auch auf die weltweite Wasserknappheit aufmerksam gemacht wird. Waschen Sie Ihre Hände seit Corona anders?

Ich musste aufpassen, weil ich vor vielen Jahren mal einen Hände-Wasch-Zwang hatte. Wir haben damals immer in so versifften Jugendzentren gespielt. Überall klebte Bier. Ständig haben einen Menschen berührt. Die Toiletten waren dreckig. Wahrscheinlich kam das daher.

Aber Sie sind nicht wieder in diesen Zwang hineingerutscht?

Nee, nee, nee. Da habe ich aufgepasst. Corona war eine komische Zeit. Aber das mit unserem „Schrei nach Liebe“-Refrain als Zeitfenster für 30 Sekunden Hände waschen, das war lustig.

Seit 2010 setzen Sie sich für sauberes Trinkwasser ein. Wie kam es dazu?

Ich bin Fan des Fußballclubs FC St. Pauli. Der Gründer von „Viva con Agua“, Benjamin Adrion, war damals Spieler dort und erzählte mir von dieser Idee: „Wasser für ­alle – alle für Wasser“. Damals hatte ich ­gerade mein erstes Solo-Album fertig und wollte die Einnahmen von meinem Konzert im Hamburger Club „Knust“ spenden. Das war ausverkauft. Alles war damals noch so frisch, dass mir niemand sagen konnte, auf welches Konto ich das Geld überweisen sollte, nicht mal, ob es ein Konto gab.

Wie viel Geld war das denn?

Knapp 3700 Euro.

Und trotzdem sind Sie drangeblieben?

Ja. Das erste Geld war für ein Projekt auf Kuba, wo Wasserknappheit herrschte. „Viva con Agua“ hat da den ersten Brunnen seiner Geschichte gebaut.

Mittlerweile sitzen Sie sogar im Beirat von „Viva con Agua“.

Das Projekt wurde immer größer und wir haben eine Stiftung gegründet. Der „Einfach machen“-Spirit hält bis heute an: Trinkwasser zu fördern und Leute vor Ort finanziell zu unterstützen ist wichtig. Aber wir sind jetzt organisierter. Vor allem geht es auch darum, eine ganzheitliche Wasserversorgung zu etablieren. Es gilt das Prinzip des „Wa-S-H“.

Was bedeutet das?

„Wa-S-H“ steht für Wasser, Sanitärversorgung und Hygiene. Es ist zum Beispiel nicht in allen Ländern der Welt selbstverständlich, dass es getrennte Toiletten gibt. Was die Hygiene von Frauen und Mädchen vielerorts schwierig macht. Ein Waschbecken für 60 Menschen ist keine Seltenheit.

Sie gehen auf Tour, haben noch viele andere Projekte und engagieren sich sozial. Können Sie auch Nein sagen?

Nicht so gut. Außer ich habe Bedenken. Ich möchte zum Beispiel nicht, dass der Eindruck entsteht, dass ich mich profilieren möchte, wenn ich mich für eine soziale ­Sache ausspreche.

Ist diese Angst denn berechtigt?

Keine Ahnung. Die „Viva con Agua“-Gründer sagen immer zu mir: „Du kannst jetzt wirklich auch einfach mal erzählen, was du hier seit Jahren machst.“ Ich bin da vorsichtiger.

Klingt anstrengend, sich immer so ­kritisch zu hinterfragen.

Ja, aber wenn du deine Glaubwürdigkeit einmal verloren hast, kannst du sie mit ­keinem Geld der Welt zurückkaufen.

Ist das Schwierige, kommerziell erfolgreich zu sein und glaubhaft zu bleiben?

Ja, denn in dem Moment, wo man sich für Dinge rechtfertigen muss, ist man schon unglaubwürdig.

Haben Sie keine Angst vor Kritik?

Nö, ich kann mit Kritik umgehen. Ich nehme sie auch an. Meine Band hatte ja auch schon Shitstorms. Sogar erst kürzlich. So funktioniert unsere Gesellschaft. Die eine Sache macht dann die Überschriften.

Sehnen Sie sich manchmal nach einer Zeit zurück, wo die Welt weniger schnelllebig war? Ohne Social Media und Co.?

Ach, ich kenne das auch schon von früher. „Die Ärzte“ haben 1987 in München mal für einen Riesenskandal gesorgt mit zugegebenermaßen geschmacklosen Aussagen auf der Bühne. Es gab und gibt immer Leute, deren Meinung man nicht ändern kann. Ich habe selbst schon auch mal unpassende Sachen gesagt, aus Lust an der Provokation, was mir hinterher leidtat. Ich finde, da kann man viel von unserem Wirtschaftsminister Habeck lernen, der Fehler offen ­zugibt und zum Beispiel sagt: „Tut mir leid, ich war nicht informiert.“

Würden Sie sich selbst als Aktivist ­bezeichnen?

Im Rahmen meiner Möglichkeiten. Und meine Möglichkeit ist vor allem die Bühne. Zum Beispiel gibt es jetzt noch ein anderes Projekt, bei dem es darum geht, Konzerte und Festivals ganzheitlich nachhaltiger zu gestalten. Etwa durch Solarenergie-Stationen oder Kompostklos. Das Wasser, das man zum Händewaschen nimmt, kann man für die Klospülung nutzen.

Kann man heutzutage überhaupt noch „nur“ Künstlerin oder Künstler sein?

Wir als die Band „Die Ärzte“ haben in den 1980er-Jahren mal behauptet, wir seien ­unpolitisch. Das war Quatsch! Aber man muss es realistisch sehen. Wenn dir nur ein paar wenige Leute zuhören, kannst du nicht mehr unpolitisch sein. Du musst dich positionieren.

Ist man, wenn man viel Geld verdient, auch verpflichtet zu geben?

Ich sehe das so: Ich brauche keine Ferraris oder teure Uhren. Mir geht es heute viel besser, als ich vor 20 Jahren gedacht hätte.

Aber vor 20 Jahren waren Sie doch auch schon erfolgreich.

Huch, da hab ich mich wohl verrechnet – aber jetzt geht’s mir halt noch besser.

Sie gehen regelmäßig laufen, achten darauf, dass Sie gesund leben. Ist das Alter schuld?

Ich versuche viermal die Woche laufen zu gehen. Eine Stunde oder so. Auf Tour ist das praktisch. Keiner achtet auf jemanden, der an einem vorbeijoggt. Aber klar, früher hat der Körper mehr mitgemacht – und mehr verziehen.

Und jetzt auch noch ein Interview für die Apotheken Umschau.

Für mich ist das ja nur konsequent, mit 60 Jahren ein Interview für die sogenannte Rentner-Bravo zu geben. 1988 waren wir die beliebteste Band in der „Bravo“. Insofern schließt sich hier ein Kreis (lacht).

Wie stellen Sie sich denn Ihre Rente vor?

Gar nicht. Die findet nicht statt.

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