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Framingham Heart Study

Sie identifizierte erstmals Ursachen von Herzleiden und ist die wohl bekannteste medizinische Studie überhaupt. Sie läuft schon seit 75 Jahren

Zeitraum: seit 1948 bis heute: USA Framingham, Massachusetts

Personenkreis: 5209 Erwachsene zwischen 28 und 62 Jahren, die repräsentativ für die USA sind Ort: Stadt Framingham im Nordosten der USA

Die Ausgangslage: In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts gab es in den USA einen starken Anstieg an Herz-Kreislauf- Erkrankungen. Die Bürgerinnen und Bürger der Kleinstadt Framingham sollten dazu beitragen, die Gründe dafür zu finden. Sie wurden wiederholt zu ihren Lebensgewohnheiten befragt und auf ihre Gesundheit untersucht. Die Bevölkerung galt als repräsentativ für die damalige USA.

Wichtige Erkenntnisse: Es kam heraus, was heute zum Allgemeinwissen zählt. Rauchen, hohe Cholesterinspiegel und Bluthochdruck sind Risikofaktoren für Herz-Kreislauf-Erkrankungen. „Damals hat man Bluthochdruck weniger ernst genommen“, sagt Professorin Gülmisal Güder, Kardiologin und Oberärztin am Uniklinikum Würzburg. Er galt als Begleiterscheinung, die das Altern mit sich bringt. „Heute wird Bluthochdruck auch aufgrund dieser Studie standardmäßig behandelt.“

Aus ihr resultierte auch der sogenannte Framingham Risk Score. Mit ihm lässt sich das Risiko abschätzen, innerhalb der nächsten zehn Jahre an Herz und Gefäßen zu erkranken. Mehrere Tausend wissenschaftliche Veröffentlichungen resultieren aus dieser Studie. Die 1,6 Millionen gesammelten Blutproben werden genutzt, um genetische Ursachen für Krankheiten zu finden.

Women’s Health Initiative

Der Vergleich mit einer Gruppe, die nur zum Schein behandelt wurde, zeigte negative Effekte von Hormontherapien

Zeitraum: 1993 bis 2002,

Personenkreis: 16.608 Frauen von 50 bis 79 Jahren nach ihrer Menopause und ohne Herzerkrankung Ort: 40 Städte, verteilt in den USA

Die Ausgangslage: In den 80er- und 90er-Jahren wurden Frauen nach den Wechseljahren häufig Östrogene und Gestagene als Dauertherapie verordnet. Auch weil eine epidemiologische Studie nahelegte, dass damit das Risiko etwa für Herzinfarkte sinkt. Doch diese Art von Studie – der gleiche Typ wie Framingham – taugt nicht, um solche Fragen zu beantworten. Eine Vergleichsstudie der Women’s Health Initiative sollte Klarheit bringen. Die Teilnehmerinnen wurden in zwei Gruppen aufgeteilt. Die eine erhielt Hormone, die andere ein Placebo. Die Zuteilung erfolgte blind: Weder Teilnehmerinnen noch Ärzte wussten, wer Hormone bekam.

Wichtige Erkenntnisse: Nach gut fünf Jahren musste die Studie vorzeitig abgebrochen werden. Der Grund: Die Hormontherapie steigerte das Risiko für Herz und Gefäß Erkrankungen, anstatt es zu senken. Und sie erhöhte obendrein auch noch das Risiko für Brustkrebs. Immerhin sank das Risiko für einen Oberschenkelhalsbruch. Doch insgesamt waren die Nachteile größer als der Nutzen. Die Erkenntnisse führten zu einer Trendwende: Die Anzahl der Hormon-Verordnungen sank drastisch. Heute werden bei Hormongaben die Art, Dosierung und Zeitdauer individueller auf die Patientinnen und ihre jeweiligen Beschwerden abgestimmt.

Digitale Patientenakte

In Israel werden Gesundheitsdaten so stark digitalisiert wie in kaum einem anderen Land. So konnte man schnell herausfinden, wie wirksam Corona- Impfungen schützen

Dauer: seit 2018

Personenkreis: 9 Millionen Krankenversicherte in Israel

Die Ausgangslage: Bereits vor über zwei Jahrzehnten begann Israel, sein Gesundheitssystem zu digitalisieren. Ein Ergebnis dieser Bemühungen ist die nationale Gesundheitsdatenbank des Landes. Alle Krankenversicherten und damit die meisten der knapp 9,4 Millionen Bürgerinnen und Bürger Israels haben eine elektronische Patientenakte. Sie enthält Informationen etwa zu Arztbesuchen, Verordnungen von Medikamenten, Diagnosen und Aufenthalten im Krankenhaus. So können sich Ärztinnen und Ärzte am Computer jederzeit einen Überblick über die Krankengeschichten ihrer Patientinnen und Patienten verschaffen. Auch wissenschaftliche Einrichtungen und Unternehmen können Zugang zu den anonymisierten Daten bekommen, um sie für ihre Zwecke zu analysieren

Wichtige Erkenntnisse: Israel konnte als weltweit erstes Land seiner gesamten Bevölkerung einen Impfstoff gegen Corona anbieten. Der Hersteller lieferte dem Land ausreichende Mengen seines mRNA-Impfstoffs, der anfangs noch knapp war. Im Gegenzug stellte Israel der Firma anonymisierte Patientendaten für Impfstoffstudien zur Verfügung. „Mithilfe dieser umfangreichen Daten konnte man feststellen, wie wirksam die Impfstoffe im Alltag sind“, sagt dazu Professor Ferdinand Gerlach, Direktor des Instituts für Allgemeinmedizin der Goethe-Universität in Frankfurt am Main. Die Analysen der Daten aus Israel lieferten Ergebnisse, von denen Menschen weltweit profitierten, auch wir hier in Deutschland. Schnell stand damals fest: Zwei Impfungen schützen zu 95 Prozent vor Corona. Es folgten viele weitere Erkenntnisse: Etwa darüber, was weitere Impfungen bringen und wie gut sie vor den jeweils dominierenden Virus-Varianten schützen.

Und wie steht es aktuell um die elektronische Patientenakte in Deutschland? Nach dem Digitalisierungsgesetz soll es sie auch hierzulande bald für alle Bürgerinnen und Bürger geben. Geplant ist, für alle Versicherten automatisch eine elektronische Patientenakte anzulegen, es sei denn, man widerspricht. „Die Daten sollen unter anderem auch für die dem Gemeinwohl dienende Forschung genutzt werden“, sagt Allgemeinmediziner Ferdinand Gerlach. Doch die Regeln dafür stehen noch nicht fest. „Ich vermute, dass man in Deutschland den Zugang zu den Daten für Forschungszwecke stärker einschränkt als in Israel.“