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Ich hoffe, ich begebe mich mit der Frage nicht auf ein heißes Pflaster. Aber als meine kleine Nichte hörte, dass ich mit einem Wundpflaster sprechen werde, wollte sie eines unbedingt wissen: Sind Sie mit den Pflastersteinen verwandt?

(lacht) Ihre Nichte denkt wohl, dass wir unter einer Decke stecken. Schließlich braucht man nach dem Kontakt mit einem Pflasterstein oft ein Wundpflaster. Was den Namen angeht, sind wir aber wirklich verwandt. Jetzt kommt etwas Sprachgeschichte: Pflaster kommt von dem griechischen Wort „emplastron“, was so viel heißt wie „das Aufgetragene“. Man nannte so Salben und andere klebrige Arzneien, die man auf Wunden auftrug. Weil der Straßenbelag ebenfalls auf den Boden aufgetragen wird, nennt man auch ihn „Pflaster“.

Ich werde meiner Nichte davon erzählen, wenn ihr Knie mal wieder schmerzhaften Pflasterkontakt hatte. Doch ist da ein Pflaster
nötig? Meine Mutter sagte immer, Wunden heilen an der Luft besser.

Pah. Alles nur heiße Luft! Von Ihnen als Medizinexpertin hätte ich mehr erwartet. Luft ist vielleicht bei kleinen Kratzern ein gutes Rezept. Größere Wunden heilen aber schlechter, wenn sie austrocknen. Das wussten schon die Ärzte in der Antike und versorgten ihre Patientinnen und Patienten mit feuchten Wundverbänden. Bis neumodische Luftikusse dachten, es besser zu wissen. Doch zum Glück gibt es die moderne Wissenschaft: Bereits in den 1960er-Jahren zeigten Unter­suchungen, dass Wunden unter feuchten Verbänden viel besser heilen als an der Luft.

Wozu raten Sie als Wundexperte?

Wenn Schmutz in der Wunde ist, erst mal auswaschen. Dann desinfizieren – und natürlich ein Pflaster drauf. Nicht immer ist ein klassisches Pflaster, wie ich eines bin, das Beste. Ich bestehe aus gewebtem Stoff, etwas Mull und natürlich hautfreundlichem Klebstoff. Doch ich habe viele hilfreiche Kollegen. Für das Knie Ihrer Nichte wäre wohl ein elastisches Pflaster gut, vielleicht auch eines, das wasserdicht ist. Sie können sich in der Apotheke dazu beraten lassen. Schließlich war unser Vater ebenfalls Apotheker.

Interessant. Darf ich fragen, wer Ihr Vater war?

Unsere Wiege steht in Hamburg, wo der Firmengründer Paul Beiersdorf vor 140 Jahren eine Apotheke leitete. Ein befreundeter Hautarzt suchte nach einer Wundauflage, die nicht so schnell verrutschte wie die gängigen. Unser findiger Vater bestrich eine Mullbinde mit einer klebrigen, aber hautverträglichen Masse – und mein Urahne, das Guttapercha-Pflaster, war geboren.

Guttapercha? Das habe ich noch nie auf einer Packung gelesen.

Es wird auch heute nicht mehr verwendet. Guttapercha heißt der Kleber, der uns damals erst zum selbsthaftenden Wundpflaster machte. Man nennt so den pappigen Saft eines Baumes, eine Art Gummi. Die Nachfolger unseres Vaters haben dann die Rezeptur verbessert, sodass wir wirklich zuverlässig auf der Haut kleben.

Oft sogar ein wenig zu gut. Haben Sie einen Tipp? Langsam abziehen oder besser Augen zu und durch?

Gut geklebt ist eben halb geheilt! Zur Hauruckmethode würde ich aber nur raten, wenn die Wunde klein ist und sicher kein Schorf am Pflaster klebt. Sonst reißen Sie die Verletzung nur wieder auf. Besser: Die Klebestellen mit Öl bestreichen. Kurz einwirken lassen – dann lösen wir uns fast von selbst ab. Und wenn Ihre Nichte noch immer Angst hat, setzen Sie sie einfach in eine Badewanne mit lauwarmem Wasser. Das hilft immer.

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Quellen:

  • Gorge D. Winter: Effect of Air Exposure and Occlusion on Experimental Human Skin Wounds. nature: https://www.nature.com/... (Abgerufen am 16.05.2022)