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Wenn Ulla Rose einen Letzte-Hilfe-Kurs gibt, hat sie Kugeltupfer, Feuchttücher und Patientenverfügungen dabei. Aber auch Eierlikör. Und Brausepulver. Denn die letzte Etappe bis zum Tod will nicht nur wohlorganisiert und gut gepflegt sein. Sie darf auch schmecken. Und ein klein wenig anregend sein.

„Letzte Hilfe ist das Pendant zur Ersten Hilfe“, erklärt Rose. Während die Erste Hilfe das Überleben sichern soll, ist das Ziel der letzten Hilfe, die Zeit, die einem sterbenden Menschen noch bleibt, so angenehm wie möglich zu gestalten. „Es geht nicht darum, dem Leben mehr Tage zu geben, sondern den Tagen mehr Leben“, zitiert Rose ihr Vorbild, die britische Krankenschwester und Hospizbegründerin Cicely Saunders. Es geht also um Lebensqualität bis zum Schluss. Man könnte auch sagen: eine Art Sterbequalität am Ende des Lebens.

Ulla Rose ist ebenfalls Krankenschwester, außerdem Lehrerin für Pflegeberufe und seit 40 Jahren im Beruf. Sie hat schon viele Menschen in der letzten Lebensphase begleitet. Auch ihre Mutter, ihren Mann und ihren viel zu jungen Neffen. Seit 2021 ist sie Geschäftsführerin des Vereins Home Care Berlin, der sich dafür einsetzt, dass Menschen die letzte Lebenszeit in ihrem gewohnten Umfeld verbringen können. Mindestens einmal im Monat bietet Ulla Rose Letzte-Hilfe-Kurse an.

Unterstützung für Menschen, die gerne zuhause sterben wollen

Über vier Millionen Menschen in Deutschland sind laut Statistischem Bundesamt pflegebedürftig. Rund vier von fünf werden zuhause versorgt. Wie eine Umfrage des Deutschen Palliativ- und HospizVerbands e.V. von 2017 ergab, wollten 58 Prozent der Befragten auch zuhause sterben. Faktisch taten das aber nur 23 Prozent.

Ulla Rose ist Krankenschwester, Pflege-Lehrerin und seit 2021 Geschäftsführerin des Vereins Home Care Berlin. Er setzt sich dafür ein, dass Menschen die letzte Lebenszeit in ihrem gewohnten Umfeld verbringen können.

Ulla Rose ist Krankenschwester, Pflege-Lehrerin und seit 2021 Geschäftsführerin des Vereins Home Care Berlin. Er setzt sich dafür ein, dass Menschen die letzte Lebenszeit in ihrem gewohnten Umfeld verbringen können.

In Letzte-Hilfe-Kurse lernen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer, wie sie hochbetagte oder schwerkranke Angehörige zuhause begleiten können. Das Konzept hat die gemeinnützige GmbH Letzte Hilfe Deutschland entwickelt, die schon mehr als 2500 Kursleiterinnen und Kursleiter wie Ulla Rose ausgebildet hat. Seit 2015 werden die Kurse in Deutschland angeboten.

Modul 1: Sterben ist Teil des Lebens, der gestaltet werden kann

Jens Adam hat einen von Ulla Roses Kursen besucht. Sein Vater ist bereits gestorben, seine Mutter kommt nun in ein „gewisses Alter“. Viele, die sich zu einem Letzte-Hilfe-Kurs anmelden, haben wie Adam schon einmal miterlebt, wie eine geliebte Person verstirbt. Sie möchten für die Zukunft besser vorbereitet sein.

„Sterben und alles, was mit Leiden zu tun hat, ist ja eher etwas, das wir abkoppeln aus unserem Bewusstsein“, sagt Rose. Im ersten Modul ihres vierteiligen Kurses geht es deshalb darum, sich bewusst zu machen, dass Sterben ein Prozess ist, der zum Leben gehört. Und damit ein Teil, der gestaltet werden kann.

Modul 2: Gründliche Vorsorge

Im zweiten Kursmodul lernen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer von Ulla Rose, wie man Kranken oder Sterbenden bei der Vorsorge hilft, damit sie ihre letzten Tage selbstbestimmt erleben können. Dazu gehört, eine Patientenverfügung zu verfassen und im Rahmen einer Vorsorgevollmacht jemanden zu bestimmen, der Entscheidungen trifft, wenn man es selbst nicht mehr kann.

Denn: Nichts sei schlimmer, als wenn Angehörige sich am Sterbebett streiteten: „Künstlich ernährt werden wollte Mama nie.“ – „Aber du willst Mama doch nicht sterben lassen!“ Dialoge wie diesen würde Ulla Rose am liebsten nie wieder hören. Sie rät deshalb, sich einen Ordner anzulegen, in dem alles Wichtige zusammengetragen ist. Dazu gehören neben Patientenverfügung und Vorsorgevollmacht die Vorlieben beim Essen oder Trinken, ob man zum Beispiel von einem Mann oder einer Frau gepflegt werden möchte. Und auch, wie die Bestattung aussehen soll.

Modul 3: Praktische Hilfe

Neben solch grundsätzlichen Festlegungen gibt es viele praktische Tipps, mit denen auch Laien das Wohlbefinden von Sterbenden steigern können, erläutert Ulla Rose im dritten Kursmodul.

Oft seien es Kleinigkeiten, die Linderung verschaffen. Wer zum Beispiel unter einem trockenen Mund leide, dem dürfe man ruhig Getränke anbieten, die ihr oder ihm gut schmecken. Wein, Bier, Prosecco oder eben Eierlikör seien da genauso okay wie Apfelsaft, sagt Rose. „Denn wenn wir mal ehrlich sind: Wer trinkt denn aus Leidenschaft gerne Wasser?“ Auch zwei, drei Krümel Brausepulver können die Schleimhäute anfeuchten, weil sie den Speichelfluss anregen. Von Kamillentee hingegen rät die Expertin ab. „Viele denken, dass sie dem Sterbenden damit etwas Gutes tun.“ Dabei trockne er die Schleimhaut aus.

Bei Jens Adam ist vor allem Roses Tipp mit der leeren Toffifee-Packung hängengeblieben: Die kleinen, runden Vertiefungen in der Plastikschale seien ideal, um Getränke auch einzufrieren. Sie können dann wie Pastillen gelutscht werden und machen die Mundpflege angenehmer.

Die Teilnehmenden lernen aber auch Grundsätzlicheres: dass nicht nur Medikamente gegen Schmerzen helfen, sondern auch Wickel, Ablenkung und behutsames Umlagern. Dass es völlig normal ist, wenn sterbende Menschen nicht mehr essen und trinken möchten und man es ihnen nicht aufnötigen sollte. Dass der Magen-Darm-Trakt und das urinbildende System sich schon verabschiedet haben und Essen und Trinken deshalb beschwerlich ist. Dass es das über Stunden bleiben kann, weil ein bisschen Joghurt dann wie ein Stein im Magen liegt und Flüssigkeit sich in den Beinen ablagert – und dort Schmerzen verursacht.

Modul 4: Abschied nehmen

„Mein Kopf sagt mir vielleicht, dass es richtig und sinnvoll war, dass ein geliebter Mensch von seinen Leiden erlöst ist. Aber ich bin ja trotzdem seine Frau, seine Tochter oder seine beste Freundin“, sagt Ulla Rose. Diejenige, die nach dem Tod des Angehörigen alleine zurück bleibt.

Doch wenn man etwas tue, was dem anderen hilft, seien Abschied und Trauerbewältigung anders, als wenn man hilflos am Weg stehe und das Leid von außen betrachte, sagt Ulla Rose. Im vierten und letzten Modul erklärt sie deshalb, wie Abschied nehmen besser funktioniert – auch dank des Letzte-Hilfe-Kurses.

Jens Adam hat aus dem Kurs viel mitgenommen. Natürlich sei das Thema Sterben nach wie vor keines, das Glücksmomente verursache. „Aber die vielen kleinen Tipps helfen mir, daran zu glauben: Ich kriege das hin.“

Letzte-Hilfe-Kurse dauern mindestens vier Stunden und sind für Teilnehmer kostenfrei, nur für Getränke wird um eine Spende gebeten. Kurse und weitere Informationen unter www.letztehilfe.info.