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Wir pflegen...

unsere zwei Pflegekinder. Wir können keine leiblichen Kinder bekommen, deshalb haben wir über Alternativen nachgedacht. So sind wir auf Jessy aufmerksam geworden. Sie hat bei der Geburt einen Sauerstoffmangel erlitten und ist deshalb pflegebedürftig. Beim ersten Kennenlernen war sie ein Jahr alt und schlief gleich auf unserem Arm ein. Dazu strahlte sie, ein Engelslächeln! Jeder im Raum wusste sofort, wir gehören zusammen. Das war ein Ja wie in der Ehe. Inzwischen ist sie 18. Wir haben noch einen zweijährigen Jungen aufgenommen, der wegen eines Schütteltraumas schwere Einschränkungen hat. Bei beiden wäre also vermeidbar gewesen, dass sie jetzt pflegebedürftig sind. Aber darüber denken wir nicht so viel nach. Wir können die Kinder so annehmen, wie sie sind, und versuchen, ihnen das Leben so schön wie möglich zu machen.

Die Bürokratie für Pflegekinder mit einer Behinderung ist eine Menge Aufwand. Man hat es ja nicht nur mit Pflege- und Krankenkasse zu tun, sondern auch mit meist mehreren Ämtern. Viele Stellen können einen nicht ausreichend beraten, weil sie selbst nicht genug Bescheid wissen. Um Familien zu helfen, engagieren wir uns im Bundesverband behinderter Pflegekinder.

Das strengt uns an:

Eine Zeit lang ging es Jessy sehr schlecht. Weil sie auf dem Entwicklungsstand eines Säuglings ist, kann sie nicht verständlich machen, wo etwas weh tut. Dann weint sie stundenlang oder beißt sich in die Hand, und man muss herausfinden, wo das Problem liegt. Für uns war die Hilflosigkeit schlimm.

Was uns auch Sorge macht: Was, wenn wir uns irgendwann nicht mehr um Jessy kümmern können? Sie ist jetzt 18 geworden. Es ist legitim, irgendwann den Schritt ins Heim zu machen. Aber uns würde er sehr schwer fallen. Wir wissen von vielen Einrichtungen, in denen die Betreuungsschlüssel unserem Kind in keinster Weise gerecht werden könnten . Das ist eine Frage, die uns schon beschäftigt. Wir schieben sie aber auch gerne wieder weg, weil wir keine Lösung dafür haben.

Das gibt uns Kraft:

Die Kinder sind sehr liebenswert und freundlich. Beide sind sich in Vielem ähnlich: Sie werden sich nie fortbewegen, selbstständig sitzen oder sprechen. Aber wir können sie so annehmen, wie sie sind. Und sie bereiten uns als Pflegeeltern viel Freude!

Unser Tipp für andere:

Wenn man etwas beantragt, ist es sinnvoll, gleich eine ausführliche Begründung mitzuliefern. Dann überzeugt man sofort und spart sich die Arbeit, später in Widerspruch zu gehen. Wir haben das Meiste im Erstantrag durchbekommen. In der Begründung erkläre ich, warum ich etwas brauche: Was bedeutet es für meinen Alltag, dieses Hilfsmittel zu haben? Oft helfen auch Fotos als Dokumentation. Einmal waren wir mit meiner Pflegetochter einen Rollstuhl Probe sitzen – wegen ihrer Skoliose konnte sie darin aber nicht gut sitzen. Das habe ich fotografiert und so begründet, warum sie eine individuell angepasste Sitzschale braucht.

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