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Viele wollen den Bürgern der Ukraine jetzt vor allem helfen. Wie Sie Hilfsorganisationen unterstützen können und welche Anlaufstellen es gibt, erfahren Sie zum Beispiel hier. Gleichzeitig fragen sich wohl erste Menschen in Deutschland, ob sie sich vorsorglich Jodtabletten kaufen oder sie gar einnehmen sollten – weil sie fürchten, dass der Krieg Auswirkungen auf Atomkraftwerke haben könnte und sich radioaktive Strahlung verbreitet. Angeblich steigt die Nachfrage nach Jodtabletten an.

Dr. Matthias Zähringer, Leiter der Abteilung Radiologischer Notfallschutz am Bundesamt für Strahlenschutz (BfS), ordnet die Fakten:

Derzeit gibt es hierzulande keinen Hinweis auf erhöhte Strahlungswerte. Die Europäische Union, zu der auch Polen gehört, das zwischen der Ukraine und Deutschland liegt, hat ein feines Netz an Messstationen. „Wir würden frühzeitig Bescheid wissen, wenn irgendwelche Gefahr besteht“, sagt Zähringer.

Ganz allgemein empfiehlt es sich, die App „Katwarn“ auf dem Smartphone zu installieren: Hier wird man über akute Zwischenfälle in der Umgebung wie Wirbelstürme, Sturmfluten, aber auch über nukleare Zwischenfälle zeitnah benachrichtigt und erhält im Ernstfall Handlungsempfehlungen. Bei nuklearen Zwischenfällen wäre der Katastrophenschutz zuständig. Zähringer empfiehlt, grundsätzlich auf die Anweisungen des Katastrophenschutzes zu achten. In der Nähe von Kernkraftwerken erfolgen sie häufig über Lautsprecher, sonst werden sie auch im Internet, im Radio und Fernsehen und im Videotext verbreitet.

Warum sollte Jod überhaupt gegen Strahlung helfen?

Radioaktives Jod, das bei einem nuklearen Zwischenfall freigesetzt wird, kann vom Körper aufgenommen werden und sich in der Schilddrüse anreichern, was das Risiko für Schilddrüsenkrebs erhöht. Indem man hochdosiertes Jod zu sich nimmt, gerät der Körper in einen Zustand der Sättigung, er braucht kein Jod mehr aus der Umgebung aufzunehmen, man spricht auch von einer „Schilddrüsenblockade“. Damit reichert sich kaum radioaktives Jod in der Schilddrüse an.

Aber: Zeitpunkt, Abstand und Lebensalter sind wichtig

Auf Verdacht Jod zu nehmen ist trotzdem nicht empfehlenswert. „Man sollte keinesfalls einfach so Jod einnehmen, sondern auf die entsprechende Empfehlung der Katastrophenschutzbehörden warten“, sagt Zähringer. Denn: Sollte der rein hypothetische Fall tatsächlich eintreten, wäre unter anderem der richtige Zeitpunkt der Einnahme entscheidend. Würden Jodtabletten zu früh ohne Anlass eingenommen, kann das nicht-radioaktive Jod schon wieder abgebaut sein, bis tatsächlich irgendwann radioaktives Jod aufgenommen wird. Eine eigenmächtige, unkritische Einnahme macht also wenig Sinn.

Auch der Abstand zum Ort eines potenziellen nuklearen Zwischenfalls sei wichtig, sagt Zähringer. Jodtabletten seien nur in einem bestimmten Umkreis zu empfehlen. Grundsätzlich seien Jodtabletten bei akuten Unfällen wirksam, nicht aber in Situationen, wo der Unfall schon lange zurückliege, wie etwa die Nuklearkatastrophe im Kernkraftwerk Tschernobyl im Jahr 1986. Jod schützt außerdem nicht vor der Wirkung weiterer radioaktiver Stoffe. Es handelt sich also um eine Notfallmaßnahme, die nur in einem Ernstfall gezielt nach Aufforderung angewendet werden sollte.

Da die Schilddrüse von Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen und von Schwangeren besonders empfindlich ist, hätte die Jodaufnahme hier im Ernstfall größere Bedeutung. Menschen über 45 hingegen rät das Bundesamt für Strahlenschutz in so einem hypothetischen Fall von einer Einnahme von Jodtabletten ab, denn die Risiken überwiegten hier.

Jodeinnahme birgt auch Risiken

Viele Menschen nehmen aus medizinischen Gründen Jodtabletten. Das passiert dann aber wegen bestimmter Krankheiten und unter ärztlicher Kontrolle. Die Einnahme von Jodtabletten ohne medizinischen Anlass und ohne ärztliche Kontrolle kann problematisch werden. Sie bringt manchmal auch unerwünschte Wirkungen mit sich. So kann etwa eine bislang unbemerkte, unterschwellige Überfunktion der Schilddrüse, Hyperthyreose genannt, durch eine hohe Jodzufuhr weiter aktiviert werden. Das kann so weit gehen, dass es zu einem akuten Herz-Kreislauf-Versagen kommt.

Zähringer hält es für unnötig, hierzulande eigenmächtig – sozusagen vorsorglich für theoretische Ernstfälle - Jodtabletten in Apotheken zu kaufen. So seien in Deutschland sowieso mehr als 180 Millionen Jodtabletten an verschiedenen Standorten gelagert, sie könnten – falls es wirklich zu einem nuklearen Zwischenfall käme – an die Bevölkerung zeitnah verteilt werden.

Wichtig zu wissen: Es handelt sich dabei um spezielle Präparate. Sie sind wesentlich höher dosiert als die „normalen“ Jodtabletten, die der Arzt vielleicht bei manchen Schilddrüsenerkrankungen verschreibt.