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Es ist ein schleichender Prozess und verläuft oft unbemerkt. Denn Muskelschwund – medizinisch: Sarkopenie – bereitet keinerlei Schmerzen. Aber die Körperkraft lässt nach. 

Das Treppensteigen fällt schwer, das Tragen der Einkaufstaschen ebenfalls und überhaupt: Zig Dinge im Alltag klappen nicht mehr so mühelos wie einst. Viele glauben, dass das altersbedingte Effekte sind – und verordnen sich Ruhe. 

Doch das ist falsch. Weil es weiteren Muskelschwund begünstigt. Das kann einen Teufelskreis auslösen. Ohne ausreichende Muskelkraft geht Mobilität verloren. In der Folge steigt das Risiko von Stürzen, Betroffene können zum Pflegefall werden. Soweit muss es nicht kommen. Jeder kann gegensteuern und etwas für eine gut funktionierende Muskulatur tun.

Die Muskelmasse schwindet mit den Jahren

Wichtig zu wissen: „Die Muskelmasse nimmt bei jedem etwa ab dem 30. Lebensjahr ab“, sagt Sportwissenschaftler Prof. Jürgen Gießing von der Universität Koblenz-Landau. Pro Jahr sind es bis zu zwei Prozent. Wer älter als 70 ist, verliert rund drei Prozent an Muskelkraft im Jahr.

Aber auch durch lange Bettruhe, etwa im Zuge eines Krankenhausaufenthalts, besteht das Risiko, zusätzlich Muskelmasse und -kraft zu verlieren. Patienten sind in solchen Fällen oft zu schwach, um wieder auf die Beine zu kommen.

Erkrankungen wie Krebs, COPD sowie chronische Herz- und Nierenerkrankungen können ebenfalls dazu beitragen, dass Muskelmasse und -kraft schwinden. „Das kann jüngere wie ältere Patienten gleichermaßen treffen“, erklärt Sportwissenschaftler Prof. Sebastian Gehlert von der Universität Hildesheim.

Der größte Risikofaktor für die Entwicklung einer Sarkopenie ist allerdings hohes Alter. Wobei die Problemlage mehrschichtig ist. Zum altersbedingten Abbaumechanismus in der Muskulatur kommt oft Inaktivität – also eine Mentalität nach dem Motto „ich schone mich, weil ich alt bin“ und eine mangelnde Aufnahme von Eiweißen (Proteinen) über die Nahrung.

Wichtig ist es, der körperlichen Inaktivität etwas zugunsten der Muskulatur entgegenzusetzen: „Idealerweise geht das mit gezieltem Krafttraining“, sagt Sebastian Gehlert. Mit Ausdauertraining ist das nicht zu erreichen.

Kraftsport hilft mehr als Ausdauersport

„Mit Sport wie Schwimmen oder Radfahren bekommt man keine große Kraftsteigerung“, stellt Sebastian Gehlert klar. So sieht es auch Jürgen Gießing. „Ein Krafttraining erfordert gar nicht mal so viel Aufwand“, sagt er. Und es gehe dabei auch nicht unbedingt darum, schwere Langhanteln zu heben. Auch Übungen wie Kniebeugen, Schulterdrücken oder Klimmzüge an geführten Maschinen stärkten effektiv den Muskelaufbau.

Drei Trainingseinheiten à einer Stunde pro Woche hält Jürgen Gießing für ideal. Aber auch eine Trainingsstunde in der Woche kann wirkungsvoll sein. Wichtig ist, die Übungen langsam, aber korrekt auszuführen. Im besten Fall erfolgen sie unter professioneller Anleitung und Aufsicht. Dann können bei Bedarf auch Fehlhaltungen korrigiert werden. 

Entscheidend ist laut Gießing auch die Regelmäßigkeit des Krafttrainings, um auch wirklich effektiv etwas für die Muskulatur zu tun. „Es geht zum Beispiel gar nicht, dass man im Sommer zum Training geht und es im Winter witterungsbedingt bleiben lässt.“

Nicht nur Training, auch gute Ernährung hilft

Neben einem Krafttraining kommt es aber auch auf eine proteinreiche Ernährung an. Proteine sind für den Aufbau, Erhalt und Reparatur der Muskulatur zwingend nötig. „Ein häufiges Problem bei älteren Menschen ist jedoch, dass bei ihnen das Hungergefühl nachlässt und sie somit vergleichsweise wenig Kalorien zu sich nehmen“, sagt Sebastian Gehlert. Das könne schnell zu einer Mangelernährung führen - nicht zuletzt auch mit Blick auf Proteine.

Eiweißreiche Nahrung ist für ältere Menschen aber nicht nur im Alltag, sondern auch gerade nach einem Krafttraining essenziell. „Daher sollte unmittelbar nach dem Training entweder ein Glas Milch oder ein Proteinshake getrunken werden“, sagt Sebastian Gehlert. Generell sollten ältere Menschen, die nierengesund sind, aber unter Muskelschwund leiden, nach aktuellen Empfehlungen 20 bis 40 Gramm Protein pro Hauptmahlzeit zu sich nehmen. 

Sebastian Gehlert nennt Beispiele: Ein 200 Gramm schweres Lachsfilet hat 40 Gramm Proteine, eine Portion Hähnchenbrust (150 Gramm) 35 Gramm, eine Portion mageres Rindfleisch (150 Gramm) 30 Gramm. Auch Magerquark, Naturjoghurt, Linsen, Kartoffeln, Vollkornbrot, Eier, Nüsse, Hülsenfrüchte, Sojaprodukte oder beispielsweise Emmentaler-Käse enthalten auch Proteine.

„Zudem hat sich gezeigt, dass Omega-3-Fettsäuren einen positiven Einfluss auf einen Muskelerhalt hat“, sagt Jürgen Gießing. Gleiches gelte für die Aminosäure Kreatin, die sich fast ausschließlich in tierischen Nahrungsmitteln findet. Omega-3-Fettsäuren sind etwa in einem guten Leinöl enthalten und fettem Fisch wie etwa Wildlachs.