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Einmal jährlich die Zähne beim Zahnarzt kon­trollieren lassen: völlig normal. Für den Ge­samt-­Check-­up geht es zur Hausärztin oder zum Hausarzt. Und für die Medikamente, die man jeden Tag einnimmt? Denn bei einer Therapie mit Arzneimitteln können Probleme auftreten, oft sind diese schwierig zu erkennen. Das kurze Gespräch in der Arztpraxis oder der Apotheke reicht nicht aus, um die Ursache zu finden. Die Lösung: verschiedene pharmazeutische Dienstleistungen. Sie werden jetzt in Apotheken angeboten – darunter die erweiterte Medikationsberatung bei Polymedikation.

Bei Polymedikation werden täglich fünf oder mehr ärztlich verordnete Medikamente eingenommen. Der Mix aus vielen verschiedenen Tabletten kann das Risiko für unerwünschte Arzneimittelwirkungen erhöhen. Die Analyse­-Kosten von 90 Euro über­ nimmt seit Juni einmal pro Jahr die Krankenkasse.

Vermeidbare Krankenhaus­einweisungen

Der Apotheker Dr. Barsom Aktas bietet die Bera­tung bei Polymedikation schon länger an. Er weiß, dass viele Kundinnen und Kunden eine bessere Betreuung mit ihren Arzneimitteln brauchen. Etwa 42 Prozent der Über­-65­-Jährigen in Deutsch­land nehmen täglich mehr als fünf verschiedene Medikamente ein. Aktas sagt: „Im Gespräch mit dem Kunden fahnde ich strukturiert nach arznei­mittelbezogenen Problemen, wie beispielsweise Nebenwirkungen, Wechselwirkungen, Fehlern in der Anwendung oder Kontraindikationen.“

Wie wichtig es ist, die Medikamententherapie für Patientinnen und Patienten sicherer zu machen, wird auch an Zahlen aus dem Jahr 2020 deutlich: Zwischen zehn und 30 Prozent der Krankenhaus­einweisungen bei älteren Menschen werden auf Nebenwirkungen von Medikamenten zurückge­führt. Zwei Drittel davon gelten als vermeidbar.

Viele der Einweisungen gehen auf das Konto von Medikamenten, die die Magenschleimhaut angrei­fen und zu Bauchschmerzen oder sogar Magen­blutungen führen; sowie auf zu hoch dosierte Blutdruckmittel, die Kreislaufprobleme auslösen. Aktas meint, dass die tatsächliche Zahl vermut­lich noch höher liegt: „Viele Arzneimittelneben­wirkungen werden nicht als solche erkannt oder der Aufwand, um sie zu melden, wird gemieden.“

Auch rezeptfreie Mittel checken

Für die ausführliche Medikationsberatung verein­bart Aktas einen Termin, zu dem die Kundin oder der Kunde alle Medikamente mitbringt. Nicht nur die ärztlich verordneten, auch rezeptfreie Produk­te und Nahrungsergänzungsmittel. Für Aktas ist das besonders wichtig: „Alles, was in der Drogerie gekauft wird, im Internet oder was die Verwandt­schaft, Freunde, Nachbarn empfohlen haben, soll der Kunde mitbringen.“ Arzneimittelbezogene Probleme können nämlich auch in Kombination mit solchen Produkten oder Lebensmitteln entste­hen. „Es ist gar nicht so selten, dass die Verwandt­schaft meint: ,Ah, das hab ich mal genommen und es war super.‘ Aber das passt dann gar nicht zu den Medikamenten des Kunden.“ Beispielsweise ist Grapefruitsaft für Menschen ohne Medikamen­te unbedenklich, kann aber bei Personen mit bestimmten Cholesterinsenkern das Risiko für Mus­kelbeschwerden erhöhen.

Im fast einstündigen Gespräch erfragt Aktas auch, zu welcher Uhrzeit die Medikamente eingenom­men werden. Er überprüft, ob Wirkstoffe verse­hentlich doppelt auftauchen und lässt sich erzäh­len, wo die Medikamente zu Hause lagern. „Oft ist es so, dass die wirklich interessanten Informatio­nen erst ganz zum Schluss kommen.“ So meinte eine Kundin einmal am Ende des Gesprächs: „Ach, da war ja noch was: Ich habe seit Längerem Juck­reiz. Da rede ich ja schon gar nicht mehr drüber.“ Aktas stellte fest, dass der Juckreiz erst seit der Neueinnahme eines Medikaments auftrat. Mit dem Einverständnis der Kundin informierte er den behandelnden Arzt. Dieser verordnete ein neues Präparat und setzte das alte ab. Doch manchmal ist die Ursache nicht so leicht zu ermit­teln. Mit Hilfsmitteln wie Büchern und Online­datenbanken überprüft Aktas nach dem Gespräch akribisch die gesamte Medikation. Er erstellt ei­nen neuen Medikationsplan für zu Hause. Ist die Patientin oder der Patient einverstanden, schickt er die Ergebnisse in die hausärztliche Praxis. Dort werden dann bei Bedarf Arzneimittel angepasst.

Wer mehr als fünf Medikamente täglich einnimmt, kann in der Stammapotheke nachfragen, ob sie die erweiterte Medikationsbera­tung anbietet.


Quellen: