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Bei ADHS denken die meisten an Kinder und Jugendliche. Doch auch etwa zwei bis drei Prozent der Erwachsenen leiden daran. Denn bei etwa der Hälfte der Betroffenen verschwinden die Symptome nach der Kindheit nicht komplett, sondern führen weiter zu deutlichen Einschränkungen. Oft wird ADHS sogar erst im Erwachsenenalter festgestellt.

Symptome - wie äußert sich ADHS bei Erwachsenen?

Hyperaktivität, Impulsivität und Unaufmerksamkeit bleiben die entscheidenden Symptome der ADHS auch jenseits des Kindesalters. Meist ist nur wenig Hyperaktivität äußerlich sichtbar, wenngleich viele Erwachsene mit ADHS unter einer ständigen inneren Unruhe leiden. Erwachsene mit ADHS haben häufig Probleme, ihren Alltag zu strukturieren und Aufgaben organisiert anzugehen. Oft wirken sie vergesslich oder schusselig, wissen zum Beispiel nicht mehr, wo sie ihren Schlüssel hingelegt haben und kommen ständig zu spät zu Terminen. Sie reden teilweise viel und sind sehr sprunghaft. Manchmal fallen sie dadurch auf, dass sie sehr impulsiv handeln, andere Leute oft unterbrechen und sehr ungeduldig sind. Bis zu eine Drittel der Betroffenen leidet auch unter Schwierigkeiten, ihre Gefühle zu kontrollieren (emotionale Dysregulation). Sie sind schnell wütend, frustriert oder gereizt. Das kann manchmal auch ähnlich wie die Symptome einer Borderline-Störung wirken.

Viele Erwachsene, die ADHS haben, leiden auch unter anderen Problemen. So neigen sie eher zu riskantem Verhalten, Depressionen, Angststörungen, Alkohol- oder Drogenabhängigkeit.

Wichtig: Die Störung tritt im Erwachsenenalter nicht neu auf. Auffälligkeiten, die für ADHS typisch sind, bestanden bei den Betroffenen bereits in der Kindheit. Möglicherweise wurden sie damals allerdings nicht als solche erkannt oder eingestuft.

Diagnose und Therapie: Wer hilft weiter?

Viele Erwachsene bringen die Diagnose ADHS schon aus der Kindheit mit. Manchmal wird die Diagnose aber tatsächlich erst im Erwachsenenalter gestellt. Es gibt Fachärztinnen und Fachärzte für Psychiatrie und Psychotherapie sowie psychologische oder ärztliche Psychotherapeuten, die ausreichend Erfahrung mit ADHS haben und dann der richtige Ansprechpartner sind. Viele Betroffene wenden sich auch an ADHS-Spezialambulanzen für Erwachsene, die es oft an Universitätskliniken gibt. Geeignet sind vor allem Psychotherapeuten, die Verhaltenstherapie anbieten. Der Experte wird sich genau nach der Kindheit und Jugend des Patienten erkundigen, um herauszufinden ob und welche Symptome, die für ADHS sprechen, bereits damals vorlagen. Er wird auch nach derzeit bestehenden ADHS-Symptomen fragen und sich erkundigen, in wiefern sich daraus im täglichen Leben Probleme und Einschränkungen ergeben. Insbesondere ist es bei Erwachsenen wichtig, ADHS von anderen psychischen Erkrankungen, wie zum Beispiel Depressionen, bipolaren Störungen, Abhängigkeitserkrankungen und Persönlichkeitsstörungen abzugrenzen. Gleichzeitig leiden Erwachsene mit ADHS fast immer an mindestens einer zusätzlichen psychischen Erkrankung.

Wie sieht die Behandlung aus?

In den meisten Fällen sollte eine Behandlung erfolgen. Wenn ADHS im Erwachsenenalter diagnostiziert wird, haben die meisten Betroffenen einen oft jahrelangen Leidensweg hinter sich. Dabei können schon einfache Maßnahmen helfen, um im Alltag besser klar zu kommen. So hilft es, jeden Tag genau zu strukturieren, die anstehenden Aufgaben zu planen und auf einer Liste zu notieren. Größere Aufgaben sollten möglichst in kleinere Einzelschritte unterteilt werden. Diese Listen lassen sich dann im Laufe des Tages abarbeiten und die Einzelschritte abhaken.

Erinnerungsfunktionen von Handy, der Wecker oder Notizzettel an Haustür, Kühlschrank oder im Auto erinnern an wichtige Termine. Diese sollten zudem in einem einzigen Kalender übersichtlich vermerkt sein.

Morgens der Blick in den Kalender, abends die Erstellung der Aufgabenliste für den nächsten Tag. Feste Plätze für Brille, Handy, Haus- und Autoschlüssel. Solche Routinen unterstützen ADHS-Patienten im Alltag. Familie und Verwandte können ebenfalls helfen und zum Beispiel an wichtige Termine und Aufgaben erinnern.

Vorsicht vor störenden Ablenkungen: Betroffene sollten sich einen möglichst ruhigen Arbeitsplatz schaffen, Radio oder Fernseher nicht im Hintergrund laufen lassen. Wenn sie auf eine neue Aufgabe stoßen, während sie noch dabei sind, etwas anderes abzuarbeiten, sollten sie ihre begonnene Tätigkeit möglichst nicht unterbrechen, sondern die Aufgabe für später notieren.

Oft fällt es Betroffenen schwer, diese eigentlich einfachen Maßnahmen konsequent umzusetzen. Die Aufgabe des Experten ist es dann, die Umsetzung zu begleiten, zu überprüfen und gegebenenfalls die Strategie gemeinsam mit dem Patienten zu verändern.

Darüberhinaus kommt auch eine Verhaltenstherapie oder die Behandlung mit Medikamenten infrage. Für Erwachsene zugelassen sind das Psychostimulans Methylphenidat und das Nicht-Stimulans Atomoxetin. Sowohl die Verhaltenstherapie als auch die Medikamente sind bezüglich ihrer Wirksamkeit bei Erwachsenen nicht ganz so gut untersucht wie bei Kindern. Medikamente haben hier aber dennoch einen hohen Stellenwert. Eine alleinige Verhaltenstherapie ist nur in sehr leichten Fällen oder wenn die Medikamente nicht vertragen werden, zu empfehlen. Beide Verfahren in Kombination ergänzen sich aber sehr gut.

Bei Erwachsenen mit Depressionen und gleichzeitig vorliegender ADHS kann auch das Antidepressivum Bupropion eingesetzt werden. Es lindert dabei Symptome der Depression und der ADHS. Zur Behandlung von ADHS ist es allerdings nicht zugelassen. Bei einer Depression zusätzlich zu ADHS wird oft auch Venlafaxin eingesetzt. Es wirkt jedoch nur in sehr geringem Maße auf ADHS-Symptome.

Unser Experte: Dr. Mathias Luderer

Unser Experte: Dr. Mathias Luderer

Beratender Experte

Dr. med. Mathias Luderer studierte Medizin an der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg mit Auslandsaufenthalten in Budapest (ERASMUS-Stipendium) und Dublin. Er promovierte zur ambulanten Behandlung der Alkoholabhängigkeit und absolvierte seine psychiatrisch-psychotherapeutische Facharztweiterbildung am Zentralinstitut für Seelische Gesundheit in Mannheim mit dem Schwerpunkt Suchtmedizin. Dr. Luderer ist Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie und ab dem 1. März 2018 als Oberarzt an der Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik der Goethe-Universität Frankfurt tätig. Bereits seit vielen Jahren beschäftigt sich Dr. Luderer klinisch und wissenschaftlich mit der Verbindung zwischen ADHS und Abhängigkeitserkrankungen.

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