Wie funktioniert die zielgerichtete Behandlung von Brustkrebs?

Mögliche Behandlunsoptionen von Buskrebs werden besprochen, nachdem die bilogischen Eigenschaften des jeweiligen Tumors abgeklärt sind.
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So große Fortschritte wie in der Krebstherapie gab es in den vergangenen Jahren in kaum einem anderen medizinischen Fachgebiet. Vor allem bei der Therapie gegen Brustkrebs hat sich viel getan. „Die Heilungschancen haben sich bei einer an Brustkrebs erkrankten Tochter im Vergleich zu ihrer Mutter verdoppelt“, sagt Professorin Nadia Harbeck, die das Brustzentrum an der Frauenklinik in München leitet. Früher war die Sache klar: Eine Kombination aus Operation, Strahlen- und Chemotherapie bekam fast jede Frau, die einen bösartigen Tumor in der Brust hatte. „Das war jedoch oft nicht auf die jeweilige Patientin abgestimmt und hat zur ‚Übertherapie‘ beigetragen“, erzählt Medizinerin Harbeck. Ein Zuviel an Therapie, das sowohl körperlich als auch psychisch mehr schaden als nutzen kann.
Durch viel Forschungsarbeit hat sich die Krebstherapie immer weiterentwickelt. „Wir können heute alle Patientinnen viel individueller behandeln“, sagt Harbeck. Wird der Krebs früh entdeckt und hat nicht gestreut, liegt die Chance auf Heilung bei fast 90 Prozent. Das belegen Zahlen des Krebsregisters des Robert Koch-Instituts aus dem Jahr 2018.
Seit einigen Jahren gibt es die zielgerichtete Therapie: Das sind Medikamente, die den Tumor gezielt angreifen. Diese können – teils in Verbindung mit weiteren Behandlungen – die Heilungschancen und die Überlebenszeit deutlich verbessern. „Dafür muss man aber die Schwachstellen jedes Tumors kennen. Und die sind je nach Art des Brustkrebses verschieden“, erläutert Harbeck. Sind die biologischen Eigenschaften des jeweiligen Tumors klar, erklärt die Ärztin oder der Arzt der Betroffenen alle Behandlungsoptionen und erstellt gemeinsam mit ihr einen Therapieplan. Dieser beruht auf neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen und orientiert sich an der Leitlinie zur Brustkrebstherapie.
Studien als gute Therapieoptionen
Zudem gibt es die Möglichkeit, an Studien teilzunehmen, die neue, noch nicht zugelassene Wirkstoffe testen. Interessierte wenden sich an ein zertifiziertes Brustzentrum. „Hierbei kann die Patientin eigentlich nur gewinnen. Sie ist nirgendwo so sicher betreut wie in einer Studie. Man bekommt immer ein wirksames Medikament. Ob dieses dann besser ist als der Standard, weiß man nicht“, sagt Harbeck. Wie unterschiedlich die Angriffspunkte bei der Krebstherapie heutzutage sind, zeigen die folgenden Therapieoptionen:
Der Wachstumsrezeptor HER2 ermöglicht es der Krebszelle zu wachsen. Wird dieser blockiert, fehlen die Wachstumssignale, die Zelle stirbt. Manche Krebszellen verstecken sich vor dem Immunsystem. Spezielle Medikamente lassen die Tarnung auffliegen . Diese wirken, in Kombination mit einer Chemotherapie, auch gegen den triple-negativen Brustkrebs. Die zielgerichtete Chemotherapie gegen den Trop2-Rezeptor wurde 2022 neu zugelassen. Sie ist vor allem für Patientinnen mit Metastasen eine Option.
Hier sind die beschriebenen Vorgänge noch einmal grafisch erklärt:
Beim hormonabhängigen Brustkrebs fördern weibliche Geschlechtshormone das Tumorwachstum. Die Anti-Hormon-Therapie hemmt entweder die Bildung von Östrogenen oder deren Wirkung an den Zellen. Obwohl sie schon seit Jahrzehnten zugelassen ist, ist sie heute noch aktuell: „Sie wirkt zielgerichtet bei allen Patientinnen mit hormonabhängigem Brustkrebs und macht wenig Nebenwirkungen“, sagt Professorin Pia Wülfing, die bis 2020 die Onkologie des Mammazentrums Hamburg leitete.
Angst vor Nebenwirkungen der Brustkrebstherapie
Auch wenn die Fortschritte in der Krebsbehandlung ermutigend sind und Nebenwirkungen seltener oder gut behandelbar werden: Sie beunruhigen viele Patientinnen. Das ist nachvollziehbar. Muss ich jetzt mit Durchfall leben? Sind die plötzlich auftretenden Knieschmerzen ein Zeichen für Metastasen? Sorgen wie diese hörte Wülfing in den Gesprächen mit ihren Patientinnen. Aber auch: Viele Frauen wünschten sich eine Internetseite, die alles rund um die Diagnose und die Therapien, aber auch Organisatorisches leicht verständlich erklärt. Zum Beispiel: Wie bekomme ich einen Schwerbehindertenausweis? Was ist mit einer Haushaltshilfe oder Kinderbetreuung? „Das sind Fragen, die die Frauen umtreiben und für die wir in der Sprechstunde oft keine Zeit haben“, sagt Wülfing.
So entstand 2020 die Idee zu „PINK! –Aktiv gegen Brustkrebs“ mit einer Website und einer App. Die App ist mittlerweile als Digitale Gesundheitsanwendung (DiGA) zugelassen, die Kosten übernimmt die Krankenkasse.
Die Frage, welche Therapie die richtige ist, kann die App nicht beantworten. Manchmal wirkt tatsächlich die altbewährte Chemotherapie am besten. Manchmal ist eine zielgerichtete, neue Behandlung die richtige Wahl. Eine Brust-OP erfolgt, wenn nötig, heute zu einem späteren Zeitpunkt und nicht am Anfang der Therapie. „Früher war die Devise: Wir entfernen erst einmal den Tumor und sehen dann weiter. Heute weiß man, dass das für die Heilungschancen der Patientin nachteilig sein kann“, so Harbeck.
Auch Patientinnen, bei denen der Brustkrebs bereits gestreut hat, profitieren von den rasanten Fortschritten in der Brustkrebstherapie. „Häufig können wir die metastasierte Form wie eine chronische Erkrankung behandeln, mit einer dauerhaften Therapie. Patientinnen sollten hier auf keinen Fall die Hoffnung verlieren“, betont Ärztin Harbeck. Und während noch vor wenigen Jahren ein „HER2-positiver Tumor“ ein schlechtes Zeichen war, ist dieser heute gut behandelbar. Nadia Harbeck ist überzeugt: „In zehn Jahren werden wir mehr Patientinnen heilen und sie dabei noch individueller behandeln können.“