Vorsorge: Die Brust selbst abtasten
Könnte das ein Knoten sein? Das Thema Brustkrebs ist angstbesetzt. Viele Frauen fürchten, dass in ihrem Körper etwas schlummert, von dem sie lieber nichts wissen wollen. Nur 10 bis 15 Prozent tasten regelmäßig ihre Brust ab, so Schätzungen der Deutschen Gesellschaft für Senologie und des Brustzentrums Tübingen. Dabei ist die Selbstuntersuchung eine wichtige Methode zur Früherkennung. "Jede Frau kennt ihre Brust am besten und kann so Veränderungen frühzeitig wahrnehmen", sagt Professor Wolfgang Janni, ärztlicher Direktor der Frauenklinik am Uniklinikum Ulm und stellvertretender Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Gynäkologische Onkologie in der Deutschen Krebsgesellschaft.
Aus diesen Gründen empfehlen die deutschen Fachgesellschaften nach wie vor, ab dem 25. Lebensjahr einmal im Monat die Brust im Spiegel bei guten Lichtverhältnissen anzuschauen und abzutasten. Durch den frühen Beginn und die Regelmäßigkeit sollen sich die Frauen an die Eigenschaften des Brustdrüsengewebes gewöhnen, sodass sie Veränderungen frühzeitig erkennen können.
Den richtigen Zeitpunkt wählen
Die Selbstuntersuchung sollte auf den Zyklus abgestimmt stets zum gleichen Zeitpunkt erfolgen. Der beste Zeitpunkt ist laut Experten eine Woche nach Beginn der Monatsblutung oder kurz nach dem Ende der Menstruation. "Dann sind die Hormonspiegel sehr niedrig, die im Lauf des Zyklus mehr Wassereinlagerungen und Regionen mit erhöhter Festigkeit in der Brust verursachen", sagt Albring.
Besonders ungünstig ist es kurz vor der Periode. Bei vielen Frauen spannen in dieser Zeit die Brüste und sind druckempfindlich. Nach den Wechseljahren ist der Zeitpunkt egal. Wenn eine Hormonersatztherapie zyklisch mit einer Woche Pause angewendet wird, sollte am letzten Tag dieser Pause abgetastet werden.
Das Drüsengewebe kann uneben und knubbelig sein
Auf Tuchfühlung mit der eigenen Brust zu gehen: "Viele Frauen scheuen sich davor", weiß Gynäkologin Dr. Kerstin Stahr-Preiß aus Oy-Mittelberg im Allgäu. Sie lehrt in Kursen, wie das Abtasten funktioniert. "Jede Frau muss erst mal ein Gefühl dafür bekommen, was bei ihr normal ist." Denn jede Brust ist anders.
"Viele denken, es muss sich ganz weich anfühlen und ohne Struktur, aber so ist es nicht", sagt die Expertin. Tatsächlich kann das Drüsengewebe uneben und knubbelig sein. "Bis man die Strukturen kennt, kann es ein halbes Jahr dauern." Stahr-Preiß empfiehlt – wie auch der Berufsverband der Frauenärzte –, einmal im Monat beide Brüste ab zutasten. "Am Anfang kann das eine halbe Stunde oder mehr in Anspruch nehmen."
Abtasten im Liegen:
Benutzen Sie die flach aufgelegten Kuppen der mittleren drei Finger, um die Brust möglichst flächendeckend abzutasten. Arbeiten Sie sich in engen senkrechten Bahnen vom Brustbein bis zur Achselhöhle vor. Arbeiten Sie zunächst nicht mit zu viel Druck. Kreisen Sie an jeder Stelle dreimal in der Größe einer Münze. Mit jedem Kreis drücken Sie etwas stärker und erfassen so möglichst alle Schichten der Brust.
Untersuchen Sie ebenso Ihre Achselhöhlen und die Schlüsselbeingegend. Bei der Untersuchung der Achselhöhle sollte der Arm der untersuchten Seite nicht gehoben werden, damit sich die Strukturen nicht anspannen und Sie besser Veränderungen ertasten können. Achten Sie auf tastbare Verhärtungen oder Verdickungen. Sie sind sich dabei unsicher? Bitten Sie Ihre Frauenärztin oder Ihren Frauenarzt um Hilfe.
Betrachtung vor dem Spiegel:
Beantworten Sie in jeder der sieben Positionen (siehe Bildergalerie) folgende Fragen:
- Feine Unterschiede zwischen beiden Brüsten sind normal. Haben sich diese in letzter Zeit verstärkt?
- Ist die Oberfläche von Brust, Achselhöhle oder Schlüsselbeingrube an einer Stelle eingezogen oder nach außen gewölbt? Ist ein Arm etwas angeschwollen?
- Zieht sich die Brustwarze neuerdings nach innen oder richtet sie sich anders aus? Sondert sie ein Sekret ab?
- Bemerken Sie einen Ausschlag? Ist die Haut gerötet? Bildet sie Schuppen oder Krusten?
Jährlich knapp 70.000 Brustkrebserkrankungen
Wie oft Tumore zu Hause beim Abtasten entdeckt werden, darüber gibt es keine Studien. "Wir wissen aber, dass von den knapp 70.000 Brustkrebserkrankungen, die in Deutschland jährlich auftreten, heute etwa 16.000 im Mammografie-Screening entdeckt werden", sagt Dr. Christian Albring, Präsident des Berufsverbandes der Frauenärzteund niedergelassener Gynäkologe in Hannover. Somit bleiben etwas mehr als 75 Prozent, die entweder von der Frauenärztin oder dem Frauenarzt bei der jährlichen Krebsfrüherkennung entdeckt werden oder von der Patientin selbst.
Manche Experten stehen der Selbstuntersuchung kritisch gegenüber. Weil sie sich nicht nachweisbar auf die Brustkrebssterblichkeit auswirke, sei die Selbstuntersuchung überholt. Durch das selbstständige Abtasten würden außerdem zu viele gutartige Knoten entdeckt. Das führe zu unnötiger Angst und überflüssigen Gewebeentnahmen. Tatsächlich sinkt die Sterblichkeitsrate durch das selbstständige Abtasten der Brüste nicht messbar. Das kann unter anderem daran liegen, dass tastbare Tumoren oft nicht mehr wirklich "klein" sind. Und weil außerdem die biologischen Eigenschaften eines Tumors entscheidender für den Krankheitsverlauf sein können als seine Größe.
Gespür entwickeln für Veränderungen der Brust
Dennoch kann die Selbstuntersuchung zu einem besseren Gespür für Veränderungen des eigenen Körpers führen. Und sie schafft ein größeres Bewusstsein für das Thema Vorsorge, wodurch Frauen unter Umständen auch das empfohlene gesetzliche Krebsfrüherkennungsprogramm öfter nutzen.
Mit anderen Untersuchungen kombinieren
Die Selbstuntersuchung sollte nicht andere Maßnahmen ersetzen – wie die Teilnahme am Mammografie-Screening – sondern ergänzend erfolgen. Gehen Sie – neben dem routinemäßigen Früherkennungscheck – beim kleinsten Verdacht auf Brustkrebs zur Ärztin oder zum Arzt.