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Mehr als zehn Millionen Menschen in Deutschland möchten fremden Patientinnen und Patienten mit einem Stück von sich selbst helfen – sie sind bereit, eigene Blutstammzellen zu spenden. Damit zählt Deutschland im weltweiten Vergleich die meisten registrierten Personen, wenn auch nicht pro Einwohnerzahl. Doch wie wird man Stammzellspenderin oder -spender?

Wem hilft eine Spende?

Vor allem Menschen mit Blut- und Lymphdrüsenkrebs bekommen Blutstammzellen transplantiert. Aber auch bei Störungen der Blutbildung kann eine Stammzelltransplantation nötig sein. Am häufigsten wird in Deutschland für Patientinnen und Patienten mit akuter myeloischer Leukämie, einer Form von Blutkrebs, eine fremde Spenderin oder Spender gesucht. Und nicht nur Ältere benötigen eine Spende auch Kinder sind unter den Empängerinnen und Empfängern.

Wie kann man sich für eine Stammzellspende melden?

Der Start als potentielle Spenderin oder potentieller Spender ist recht einfach: Man registriert sich bei einer Stammzellspenderdatei. Dafür ist die Abgabe einer Zellprobe notwendig – entweder als Abstrich der Wangenschleimhaut oder als Blutprobe. Ein Set für den Abstrich kann man bei der Spenderdatei bestellen, die Probe dann selbst entnehmen und zurückschicken.

„Gerade junge Menschen sollten sich damit beschäftigen und bewusst entscheiden, ob sie sich registrieren möchten“, empfiehlt Dr. Joannis Mytilineos, medizinischer Geschäftsführer des Zentralen Konchenmarkspender-Registers Deutschland (ZKRD). Denn sie werden seltener wegen gesundheitlicher Probleme ausgeschlossen.

Zudem können jüngere Spenderinnen und Spendern für einen vergleichsweise langen Zeitraum in der Datei gelistet bleiben, da sie erst mit dem 61. Geburtstag ausscheiden. Letzteres wird künftig noch wichtiger: Denn laut Mytilineos ist rund ein Drittel der Registrierten in Deutschland in den kommenden zehn Jahren zu alt, um zu spenden.

Was sind Blutstammzellen?

Blutstammzellen befinden sich beim Erwachsenen vor allem im Knochenmark. Hier bilden sie laufend neue Blutzellen nach. Blutstammzellen für eine Transplantation, also um sie einer kranken Person zu übertragen, kann man deshalb aus dem Knochenmark gewinnen. Es geht aber auch direkt aus der Blutbahn oder aus Nabelschnurblut. Letzteres ist in Deutschland aber eher selten.

Warum ist eine Typisierung möglicher Stammzellspender nötig?

Die Probe der oder des Spendebereiten wird im Labor analysiert. Dabei ist die sogenannte Typisierung nach HLA-Merkmalen besonders wichtig: Das sind Oberflächenmerkmale, die sich auf den weißen Blutkörperchen und vielen anderen Körperzellen finden. Mit ihrer Hilfe kann das Immunsystem eigenes von fremdem Gewebe unterscheiden. Wird Gewebe vom Immunsystem als fremd erkannt, stößt der Körper es ab. Deshalb ist es wichtig, dass gespendete Stammzellen dieselben Oberflächenmerkmale besitzen wie die Körperzellen der Empfängerin oder des Empfängers.

Das Ergebnis der Typisierung und weitere Informationen leiten die Stammzellspenderdateien pseudonymisiert, also als ein Datensatz, aber vorläufig ohne Verbindung zu einer konkreten Person, an das ZKRD.

Infografik: Stammzellenspende - wie geht das eigentlich?

Matching: So entsteht eine Liste möglicher Spender

Das ZKRD ist eine wichtige Schnittstelle: Es übernimmt die Daten nationaler und weltweiter gelisteter Spenderinnen und Spender und sortiert sie nach Eignung für den jeweiligen Patient oder die Patientin. „Das passiert automatisiert über einen Algorithmus. Er berücksichtigt neben den Gewebemerkmalen zum Beispiel auch Alter und Geschlecht“, erklärt Mytilineos vom ZKRD.

Am wichtigsten ist es, dass die wesentlichen HLA-Merkmale gleich sind – idealerweise alle zehn von zehn, deren Übereinstimmung entscheidend ist. „Stimmt ein Merkmal nicht überein, könnte ein Spender aber immer noch geeignet sein“, sagt Mytilineos.

Eine Liste mit den möglichen Spenderinnen und Spendern leitet das ZKRD weiter. Die behandelnden beziehungsweise suchenden Ärztinnen und Ärzte wählen dann geeignete Spenderinnen oder Spender aus. „Kommen mehrere in Frage, entscheidet man sich am Ende in der Regel für die jüngere Person.“ Das Geschlecht und die Blutgruppe sind Kriterien, die ebenfalls eine Rolle spielen können. Sie seien aber nicht so wichtig wie das Alter, sagt Mytilineos.

Wie wird ein potentieller Stammzellspender ausgewählt?

Bevor jemand Stammzellen spenden kann, sind weitere Schritte nötig: Die Spenderdateien kontaktieren die möglichen Spenderinnen und Spender und bitten sie um eine frische Blutprobe für die sogenannte Bestätigungstestung. Dabei werden die Gewebemerkmale nochmal überprüft, die Blutgruppe bestimmt und das Blut auf Hinweise auf eine Infektion mit bestimmten Viren untersucht.

„Stehen mehrere Personen zur Auswahl, werden sie alle um eine Bestätigungstestung gebeten“, sagt Professor Peter Dreger, Leiter der Sektion Stammzelltransplantation am Universitätsklinikum Heidelberg. „Vielleicht ist ein Spender aus medizinischen Gründen doch nicht geeignet oder kann aus terminlichen Gründen nicht spenden.“

Die endgültige Entscheidung für eine Spenderin oder einen Spender fällt laut Dreger nach der Bestätigungstestung. Ob diese Person dann gebeten wird, Stammzellen aus der Blutbahn oder doch aus dem Knochenmark zu spenden, hängt von der medizinischen Gesamtsituation ab. Was für Patient oder Patientin besser geeignet ist, wird ärztlich abgewogen. Mytilineos betont aber: „Letztlich können die Spender selbst entscheiden, welche Spendenart sie bevorzugen.“ Das heißt, wer keine Stammzellen aus dem Knochenmark spenden will, muss das nicht tun.

Bevor man spendet, wird man ärztlich untersucht und aufgeklärt. Außerdem willigt man in die Spende ein.

Spenden-Variante 1: Stammzellen aus dem Blut

Damit Stammzellen aus dem Blut für eine Spende gewonnen werden können, erhalten Spenderinnen und Spender über vier- bis fünf Tage einen Wachstumsfaktor, der unter die Haut gespritzt wird. „Das kann man nach Anleitung auch selbst machen“, sagt Dreger. Der Wachstumsfaktor lässt die Stammzellen aus dem Knochenmark ins Blut übertreten. Es kann dadurch zu Nebenwirkungen wie Knochen-, Kopf oder Muskelschmerzen kommen. „Auch einige Blutwerte verändern sich vorübergehend, davon merkt man aber normalerweise nichts“, sagt Dreger.

Über eine sogenannte Stammzellapharese werden die Blutstammzellen direkt aus dem Blutkreislauf entnommen. Spenderinnen und Spender werden dafür über Plastikschläuche, die wie bei einer Blutspende in die Armvenen gelegt werden, mit einem Gerät verbunden – dem Blutzellseparator. Das Blut fließ von dem einen Armseite in das Gerät und auf der anderen Seite wieder zurück in den Körper.

Der Seprarator trennt die Blutzellen nach Größe und Gewicht auf. Benötigte Zellen werden gezielt abgeschieden und in einem Beutel gesammelt. Das restliche Blut, wird über die andere Armseite zurückgeleitet. In etwa drei bis fünf Stunden wird das Blut auf diese Weise mehrmals durch das Gerät geleitet. Anschließend untersucht ein Labor, ob ausreichend Stammzellen für eine Transplantation gewonnen wurden.

Spenden-Variante 2: Stammzellen aus dem Knochenmark

Eine Stammzellspende aus dem Knochenmarkblut ist inzwischen deutlich seltener. Im OP wird dafür unter Narkose mit einer Hohlnadel am Beckenkamm in den Beckenknochen gestochen und Knochenmarkblut mit einer Spritze abgesaugt. Weil nur sehr kleine Kanäle im Knochen entstünden, sei der Eingriff genauso sicher wie eine Spende aus dem Blutkreislauf, sagt Dreger.

Ein Vorteil der Knochenmarksspende ist, dass man vorher keine Medikamente einnehmen muss. Allerdings geschieht der Eingriff unter Narkose. Zudem ist der Blutverlust für die Spenderinnen und Spender größer, weshalb sie sich nach der Entnahme schlapp fühlen können. Der Eingriff dauert etwa eine Stunde. „Oft kann der Spender am selben Tag die Klinik verlassen oder bleibt nicht länger als eine Nacht im Krankenhaus“, sagt Dreger.

Wie geht es nach der Stammzellspende weiter?

Egal ob die Stammzellen aus der Blutbahn oder dem Knochenmark gespendet werden: Sorgen um die eigene Blutbildung oder das Immunsystem müssen sich Spenderinnen und Spender nach ihrer Spende nicht machen. Denn Stammzellen können eine identische Kopie von sich selbst herstellen: Der Köper kann die gespendeten Zellen also einfach ersetzen.

Bevor die gewonnenen Stammzellen Empfängerinnen und Empfängern transplantiert werden, haben die in der Regel eine Chemo- und eventuell auch eine Strahlentherapie erhalten. Die zerstört Tumorzellen und auch gesunde Zellen im Knochenmark. Denn das körpereigene Immunsystem muss so stark unterdrückt oder ausgeschaltet werden, dass es die gespendeten fremden Zellen nicht abstößt.

Das bedeutet aber zugleich, dass die Betroffenen nicht mehr ausreichend eigene Blutzellen bilden können und deshalb unter anderem sehr anfällig für Infektionen werden und darauf angewiesen sind, die fremden Blutstammzellen zügig zu erhalten. Beim Empfänger können gespendete Stammzellen die gesamte Blutbildung und das Immunorgan wieder aufbauen, sagt Dreger. Kommt es aber nicht zum Anwachsen des Transplantats, könne das lebensbedrohlich werden. „Das passiert aber extrem selten“, sagt Dreger.

Eine besondere Bindung – ein Leben lang

Eine Stammzellspende ist immer freiwillig und läuft anonym ab. Spenderin und Empfänger können sich aber eventuell zwei Jahre nach der Transplantation kennenlernen – wenn beide Seiten das möchten und es in den Ländern aus denen sie kommen zulässig ist.

So oder so entsteht ein besonderes Verhältnis: Die Spenderin hat dem Empfänger möglicherweise nicht nur das Leben gerettet. Dieser Mensch sei zudem ein bisschen wie man sie selbst, sagt Dreger. „Denn er hat für den Rest seines Lebens dieselbe Blutbildung.“


Quellen:

  • World Marrow Donor Association: Total Number of Donors and Cord blood units. https://statistics.wmda.info/... (Abgerufen am 19.05.2023)
  • World Marrow Donor Association: WMDA global trends report 2021. https://wmda.info/... (Abgerufen am 19.05.2023)
  • Zentralen Konchenmarkspender-Registers Deutschland: Registrierung und Spende. https://www.zkrd.de/... (Abgerufen am 19.05.2023)
  • Zentralen Konchenmarkspender-Registers Deutschland: Grundlagen der Spendersuche. https://www.zkrd.de/... (Abgerufen am 19.05.2023)
  • Zentralen Konchenmarkspender-Registers Deutschland : HLA-Merkmale. https://www.zkrd.de/... (Abgerufen am 19.05.2023)
  • Krebsinformationsdienst des Deutschen Krebsforschungszentrums: Transplantation von Blutstammzellen. https://www.krebsinformationsdienst.de/... (Abgerufen am 19.05.2023)
  • Fleischhauer K, Arrieta-Bolanos E, Ayuk F et al.: Deutscher Konsensus 2021 zur Spenderauswahl für die allogene Stammzelltransplantation. https://dag-hszt.de/... (Abgerufen am 19.05.2023)
  • Zentralen Konchenmarkspender-Registers Deutschland: Deutsche Standards für die nicht verwandte Blutstammzellspende. https://www.zkrd.de/... (Abgerufen am 19.05.2023)
  • Kinderkrebsinfo: Stammzellgewinnung aus dem Blut. https://www.gpoh.de/... (Abgerufen am 19.05.2023)
  • Zentralen Konchenmarkspender-Registers Deutschland: Fragen & Antworten. https://www.zkrd.de/... (Abgerufen am 19.05.2023)
  • Universitätsklinikum Düsseldorf: Stammzellapherese. https://www.uniklinik-duesseldorf.de/... (Abgerufen am 19.05.2023)
  • Kenyon M, Babic A: The European Blood and Marrow Transplantation Textbook for Nurses. In: European Society for Blood and Marrow Transplantation: 01.01.2023, https://doi.org/...
  • DKMS: Häufige Fragen. https://www.dkms.de/... (Abgerufen am 26.05.2023)