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Die Diagnose Krebs:

Die Diagnose Krebs stellt das Leben auf den Kopf. Welche Therapie ist die richtige? Was kommt jetzt auf einen zu? Viele Patienten legen in dieser schweren Krise ihr Schicksal in die Hände des Arztes, dem sie vertrauen. Der Tumorspezialist Matthias Ebert erlebt das auch. "Anfangs erhalten Patienten so viele Informationen und fragen andere Fachleute. Gerade Ältere sind dann so verunsichert, dass sie am Ende auf den Arzt hören, mit dem sie die längste Erfahrung haben."

Senioren erhalten am häufigsten die Diagnose Krebs. Mehr als die Hälfte der Patienten ist über 70 Jahre alt, wenn sie von ihrem bösartigen Tumor in Darm, Haut oder Lunge ­erfahren. Mit dem Alter steigt das ­Risiko für bestimmte Krebsarten. Statistiker rechnen vor: Auf einen unter 15-Jährigen, dem ein ­Karzinom zu schaffen macht, kommen 200 bis 300 über 80-Jährige. Tendenz steigend, sind sich Experten einig.

Vor dem Hintergrund der steigenden Lebenserwartung fordern Fachleute, Behandlungskonzepte bei betagten Personen stärker auf deren Bedürfnisse zuzuschneiden. "Was sich bei 40-Jährigen bewährt hat, lässt sich nicht einfach auf 75-Jährige übertragen", mahnt Ebert. So sind in Studien zur Wirksamkeit von Antitumormitteln Menschen jenseits der 70 häufig nicht einbezogen. "Wir müssen bei dieser Altersgruppe Therapien neu auf den Prüfstand stellen", fordert der Onkologe aus Mannheim.

Unter- oder überbehandelt

Altersmediziner sehen weitere Risiken. Viele Senioren würden zwar ­­individuell richtig therapiert, so Professor Gerald Kolb von der Arbeitsgruppe Geriatrische Onkologie, die führende Fachleute aus der Geriatrie und Onkologie gemeinsam gegründet haben. "Einige werden jedoch unterbehandelt, andere dagegen überbehandelt." Manche Kollegen und Patienten, so Kolb, würden immer noch glauben, im hohen Alter lohnten sich bestimmte Therapien nicht mehr. "Viele Krebsarten, die früher für Senioren ein Todesurteil bedeuteten, lassen sich heute heilen oder in ein chronisches Stadium bringen", widerspricht der Alters­experte. "Umso wichtiger ist es deshalb, früh gezielt zu behandeln."

Ihre Fragen zu Krebs beantwortet der Krebsinformationsdienst unter Tel. 0800 – 420 30 40 (täglich 8 – 20 Uhr, innerhalb Deutschlands kostenlos) und online unter www.krebsinformationsdienst.de

Umgekehrt schnappt die Therapiefalle auch zu. Arbeiten etwa Leber und Niere mit den Jahren schwächer, verkraften ältere Krebskranke die Wirkstoffe oft schlechter, sagt Kolb. "So jemand ist dann schnell über­behandelt." Gleichzeitig leiden viele unter chronischen Krankheiten wie Herzschwäche, Diabetes oder COPD, was zusätzlich Kräfte raubt. Neben den zelltötenden Medikamenten muss der Kranke weitere Arzneien einnehmen. "Das bedeutet nicht, dass wir so jemanden nicht behandeln. Aber das beeinflusst jede Therapieentscheidung."

Das biologische Alter zählt

Wie belastbar ein Patient für die anstehenden Strapazen ist, loten Chirurgen, Onkologen, Pathologen, Internisten oder andere Fachärzte in aller Regel in Tumorkonferenzen aus. Die Teamarbeit hat sich bewährt, um passgenaue Therapiepläne zu erstellen. Altersmediziner wünschen sich, mehr Gehör zu finden: "Neben Krankengeschichte, Laborwerten und CT-Befund spielt auch die allgemeine Verfassung und Lebenserwartung eine große Rolle", sagt Kolb.

Das Geburtsdatum gibt keine verlässliche Auskunft darüber. Das  biologische Alter, also der tatsächliche Gesundheitszustand, zählt. "Wir  haben inzwischen Handwerkszeug, um die allgemeine Fitness eines älteren  Tumorkranken zuverlässig zu bestimmen", erklärt der zweite Vorsitzende  der DGHO. Spezielle Tests zeigen, wie groß das Sturzrisiko ist, ob  jemand geistig einer langwierigen Tumortherapie folgen oder sich im  Alltag selbstständig versorgen kann.

Verschiedene Vorgehensweisen

Je nach Resultat empfehlen Experten verschiedene Vorgehensweisen. Sie  raten rüstig Gebliebenen zu Standardtherapien, wie sie auch jüngere  Krebskranke erhalten. Bei gebrech­lichen Menschen wägen sie ab, ob eine  moderatere Krebstherapie einen Vorteil in puncto Lebensdauer und  Lebensqualität bringt. Bei sehr geschwächten Senioren halten sie ein  Lindern statt Heilen der Beschwerden für einen sinnvollen Weg.

Fest steht: Standardisierte geriatrische Untersuchungen können vor   einem Zuviel oder Zuwenig an Therapie bewahren. Weil sie aufwendig sind,   gehören sie in Deutschland nicht zur Routinediagnostik, nicht in jedem   Behandlungsteam gibt es erfahrene Geriater. Außerdem müsse häufig   schnell entschieden werden, weiß Altersmediziner Kolb. "Aber auch Tests   in Kurzform helfen uns weiter." Sein Tipp für Patienten, um dieses   Fachwissen gezielt einzufordern: "Fragen Sie nach: Bin ich als älterer   Mensch belastbar für die Therapie? Lässt sich das speziell testen?‘"

Patient entscheidet mit

Im Universitätsklinikum Heidelberg haben sich die Spezialverfahren   fest etabliert. Das Nationale Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) bietet   eine Krebssprechstunde für die Generation 70 plus an. Neben dem   Sturzrisiko, sozialen Umfeld und eventueller Mangelernährung kommt auch   zur Sprache, was der Patient will. "Der Patient wird möglichst immer in   die Suche nach der passenden Therapie einbezogen", betont Dr. Stefanie   Zschäbitz. Aus gutem Grund: Spricht sich jemand bewusst für eine   belastende Chemo aus und fühlt er sich gut informiert, erträgt er die   langwierige Prozedur meist besser.

Es geht um Entscheidungen von großer Tragweite. Ein 80-Jähriger lehnt    eine Antikrebstherapie ab, die ihm mehr Lebensjahre schenken würde,    aber zu dem hohen Preis des Leidens. Ein 93-Jähriger will so lange wie    möglich kämpfen, trotz quälender Bestrahlung. "Oft geben Patienten    bestimmte Fixpunkte an", sagt die Heidelberger Medizinerin. Jemand will    noch die Taufe des Enkels erleben, Weihnachten oder die goldene    Hochzeit. Jede Entscheidung lotet Zschäbitz mit dem Kranken aus – und    rät auch mal von einer Chemo- oder Strahlentherapie ab: "Patienten    können nicht alles richtig einschätzen. Die meisten haben noch nie die    ­Erfahrung einer Therapie gemacht."

Recht auf eine Zweitmeinung

Egal ob sich eigene Vorstellungen und ärztlicher Rat decken oder    nicht, "jeder Patient hat das Recht auf eine weitere ärztliche Meinung",    sagt die Expertin vom NCT. Ältere scheuen diesen Schritt oft, so ihre    Erfahrung. "Aber kein souveräner Behandler empfindet das als    Vertrauensbruch."

Angehörige sollten bei den Arztgesprächen dabei sein. Nicht nur, wenn    ein Krebskranker unter Demenz leidet und dem Arztgespräch kaum folgen    kann. Auch so können in der Aufregung viele Informationen verloren    gehen. Dennoch: Jeder sollte zunächst alleine in sich hi­neinhorchen.    Was will ich selbst? Was erwarte ich von der Therapie? Wie belastbar bin    ich? "Die Familie möchte oft, dass der Betreffende noch lange lebt",    erklärt Krebsspezialist Ebert. So lasse er sich womöglich zu einer    Therapie überreden, die ihm Zeit schenke, ihn aber kräftemäßig    überfordere, sagt der Mannheimer Onkologe. "Manche Patienten ahnen das.    Sie entscheiden sich deswegen für eine aggressive Strategie und sagen    gleichzeitig: Wenn es nicht geht, dann lasse ich es eben."

Weiter selbstständig sein

Womöglich steht zu viel auf dem Spiel. "Selbstständig zu bleiben ist     für ältere Krebspatienten häufig gleichbedeutend mit Lebensqualität   und   oberstes Ziel", betont Ebert. Umso wichtiger ist es, sich mit   Partner   oder Tochter zu beratschlagen. Helfen sie einem? Was, wenn     Klinikaufenthalte oder Chemoambulanz anstehen? Wer fährt einen, holt     Medizin oder hilft im Haushalt?

Vielleicht stellen sich die Weichen noch ganz anders. "Ein     96-jähriger Patient mit Prostatakrebs hat sich bei uns in der Klinik für     eine zweite Meinung vorgestellt", erzählt Oberärztin Zschäbitz aus     Heidelberg. Auf die Frage, ob er das wirklich wolle, habe er gesagt:     "Ja, ich möchte noch ein paar Jahre leben." Seinen 100. Geburtstag     feiern – auch das kann für ­einen Krebskranken das Ziel sein.

Die Therapie durchstehen:

Zähne zusammenbeißen und ertragen? "Bitte nicht!", sagt Petra Feyer vom Vivantes-Klinikum in Berlin. "Sprechen Sie darüber, was Sie gerade quält." Im Auftrag der Deutschen Krebsgesellschaft engagiert sich die Professorin im Arbeits­kreis Supportive Maßnahmen in der Onkologie für die Lebensqualität krebskranker Menschen. Was Patienten wissen sollten: Nicht jeder entwickelt alle denkbaren Beschwerden und leidet gleich stark. Dank moderner Medizin kann das onkologische Behandlungsteam den meisten Pro­blemen gezielt vorbeugen oder sie lindern. Auch Sie selbst können viel dazu beitragen, Nebenwirkungen einer (Chemo-)Therapie abzumildern.

Gereizte Haut:

Was sind die Beschwerden? Die Haut reagiert manchmal auf die Krebsmedikamente: Sie juckt, rötet sich, ist trockener oder lichtempfindlicher als früher. Ein akne­ähnlicher Ausschlag ist möglich. Nach ­­Bestrahlungen kann die Haut anschwellen, ähnlich wie bei einem Sonnenbrand. Langfristige Folgen sind heute selten, aber die Haut bleibt oft insgesamt empfindlicher.

Was macht der Arzt? Er bespricht die individuelle Hautpflege und verordnet Cremes und Tabletten, die den jeweiligen Haut­irritationen vorbeugen oder sie mildern.

Was kann ich tun? Nur mit lauwarmem Wasser waschen. Seifenfreie und rück­­fettende Pflegeprodukte verwenden, keine alkoho­lischen Hygienemittel und Parfüms. Die Haut sanft mit weichem Handtuch trocken tupfen. Danach regelmäßig großzügig eincremen. Luftige Kleidung aus Naturstoffen (Baumwolle, Seide) tragen. Starke Sonneneinstrahlung meiden. Beim Arbeiten im Haushalt Handschuhe nutzen. Naturheilkundliche Mittel wie Quarkwickel oder Leinsamenbäder erst mit dem Arzt besprechen.

Haarausfall:

Was sind die Beschwerden? Die Haare ­können, je nach Therapie, nach und nach ausfallen. Betroffen sind die Kopfhaare, aber auch Augenbrauen, Wimpern, Haare im Schambereich und in den Achselhöhlen. Nach Therapieende wachsen sie wieder.

Was macht der Arzt? Mit Medikamenten kann man dem Haarausfall nicht vorbeugen. Der Onkologe kann eine Perücke verordnen. Bei Frauen erstattet die Krankenkasse meist einen ­gewissen Betrag. Eine Kühlkappe kann den Haarausfall lindern, doch nicht jeder Onkologe bietet sie an. Die Kasse trägt meist nicht die Kosten. Einige empfinden die Kappe als unangenehm, fraglich ist, ob sie sich ungünstig auf den Therapieerfolg auswirkt.

Was kann ich tun? Bei der Krankenkasse wegen der Perücke fragen. Mit einem tollen Make-up gefällt sich manche Patientin besser. Es gibt extra Schminkkurse für Krebskranke. Auch im Internet finden Sie gute Tipps. Manchen hilft es, sich vor dem Verlust der Haare selbst die Haare zu rasieren.

Hand-Fuß-Syndrom:

Was sind die Beschwerden? Im Verlauf einer Chemotherapie kann die Haut so reagieren, dass Fußsohlen und Handinnenflächen schmerzhaft anschwellen, sich röten, taub anfühlen und Blasen werfen. Mit dem ­Absetzen der Therapie verschwinden die Beschwerden in der Regel wieder.

Was macht der Arzt? Er berät Sie, wie Sie mit der richtigen Hautpflege vorbeugen. Bei Bedarf verschreibt er eine harnstoffhaltige Creme und Schmerzmittel.

Was kann ich tun? Pflegen Sie die betroffenen Hautpartien mehrmals täglich mit der verschriebenen Creme. Bei stärkeren Beschwerden verschaffen Kühlelemente Linderung (vorher den Arzt fragen und nicht direkt auf der Haut anwenden!). Tragen Sie bequeme, nicht zu enge Schuhe. Die Hände sollten nicht in Kontakt mit heißem Wasser kommen. Beim Spülen oder Putzen Baumwollhandschuhe und wasserfeste Handschuhe darüberziehen.

Übelkeit:

Was sind die Beschwerden? Bauchgrimmen, Übelkeit und Erbrechen.

Was macht der Arzt? Vor Beginn der Therapie gibt er Arzneimittel gegen Magen-Darm-Probleme. Speziell vor Übelkeit haben viele Patienten Angst. Dagegen gibt es heute aber gute Medikamente. Auch eine Ernährungsberatung kann helfen.

Was kann ich tun? Nehmen Sie die Arznei, die Sie vorbeugend erhalten haben. Probieren Sie aus, was Ihre Übelkeit lindert. Essen Sie mehrere kleine Portionen und nur das, worauf Sie Lust haben. Leichte Kost ist generell ratsam. Meiden Sie un­angenehme Gerüche wie Zigarettenqualm. Besprechen Sie mit dem Onkologen, ob Sie Mahlzeiten direkt vor und nach einer Behandlung einnehmen dürfen. Gute Erfahrungen haben einige mit Akupressur am Handgelenk gemacht, spezielle Druckarmbänder gegen Übelkeit gibt es in der Apotheke. Ebenfalls hilfreich: Ingwertee, frische Luft, Entspannungsübungen.

Gereizte Mundschleimhaut:

Was sind die Beschwerden? Nach einer Chemotherapie oder Bestrahlung in der Mundhöhle kann sich dort die Schleimhaut entzünden. Sie ist gerötet, geschwollen und schmerzt, es können sich Blasen oder Geschwüre bilden.

Was macht der Arzt? Er inspiziert regelmäßig Mund- und Rachenraum. Bei Bedarf  verschreibt er Schmerzmittel und spezielle Mundspüllösungen und verordnet hoch­kalorische Trinknahrung aus der Apotheke sowie eine Ernährungsberatung. Bei Diabetikern achtet er auf gute Blutzuckerwerte.

Was kann ich tun? Vor Beginn der Therapie zur Kontrolle beim Zahnarzt. Zahnersatz muss gut sitzen und gepflegt sein. Oberstes Gebot ist sorgfältige Mundhygiene: nach jeder Mahlzeit die Zähne mit einer weichen Bürste putzen. Behandeln Sie mehrmals am Tag den Mund mit der verordneten Spüllösung oder mit rezeptfreien Lösungen aus der Apotheke. Bitte keine Mahlzeiten auslassen! Wohltuend ist oft das Lutschen von Bonbons, abgerundeten Eiswürfeln oder Würfeln aus gefrorenen Cola-Getränken. Auch Gurgeln mit Hanföl kann helfen. Scharf gewürzte und sehr heiße Speisen meiden, auch sehr süße oder saure Lebensmittel reizen die Schleimhäute. Nikotin und Alkohol weglassen. Benutzen Sie zum Trinken einen Strohhalm, Zahnersatz eventuell aus dem Mund nehmen.

Nervenschäden:

Was sind die Beschwerden? Hände und Füße kribbeln, fühlen sich taub an und schmerzen. Handgriffe, die Feinmotorik erfordern, wie eine Bluse zuknöpfen, fallen schwer. Doch nicht jeden trifft es – und nicht jeden gleich stark.

Was macht der Arzt? Er verschreibt im Vorfeld Physiotherapie, ­etwa Vibrationstraining, Übungen mit dem Igelball oder Wechselbäder. Mittel, die auch Diabetiker gegen Nervenschäden erhalten, lindern die Beschwerden.

Was kann ich tun? Sagen Sie Ihrem Arzt, wenn sich Ihre Hände oder Füße komisch anfühlen oder schmerzen. Finger- und Abrollübungen mit Wasserflaschen halten Hände und Füße beweglich. Keine drückenden Schuhe anziehen. Können Sie sich zunehmend schlechter selbstständig im Alltag versorgen, die Krankenkasse nach Unterstützung fragen.

Osteoporose:

Was sind die Beschwerden? Das Risiko von Brüchen steigt.

Was macht der Arzt? Er prüft Knochendichte und Blutwerte, verschreibt bei Bedarf Ernährungsberatung und Wirkstoffe gegen den Knochenabbau.

Was kann ich tun? Bewegen Sie sich regelmäßig an frischer Luft. Trainieren Sie Kraft und Ausdauer. Meiden Sie Alkohol und Rauchen. Ob fetter Fisch, grünes Gemüse oder Joghurt: Lassen Sie sich von Experten beraten, welches Essen die Knochen stärkt. Keine Nahrungsergänzungsmittel in Eigenregie einnehmen!

Dauermüdigkeit:

Was sind die Beschwerden? Man fühlt sich ständig erschöpft. Nach der The­­rapie ist diese Fatigue meist vorbei, sie kann sich aber auch Jahre später bemerkbar machen und chronisch werden.

Was macht der Arzt? Er schließt zunächst andere organische Ursachen aus. Das beste Mittel gegen Fatigue ist Bewegung. Der Arzt kann Bewegungstraining (etwa Rehasport) verschreiben. Auch Psychotherapie hilft mitunter.

Was kann ich tun? Bewegen Sie sich so oft wie möglich. Fragen Sie Ihr Behandlerteam nach Sportmöglichkeiten in Ihrer Nähe. Achten Sie auf gesunde ­Ernährung. Sprechen Sie mit Ihren Angehörigen über Ihre Erschöpfung.

Blutarmut:

Was sind die Beschwerden? Der Mangel an roten Blutkörperchen macht schlapp. Manche leiden zudem unter Luftnot, Schwindel und Konzentrationsstörungen.

Was macht der Arzt? Er kontrolliert regelmäßig die Blutwerte. Je nach Ausmaß der Blutarmut und der Beschwerden verordnet er Eisen oder andere Medikamente. Im Einzelfall kommt eine Bluttransfusion infrage.

Was kann ich tun? Melden Sie dem Arzt sofort, wenn Sie unter Luftnot oder plötzlichem Leistungsknick leiden. Nur die vom Arzt verordneten Eisenpräparate einnehmen. Achten Sie auf ausgewogene Ernährung, lassen Sie sich dazu auch vom Apotheker beraten. Einige Nahrungsmittel fördern, andere hemmen die Eisenaufnahme.

Seelische Not:

Was sind die Beschwerden? Die Diagnose Krebs belastet fast jeden Patienten. Ängste, Depressionen oder eine Suchterkrankung sind mögliche Folgen.

Was macht der Arzt? Das Behandlerteam bespricht mit Ihnen, was Ihre seelische Not lindern kann. Es nennt Ansprechpartner und Adressen für psychoonkologische Gespräche, Entspannungsverfahren, psycho­soziale Beratung oder Psychotherapie.

Was kann ich tun? Sprechen Sie Ihre seelische Not frühzeitig und offen bei Ihren Therapeuten und Angehörigen an. Zögern Sie nicht, Hilfe in Anspruch zu nehmen! Durch vielfältige lokale und bundesweite Angebote leisten Selbsthilfeorganisationen Unter­stützung. Ebenso helfen Ihnen psycho­soziale Krebsberatungsstellen (etwa Landes­krebs­gesellschaften) weiter. Regelmäßige Bewegung nimmt Druck von der Seele.

Fachliche Beratung:
Prof. Petra Feyer, Arbeitskreis Supportive Maßnahmen in der Onkologie in der ­Deutschen Krebs­gesellschaft
Andrea Hahne, Haus der Krebs-Selbsthilfe – Bundesverband

Weiterleben nach der Therapie:

Interview mit Kerstin Bornemann aus Göttingen, Psychoonkologin und Apothekerin für onkologische Pharmazie und Palliativpharmazie:

Frau Bornemann, ab wann gilt ein Krebspatient als geheilt?

Kerstin Bornemann: Wenn ein Patient fünf Jahre nach seiner Erstdia­gnose krebsfrei geblieben und sein Risiko für einen Rückfall sehr gering geworden ist. Das sind allerdings rein statistische Werte. Je nach Tumor und Krankheitsverlauf kann es ein anderer Zeitpunkt sein.

Der Krebs ist besiegt! Bedeutet das auch: Endlich habe ich wieder einen normalen Alltag?

Ja. Patienten nehmen die Nachricht erleichtert auf. Aber das heißt nicht automatisch, dass alles wieder wie vorher läuft. Krebs verändert das Leben der meisten nachhaltig.

Warum?

Ein großes Thema ist die Angst: Kommt der Tumor zurück? Je nach Schwere der Krankheit belastet diese Frage sehr. Kontrolltermine finden nun in größeren Abständen statt, da bleibt viel Zeit zum Nachdenken. Viele versuchen das mit sich alleine auszumachen, weil sie offiziell als geheilt gelten.

Manche sagen, dass sie sich noch nicht richtig fit fühlen.

Auch das ist je nach Patient, Krankheitsverlauf und Therapie verschieden. Aber es können nach der Genesung Beschwerden bestehen bleiben oder sich erst später, manchmal erst nach Jahren bemerkbar machen.

Können Sie Beispiele nennen?

Der Krebs kann das Körpergefühl verändern. Etwa nach einer Brustoperation. Oder weil jemand fortan mit einem sichtbaren Röhrchen in der Luftröhre, dem Tracheostoma, lebt. Besonders viele Krebs-Überlebende plagt anhaltende Erschöpfung nach einer Chemotherapie. Wurde jemand im Kopfbereich bestrahlt, kann das Konzentrationsstörungen verstärken oder die Speiseröhre angreifen. Manche leiden unter einer gestörten Sexualität, anderen machen Sensibilitätsstörungen an Fingern und Füßen zu schaffen. Die Palette möglicher Beschwerden ist groß.

Werden die Beschwerden immer richtig gedeutet?

Sie werden schon mal als typische Alterserkrankungen missdeutet, vor allem wenn das Krebsleiden länger zurückliegt. Da sind die Hausärzte besonders gefordert. Patienten können aber auch selbst auf den Zusammenhang hinweisen. Ich rate jedem, sich gleich nach der Diagnose eine Gesundheitsakte anzulegen, auf die man später verweisen kann.

Was gehört in diese Akte?

Alle Dokumente, die den Krebs und seinen Krankheitsverlauf beschreiben. Also Arztbriefe, Medikationslisten und andere Verordnungen. Gut ist auch, parallel ein Tagebuch zu schreiben über den Krankheitsverlauf. Wenn Fragen auftauchen, diese notieren! Gerade bei Fachärzten sind Termine oft eng getaktet, so dass einem nicht gleich einfällt, was unklar ist. Ruhig hartnäckig fragen, wenn es husch, husch gehen soll beim Arzt.

Was hilft noch, das Krebsleiden zu bewältigen?

Sich bewegen! Gäbe es Sport als Pille, würde ich sie immer empfehlen. Egal ob Walken, Gymnastik oder Rad fahren, wer regelmäßig trainiert, verbessert seine Lebensqualität und stärkt seine Abwehr. Das ist erwiesen. Auch bei anhaltender Erschöpfung hilft viel Bewegung aus dem Tief.

Aber wie raffe ich mich auf, wenn Kraft und Lust dazu fehlen?

Sich in dieser Situation zu motivieren, fällt vielen schwer. Aber alle, die das schaffen, erzählen mir nachher, wie viel besser es ihnen geht. Insbesondere Menschen mit einem Hund sagen mir, sie fühlen sich viel wohler, seitdem sie bei jedem Wetter rausmüssen.

Kann Sport nicht überfordern?

Das Pensum sollte jeder mit seinem Arzt besprechen. Das körperliche Training muss auf den Gesundheitszustand des Patienten zugeschnitten sein, vor allem aber Spaß machen. Vielen Menschen tut es gut, in einer Gruppe Sport zu treiben. Geselligkeit motiviert, dort treffen sich Leute, die Ähnliches durchgemacht haben wie man selbst. Über passende An­gebote informieren Spezialsprechstunden an großen Kliniken, Rehazentren, Krebsberatungsstellen oder Selbsthilfegruppen. Im Internet finden sich ebenso viele Adressen und Übungen.

Welche Rolle spielt die Ernährung?

 Eine ebenso wichtige. Eine gesunde Ernährung beeinflusst die Lebensqualität positiv. Dazu zählt auch, auf sein Gewicht zu achten. Man sollte weder zu wenig wiegen noch stark übergewichtig sein. Ein gutes Körpergefühl stärkt zudem das Selbstbewusstsein. Auch in dieser Phase der Krankheit ist eine Ernährungsberatung sinnvoll. Die Experten gehen gezielt auf die individuellen Wünsche und Situationen ein.

Was hält einen seelisch stabil?

Ehemalige Krebspatienten profitieren von Entspannungstechniken. Jeder muss für sich ausprobieren, ob ihm Yoga, autogenes Training oder eine Atemübung guttut. Gerade für Ältere ist das eine ganz neue Erfahrung. Wenn jemand lieber malt oder puzzelt, finde ich das auch gut. Nicht jeder schafft es, total abzuschalten.

Sie betonen, wie wichtig es für alle sei, wieder ins Gespräch zu kommen. Was meinen Sie damit?

Die Familie und der ehemalige Krebskranke wollen sich oft gegenseitig schützen. Angehörige sprechen das Thema Krebs nicht an. Nicht nur, weil sie es endlich abhaken wollen. Sie möchten auch ihr Gegenüber nicht mehr damit belasten. Aus demselben Grund schweigt auch der Patient. Er will nicht sagen, dass es ihm in Wirklichkeit noch nicht so gut geht. Um Ärger zu vermeiden, wahrt er den Schein der Normalität. Das stresst am Ende alle.

Was hilft in so einer Situation?

Psychoonkologen haben sich auf die seelischen Auswirkungen eines Krebsleidens auf Patienten und ihre Angehörigen spezialisiert. Sie können allen Beteiligten ganz individuell Tipps für den Alltag geben. Auch, wie sie wieder mehr miteinander ins Gespräch kommen.

Was kann ich selbst tun?

Vielen Menschen entlastet es, in einer Selbsthilfegruppe über ihre Ängste zu sprechen. Wichtig ist, Dinge zu tun, die einem guttun. Ich rate jedem: Schauen Sie nach Ihrer Seele! Das hat nichts mit Egoismus zu tun. Älteren Menschen fällt diese Einstellung manchmal schwer. Gerade ihnen empfehle ich, einfach mal laut zu sagen: "Das tut mir gut." Das hilft, nicht zu sehr darüber ins Grübeln zu geraten, ob alles richtig ist.