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Frau Dr. Weg-Remers, welche komplementären Methoden sind besonders nachgefragt?

Wir führen keine Statistik. Es sind jedoch etwa 150 Methoden, nach denen immer wieder gefragt wird. Dazu gehören pflanzliche Präparate, homöopathische Ansätze und auch Chemikalien, die als Krebstherapie beworben werden, bis hin zu biophysikalischen Methoden wie Wärme- oder Kälte­behandlung. Die Bandbreite ist groß.

Warum interessieren sich Erkrankte für diese Verfahren?

Die Beweggründe sind individuell und unterschiedlich. Manche möchten damit die schulmedizinische Behandlung ersetzen, etwa weil sie Angst vor der Therapie und deren Nebenwirkungen wie Haarausfall, Übelkeit oder Schwäche haben. Davon kann ich jedoch nur abraten, denn das kann lebensbedrohliche Konsequenzen haben.

Dr. Susanne Weg-Remers, Leiterin des Krebsinformationsdienstes in Heidelberg.

Dr. Susanne Weg-Remers, Leiterin des Krebsinformationsdienstes in Heidelberg.

Bei den Patientinnen und Patienten, die solche Methoden ergänzend, also komplementär zur Schulmedizin, anwenden möchten, steckt vielfach der Wunsch dahinter, aktiv etwas für sich selbst zu tun. Sie möchten weg von dem Gefühl, der Schulmedizin ausgeliefert zu sein, auch wenn sie den Behandlungen zugestimmt haben und wissen, dass diese nötig und wichtig sind.

Was kann die Komplementärmedizin bieten?

Komplementärmedizin heilt keinen Krebs. Aber sie kann zum ­einen die Lebensqualität verbessern und zum anderen Nebenwirkungen der konventionellen Therapie wie etwa Müdigkeit abschwächen. Zu den komplementärmedizinischen Verfahren gehört auch Bewegung. Mittler­weile gibt es eine recht gute Evidenz aus Studien, dass ein angepasstes Bewegungsprogramm, etwa bei Darm- und Brustkrebs, nicht nur gegen die allgemeine Schwäche hilft, sondern sogar das Rückfallrisiko senken kann.

Wenn eine Patientin oder ein Patient bei Ihnen anruft: Wie läuft die Beratung ab?

Als Erstes klären wir, was sich die Anruferin oder der Anrufer von der nachgefragten Methode oder dem Verfahren erhofft. Ist ­etwa eine Linderung von belastenden Symptomen oder Nebenwirkungen erwünscht oder eine Verbesserung der Lebensqualität, dann geben wir eine konkrete Rückmeldung, ob sich das Verfahren eignet.

Das heißt, nicht alle Methoden sind gleich empfehlenswert?

Genau. Grundsätzlich gibt es Behandlungen, für deren Wirksamkeit Belege fehlen, die jedoch in der Regel keinen Schaden anrichten. Dazu gehören zum Beispiel Yoga, Akupunktur oder auch Tai-Chi. Diese kann man in Absprache mit der behandelnden Ärztin oder dem Arzt ausprobieren, um zu sehen, ob sie guttun. Dann gibt es Präparate, die in manchen Fällen zu Wechsel­wirkungen mit der Krebstherapie führen können. Ein Beispiel hierfür wäre Johanniskraut gegen leichte depressive Verstimmungen. Dieses pflanzliche Präparat kann die Wirkung bestimmter Krebsmedikamente stören, da sie über einen gemeinsamen Stoffwechselweg im Körper abgebaut werden. Die Folge: Die Wirkung der Medikamente wird verstärkt oder abgeschwächt. Und das möchte man natürlich vermeiden.

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Akupunktur gegen Schmerzen

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Von welchen Substanzen oder Behandlungen raten Sie ausdrücklich ab?

Zum Beispiel von dem sogenannten Miracle Mineral Supplement, kurz MMS. Das ist ­eine Chemikalie, die angeblich eine krebsheilende Wirkung hat. Tatsächlich gibt es hierfür keinen einzigen Nachweis. Die Einnahme kann jedoch zu Verätzungen im Mund und zu Vergiftungen führen. Auch von speziellen Krebs-Diäten wie der Breuss-Kur raten wir ab. Diese soll den Krebs aushungern mit Saft, Kräutertee und Einläufen über etwa 40 Tage. So eine Diät kann für Krebspatienten, die häufig schon aufgrund der Erkrankung oder der Therapie mangelernährt sind, verheerende Folgen haben.

Woran erkennt man, dass eine Behandlung gefährlich sein kann?

Es ist wirklich wichtig, den eigenen kritischen Blick zu trainieren. Denn nicht alles, was im Internet oder anderswo behauptet wird, trifft tatsächlich zu. Skeptisch werden sollte man, wenn ein Anbieter behauptet, dass sein Angebot Krebs auf jeden Fall heilen kann, egal welche Krebsart. Und das ganz ohne Nebenwirkungen oder für viel Geld. Einige Anbieter weigern sich auch, mit Ärzten zusammenzuarbeiten, auch das ist ein Warnzeichen.

Wenn Sie von einer Therapie abraten, bieten Sie eine Alternative an?

Ja, das machen wir. Es ist wichtig, dass man den Menschen nicht ersatzlos die Krücken wegtritt. Vielfach ist die Motiva­tion ja, dass man selbst etwas für sich tun möchte. Was wir vorschlagen, hängt davon ab, was den Menschen am stärksten belastet. Wenn jemand sagt, mich macht es fertig, dass ich nach der Chemotherapie so müde und schlapp bin, würden wir körperliche Aktivität empfehlen. Sind es Schlafstörungen, helfen vielleicht Entspannungstechniken.

Gibt es einen Rat, den Sie den ­Anrufenden immer mitgeben?

Wir raten allen, ihre Wunschmethode mit Ärztin oder Arzt zu besprechen. Denn nicht alle Verfahren eignen sich bei jeder Krebsart. Daher muss auch die ergänzende Behandlung individuell abgestimmt sein. So profitieren sie hoffentlich von dem, was Komplementärmedizin oft kann: Nebenwirkungen lindern und
Lebensqualität verbessern.