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Als Eva Bender* einen leichten Ausschlag an ihrem Bein entdeckte, dachte sie an nichts Schlimmes. Es war 2015, Winter, „da hat man eben mal trockene Haut“, sagt die heute 32-Jährige. Bis die Schmerzen begannen. „Es war so ein Brennen“, erinnert sie sich. Das ganze Bein tat weh, insbesondere bei Bewegung. Obwohl der Ausschlag zu diesem Zeitpunkt schon fast verheilt war, ging sie zu einer Hautärztin. Die zog den richtigen Schluss: Gürtelrose. Sie verschrieb der Patientin ein Medikament, das das Virus bekämpft – auch wenn es dafür schon reichlich spät war. Die Leitlinien empfehlen, binnen 72 Stunden nach Symptombeginn mit der Behandlung zu beginnen.

Auslöser durch Varizelle Zoster

Gürtelrose wird durch Varizella Zoster ausgelöst, dasselbe Virus, das auch Windpocken verursacht. Nach der Infektion, die meist schon im Kindesalter stattfindet, bleibt ein Teil der Viren im Körper: Sie schlummern in Nervenknoten nahe dem Rückenmark. Mit zunehmendem Alter wird das Immunsystem schwächer. Aber auch andere Erkrankungen, Infektionen oder Stress können dazu führen, dass die körpereigene Abwehr das Virus nicht mehr in Schach halten kann. Es befällt einen Nervenstrang. Auf dem Hautbereich, den dieser versorgt, bilden sich Bläschen, die oft rosettenförmig angeordnet sind, daher ihr Name: Gürtelrose.

„Ich habe damals meine Masterarbeit geschrieben und war sehr gestresst“, erzählt Eva Bender. In der Hautarztpraxis, in der sie ihre Schmerzen schilderte, wurde ihr zu Ibuprofen geraten. Das half nicht. Kein Wunder, sagt Dr. Sabine Schneider, Fachärztin für Anästhesiologie und leitende Schmerztherapeutin am Schmerzzentrum Rhein-Main in Wiesbaden. „Entzündungshemmer wie Ibuprofen wirken nur anfangs, in der Entzündungsphase.“

Nach einer Windpockenerkrankung überdauern einige Viren im Rückenmark. Werden sie „aufgeweckt“, können sie Nervenbahnen befallen und Schmerzen verursachen.

Nach einer Windpockenerkrankung überdauern einige Viren im Rückenmark. Werden sie „aufgeweckt“, können sie Nervenbahnen befallen und Schmerzen verursachen.

Typischer Gürtelrose-Nervenschmerz

Die Schmerzen, die Bender beschreibt, rühren von den Nerven. „Ein typischer Nervenschmerz fühlt sich an wie Nadel- oder Messerstiche“, erklärt Expertin Schneider. Auch ein Brennen oder Kribbeln wird oft beschrieben. Die betroffene Hautstelle ist mitunter so empfindlich, dass man sie kaum noch berühren kann. Oft tritt eine solche Überempfindlichkeit schon auf, bevor sich ein Ausschlag zeigt. Und während die Bläschen meist binnen zwei bis vier Wochen abheilen, können die Nervenschmerzen monate- bis jahrelang bestehen bleiben. Dauern sie länger als drei Monate an, spricht man von einer Post-Zoster-Neuralgie. Wie viele Menschen betroffen sind, ist schwer zu sagen, manchen Studien zufolge sind es bis zu 20 Prozent. Klar ist: Je älter Gürtelrosepatientin oder -patient, desto eher entwickelt sie oder er eine Post-Zoster-Neuralgie.

Frühe Diagnose ist wichtig

Das Wichtigste sei, die Gürtelrose so früh wie möglich als solche zu erkennen und zu behandeln, sagt Schneider. Sie empfiehlt, Auffälligkeiten an der Haut mit einer Ärztin oder einem Arzt zu besprechen. Das müsse nicht unbedingt eine Dermatologin oder ein Dermatologe sein, auch Fachpersonal anderer medizinischer Richtungen könnte oft weiterhelfen. In den letzten Jahren habe sich hier einiges getan, bestätigt Dr. Christian Hierl vom Krankenhaus Barmherzige Brüder in Regensburg. Jährlich werden hier 20 bis 30 Post-Zoster-Patientinnen und -Patienten behandelt. „Aber es werden tendenziell weniger“, sagt der Leiter der Schmerztherapie. Einen Grund vermutet er in der verbesserten Versorgung. „Die jüngeren Ärztinnen und Ärzte kennen sich recht gut mit der Therapie aus. Und komplizierte Fälle schicken sie frühzeitig zu uns in die Schmerztherapie“, so Hierl.

Verschiedene Therapiemöglichkeiten

Es gibt verschiedene Möglichkeiten, die Schmerzen zu bekämpfen. „Am besten beginnt man schon während der Gürtelroseerkrankung“, sagt Expertin Schneider. Denn sind Nervenschmerzen erst einmal da, sind sie oft hartnäckig und schwer zu behandeln. Um den Charakter des Schmerzes zu erfassen, müssen Erkrankte bei ihr zunächst einen Fragebogen ausfüllen.

Eva Benders Schmerzen wurden zunächst nicht ernst genommen: „Die Ärzte sagten: ‚Das wird schon wieder, haben Sie Geduld.‘“ Manchmal wurde ihr sogar das Gefühl vermittelt, zu übertreiben. Es fiel ihr schwer, den Alltag zu meistern. „Die ständigen Schmerzen machen mürbe und kraftlos“, erzählt sie. Nach mehreren berufsbedingten Umzügen verschrieb ein Hausarzt ihr ein Antiepileptikum. Das wollte sie nicht nehmen. Denn: „Es hatte einen furchterregenden Beipackzettel“, erinnert sie sich. Stattdessen ließ sie sich in die Schmerztherapie überweisen – und landete bei Sabine Schneider: „Das war mein großes Glück.“

„Viele Patienten sind irritiert, wenn sie Medikamente verschrieben bekommen, die eigentlich gegen Epilepsie oder Depressionen eingesetzt werden“, weiß Schneider. Doch auch bei diesen Krankheiten müssen die Nerven adressiert werden. Die Wirkstoffe hemmen die Reizweiterleitung oder sorgen dafür, dass bestimmte Botenstoffe häufiger vorhanden sind. Dadurch dämmen die Mittel den Schmerz ein, können allerdings Nebenwirkungen wie Müdigkeit, Schwindel und Verwirrung hervorrufen. „Ich bin froh, dass es Möglichkeiten gibt, nur die betroffenen Stellen zu behandeln“, sagt Schneider.

Capsaicin: Wie der Stoff aus der Chillischote Schmerzen lindert

Da Benders Haut gut verheilt war, verschrieb Schneider ihr ein Schmerzpflaster mit Lidocain. „Das war wie eine Erlösung: Zum ersten Mal ging der Schmerz zurück“, berichtet die Patientin. Schmerzfrei war sie allerdings noch nicht, weshalb ihr Bein zusätzlich mit Capsaicin behandelt wurde. Das ist der Stoff, der Chilischoten scharf macht. Er wird, in ein Pflaster eingearbeitet, auf die Haut geklebt. Die Behandlung dauert etwa eine Stunde. „Es fühlt sich an, als hätte man eine heiße Bratpfanne auf dem Oberschenkel“, erzählt Eva Bender.

Capsaicin bindet an spezielle Andockstellen auf der Haut und löst in den darunterliegenden Nerven einen Hitze- beziehungsweise Schmerzreiz aus. Man hat also ein doppeltes Signal. Wiederholt man das Prozedere, werden die anvisierten Nervenenden unempfindlicher – nicht nur gegen Capsaicin, sondern auch gegen andere Schmerzreize. Anfangs brauchte Bender zwei- bis dreimal im Jahr ein solches Pflaster, später nur noch einmal – und irgendwann gar nicht mehr.

Wann kommt Capsaicin zum Einsatz?

Capsaicin wird gegen verschiedene Schmerzformen und Durchblutungsstörungen eingesetzt. In manchen Pflastern ist der scharfe Wirkstoff so hochkonzentriert, dass man sie nicht selbst aufkleben darf, sondern dafür in eine Praxis oder eine Klinik muss.

Heute ist sie weitestgehend schmerzfrei. Nur wenn sie viel Stress hat, sind die Schmerzen wieder da. „Dann versuche ich, den Stress zu reduzieren“, sagt sie. Grundsätzlich achtet sie mehr auf die Signale ihres Körpers: „Und wenn ich etwas nicht deuten kann, gehe ich frühzeitig zum Arzt.“

Zum Glück gibt es eine wirksame Impfung gegen Gürtelrose. Die Ständige Impfkommission empfiehlt sie allen ab 60 Jahren. Wer Grunderkrankungen oder ein schwaches Immunsystem hat, sollte sich schon früher impfen lassen. Da man im Lauf des Lebens mehrfach erkranken kann, lohne sich das auch nach einer durchgemachten Gürtelrose, so Schneider: „Sobald die Haut abgeheilt ist, kann geimpft werden.“

*Name von der Redaktion geändert


Quellen:

  • Gross G E, AWMF: Diagnostik und Therapie des Zoster und der Postzosterneuralgie, S2k-Leitlinie. Leitlinie: 2019. Online: https://register.awmf.org/... (Abgerufen am 14.12.2023)

  • Curran D, Schmidt-Ott R, Schutter U et al.: Impact of herpes zoster and postherpetic neuralgia on the quality of life of Germans aged 50 or above. In: BMC Infectious Diseases 03.10.2018, 18: 1-11
  • Gauthier A, Breuer J, Carrington D et al. : Epidemiology and cost of herpes zoster and post-herpetic neuralgia in the United Kingdom. In: Epidemiology & Infection 09.05.2008, 137: 38-47
  • Derry S, Rice A, Cole P et al. : Topical capsaicin (high concentration) for chronic neuropathic pain in adults. In: Cochrane Database of Systematic Reviews 13.01.2017, 1: 1
  • Robert Koch-Institut : Wissenschaftliche Begründung der STIKO zur Empfehlung einer Impfung mit dem Herpes zoster-subunit-Totimpfstoff. Leitlinie: 2018. Epidemiologisches Bulletin: https://www.rki.de/... (Abgerufen am 14.12.2023)

  • Robert Koch-Institut: Gürtelrose (Herpes zoster), Antworten auf häufig gestellte Fragen zu Erkrankung und Impfung. Online: https://www.rki.de/... (Abgerufen am 14.12.2023)