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Vor zwei Wochen gehörte ich noch zu den Corona-Zweiflern. "Das wird schon nicht so schlimm werden", dachte ich mir. Die ganze Panikmache ging mir gewaltig auf den Keks. Meine Mutter machte mich kirre mit ihren Ratschlägen, Vorräte anzulegen und mich auf den Shutdown vorzubereiten. Am meisten sorgte sie sich um ihre drei Enkel, vor allem um Konstantin (10). Seit Ende Juli 2019 hat er Diabetes Typ 1.

Ich bin Journalistin und habe mich natürlich informiert, wer zu den Risikogruppen gehört: Menschen mit Vorerkrankungen oder chronischen Leiden. Diabetes Typ 1 zählt ja wohl zu den chronischen Krankheiten… Doch nirgends war die Rede von Kindern mit Typ 1. Das beruhigte mich.

Dann schwappte die Corona-Welle nach Sachsen über, wo wir wohnen. Plötzlich sprach unser Kultusminister Christian Piwarz von der Aussetzung der Schulpflicht. Komplette Kita- und Schulschließungen waren somit nur eine Frage von Tagen. Konstantin und sein großer Bruder Julius (15) freuten sich wie Bolle, sahen sie sich doch schon den ganzen Tag im Pyjama Fortnite zocken. Ich überlegte währenddessen fieberhaft, wie das alles funktionieren sollte. Ich bin zwar Freiberuflerin, aber Termine hat man ja trotzdem. Mein Mann war zu diesem Zeitpunkt schon drei Tage mit unserer Jüngsten, der zweijährigen Mathilda, daheim, die mit einem üblen Husten kämpfte. Auf Corona wollte sie kein Arzt testen, denn wir waren in keinem Risikogebiet im Urlaub und hatten vermutlich auch zu keinem Infizierten Kontakt.

Isabelle Fabian lebt mit ihrem Mann und ihren drei Kindern in Sachsen

Isabelle Fabian lebt mit ihrem Mann und ihren drei Kindern in Sachsen

Als sich meine Corona-Zweifel aufgrund der aktuellen Nachrichten also langsam auflösten und allmählich klar wurde, dass es wohl doch nicht so glimpflich abgehen würde, wurde Konstantin krank. Pünktlich zum Wochenende. Der erste fieberhafte Infekt seit der Diabetes-Diagnose. Mist! Matt, blass und wie ein Schluck Wasser in der Kurve lag er da, wollte nichts essen und einfach nur schlafen. Ich hatte im Vorfeld von massivem Überzucker bei Infekten gelesen und ganz schön Respekt davor gehabt. Konstantins Werte waren aber eher zu niedrig als zu hoch. Dann kam zum Fieber auch noch Husten hinzu: Influenza- oder doch Covid-19-Symptome? Ich wollte keine Panik machen, aber ein bisschen mulmig war mir schon. Vor dem Diabetes-Hintergrund rief ich in der Uniklinik in Dresden an, direkt auf der Kinderstation. Die Nummer hatte ich für Notfälle bekommen – für mich war das einer.

Also schilderte ich einer Krankenschwester Konstantins Symptome und fragte nach, ob man ihn auf das neuartige Coronavirus testen könne. Die Schwester riet mir eher davon ab, meinte, ich solle mir genau überlegen, ob ich mich mit anderen in eine Reihe stellen will, die sich in der Corona-Ambulanz testen lassen. Klar, damit würde ich eine Ansteckung, sofern noch nicht erfolgt, riskieren. Falls sich Konstantins Zustand verschlimmern sollte, sollten wir aber selbstverständlich in die Klinik kommen. Ansonsten viel trinken, Fieber senken, es sei sicher nur ein Infekt.

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Den Hinweis, Ketone zu messen und Konstantin unbedingt etwas zu essen anzubieten, nahm ich wohl nicht so richtig wahr. Ich dachte bis dato, Ketone würden nur bei Insulinmangel entstehen, also Überzucker, und den hatte Konstantin nicht. So verging das Wochenende mit Fiebermessen und Co. Als wir gegen 22:30 Uhr ins Bett gingen, musste ich plötzlich wieder an die Ketone denken, die wir nicht gemessen hatten…

Ich versuchte es mit verschiedenen Suchanfragen im Netz. Endlich wurde ich fündig und saß schlagartig aufrecht im Bett: Wenn man nichts isst, bildet der Körper auch Ketone, Hunger-Ketone. Auch dieser Zustand kann zu einer Ketoazidose, einer schweren Stoffwechselentgleisung mit Koma, führen. Konstantin hatte den ganzen Tag gehungert … Mit Herzrasen weckte ich meinen Mann. Der war extrem genervt, weil müde, half mir aber dann trotzdem, bei Konstantin Ketone zu messen. Das Ergebnis erschreckte uns beide: 1,7 mmol/l – eine angehende Ketoazidose. Ich blätterte wie wild in den Schulungsunterlagen, wusste aber nicht wirklich, was zu tun ist. Wenn der Zuckerwert passt, kann man doch nicht mit Insulin korrigieren, um die Ketone zu verringern???

Also rief ich zum zweiten Mal an diesem Tag in der Uniklinik an. Wir sollten ihm etwas zu essen geben oder Saft und schauen, wie sich der Zucker und die Ketone entwickeln. Mein Mann übernahm das: Alle zwei Stunden weckte er Konstantin, gab ihm Saft, kontrollierte den Blutzucker und die Ketone. Am Sonntagmorgen lag Konstantin dann bei 0,8 mmol/l Ketonen im Blut. Puhhh, was für eine Erleichterung. Und das Fieber war auch etwas gesunken. Wir überredeten Konstantin, etwas zu essen, um die Hunger-Ketone noch weiter herunterzudrücken. Am Abend war alles wieder schick, null Ketone und nur noch erhöhte Temperatur. Dafür ging der Zucker nun hoch. Na, toll. Aber da konnten wir ja gegensteuern mit Insulin.

Eine knappe Woche haben wir uns nun so "durchgewurschtelt". Der Blutzucker fährt Achterbahn, und der Husten ist geblieben, sowohl bei Konstantin als auch bei Mathilda. Bei den besorgniserregenden News und der rasanten Zunahme an Corona-Fällen habe ich heute früh nun doch noch mal beim Kinderarzt angerufen und um einen Termin gebeten.

Das Ergebnis: Bei beiden Kindern ist die Lunge frei, was sehr beruhigend ist. Dennoch hört man ja in diesen Tagen auch immer wieder von "milden" oder "asymptomatischen" Verläufen bei Corona-Infizierten. Also fragte ich die Ärztin direkt, ob sie meine Kinder nicht testen oder uns zumindest zu einem Test überweisen könne. Sie ging zwar von der Influenza aus, hätte es aber gemacht, wenn die Labore nicht jetzt schon völlig überlastet wären. Außerdem würde Konstantin (laut Wissensstand heute) nicht wirklich zur Risikogruppe gehören, da seien etwa Kinder mit Asthma gefährdeter. Das leuchtet ein. Interessant fand ich die Meinung der Ärztin, dass eine Infektion mit Corona immerhin zu einer Immunität führt.

Nur rein hypothetisch: Hätten Konstantin und Mathilda doch das Coronavirus, dann könnten wir das auch später noch herausfinden, mit einem Antikörper-Test. Später mal, wenn die Pandemie überstanden ist und die Labore nicht mehr überlastet sind. Jetzt weiß ich nicht, was ich mir wünschen soll: Dass wir schon mit SARS-CoV-2 infiziert und auf dem Wege der Immunisierung sind? Oder dass es doch "bloß" die Influenza war?!

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