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Der Augenblick, wenn die Schokolade langsam im Mund zerfließt: In der Lebensmittelforschung nennt man ihn „Blisspoint“. Das ist der Moment, in dem ein ­Produkt die stärksten Glücksgefühle auslöst. Essen und Gefühle sind immer eng miteinander verknüpft. Wir essen, um zu genießen, die Gemeinschaft mit anderen zu zelebrieren, manchmal aber auch aus Langeweile, weil wir traurig oder gestresst sind. Ist ja auch naheliegend. „Essen ist meist leicht verfügbar, ­reguliert die Stimmung und hat eine belohnende Wirkung“, so Prof. Bernhard Kulzer, Psychologe mit Schwerpunkt Diabetes in der Diabetes-Klinik in Bad Mergentheim.

Vermeiden Sie unkontrollierte Essanfälle

Auf Gefühle mit Essen zu reagieren, wird aus Sicht des Experten erst dann zum Problem, wenn wir außer Essen über wenige andere Strategien verfügen, um unsere Gefühle zu regulieren. Übergewicht sei dann eine häufige Begleiterscheinung dieses gestörten, emotionalen Essverhaltens, so der Psychologe. „Menschen mit emotionalem Essverhalten essen häufig insgesamt zu viel, Mahlzeiten sind ungeplant, unkontrollierte Essanfälle wechseln sich mit langen Nahrungspausen ab.“ Die Folge sind starke Blutzuckerschwankungen. „Für die Diabetestherapie ist das ein Problem. Ein ständig schwankender Blutzucker lässt sich sehr schlecht medikamentös einstellen“, sagt Kulzer.

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Die gute Nachricht: Wir können unsere Reaktionen auf Gefühle
verändern. Sodass wir weniger ­anfällig dafür sind, beim nächsten Anflug von Langeweile, Traurigkeit oder Stress gleich zu Schokolade, Chips oder Kuchen zu greifen. Doch diese Umstellung braucht Zeit und Geduld. Die folgenden Strategien helfen, emotionales Essverhalten in den Griff zu bekommen.

Seien Sie nachsichtig mit sich

Erst kommt der Schokoriegel, dann das schlechte Gewissen? Selbstvorwürfe, weil Sie nicht widerstehen konnten, sind genau das, was Sie jetzt nicht brauchen. Sie sind ein idealer Nährboden für unangenehme Gefühle, die wir dann mit dem nächsten Schokoriegel wegfuttern. Etwas zu essen, um sich besser zu fühlen, ist ein sehr menschliches Verhalten und hat nichts mit mangelndem Willen zu tun. Verurteilen Sie sich nicht. Seien Sie nachsichtig mit sich: Emotionales Essverhalten hat sich über Jahre hinweg entwickelt, es braucht Zeit, um andere Strategien zu entwickeln, um mit Gefühlen besser umzugehen.

Beobachten Sie genau

Was könnten die Auslöser für emotionales Essen bei Ihnen sein? ­„Diesen auf die Spur zu kommen, ist enorm wichtig“, sagt Bernhard Kulzer. „Das ist die Grundlage, um im nächsten Schritt zu überlegen, wie Sie in ähnlichen Gefühlslagen künftig anders reagieren könnten.“ Folgende Fragen helfen bei der ­Suche nach den Auslösern: Wie war mein Tag? Wie habe ich mich vor dem Essen gefühlt? Wann genau hat sich das starke Verlangen nach Essen entwickelt?

Essen Sie regelmäßig

Am besten zwei bis drei Hauptmahlzeiten am Tag. Regelmäßige Mahlzeiten helfen nicht nur dabei, den Blutzucker in Balance zu halten, sondern auch, das Gewicht zu stabilisieren, Heißhunger vorzubeugen und das Verlangen nach Snacks zu mildern.

Halten Sie Gefühle aus

Sie haben unbändige Lust auf Schokolade. Doch weder Ihr Blutzucker noch die Vernunft halten dies für eine gute Idee. „Versuchen Sie, das Gefühl auszuhalten“, rät Bernhard Kulzer. „Am Anfang, kurz vor einer Essattacke, lässt sich emotionales Essverhalten am leichtesten stoppen“, so der Psychologe weiter.

Vielleicht hilft Ihnen folgendes Bild: Stellen Sie sich Ihr Verlangen nach Essen wie eine Welle vor. Sie baut sich langsam auf, wird immer größer und ebbt wieder ab. Das Verlangen wird nachlassen. Probieren Sie es aus. Und: Sorgen Sie dafür, dass Süßigkeiten und Snacks möglichst nicht in Reichweite sind. „Je größer die Hürden sind, um an diese Lebensmittel heranzukommen, desto leichter fällt uns der Verzicht“, so Kulzers Erfahrung.

Achten Sie auf Gemeinschaft

Emotionale Esser essen oft alleine und nebenbei, hat Bernhard Kulzer beobachtet. „Nehmen wir den traditionellen Abendbrottisch in der Familie: Da geht es nicht nur darum, die Energiespeicher aufzufüllen. Es lässt uns auch einander sozial verbunden fühlen, und es schützt vor emotionalem Essen.“ Gemeinsame Mahlzeiten setzen eine gewisse Planung und Vorbereitung voraus. Es wäre doch schade, wenn wir kurz vor dem gemeinsamen Essen mit der Familie unseren Appetit ­ruinieren, weil wir wahllos Süßkram in uns hineinstopfen.

Suchen Sie nach Alternativen

Jetzt Lust auf Pommes? Mal ehrlich: Stattdessen eine Karotte zu knabbern, klingt nicht wirklich verlockend. Sie sollten also nach Alternativen Ausschau halten, die Ihnen dabei helfen, emotionales Essen zu vermeiden. Suchen Sie auch bewusst nach solchen, die gar nichts mit Essen zu tun haben und die zu Ihnen passen. Bernhard Kulzer empfiehlt Sport, denn: „Bewegung reduziert nachweislich Stresshormone — und Stress ist ein häufiger Auslöser für emotionales Essverhalten.“

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