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Vor dem Zubettgehen war der Blutzucker noch in Ordnung – und morgens sind sie plötzlich zu hoch, ohne etwas gegessen zu haben. Dieses Problem dürfte vielen Menschen mit Typ-1- oder Typ-2-Diabetes bekannt vorkommen.

Ungünstige Essgewohnheiten am Abend, ein nächtlicher Insulinmangel oder eine Unterzuckerung: Erhöhte Nüchtern-Blutzuckerwerte haben meist erklärliche Ursachen. Es lohnt sich, gemeinsam mit dem Arzt oder der Ärztin genauer nachzuforschen. Denn ist erst einmal die Ursache bekannt, gibt es neben einer Anpassung Ihrer Diabetes-Therapie auch einige Dinge, die Sie selbst in die Hand nehmen können.

Nüchtern-Blutzucker: Wann sind die Werte zu hoch?

Nüchtern sollte der Blutzucker bei einem gut eingestellten Diabetes zwischen 80 und 130 mg/dl liegen. Ihren individuellen Zielbereich besprechen Sie bitte mit Ihrem Arzt/Ärztin. Weichen die Werte regelmäßig davon ab, sollten Sie mit Ihrem Arzt/Ärztin besprechen, was dahinterstecken könnte und wie Sie Ihre Therapie anpassen können.

1. Zu frühes oder zu spätes Abendessen

Die Ernährung am Vorabend beeinflusst den Blutzuckerverlauf in der Nacht maßgeblich. Bei zu hohen Nüchternwerten ist es daher ratsam, zunächst auf den Zeitpunkt des Abendessens zu schauen. Findet dies zu früh statt, könnte es nachts zu einer Unterzuckerung kommen. Die Blutzuckerwerte steigen dann im Schlaf, weil die Leber vermehrt Glukose ausschüttet. Wenn die Mahlzeit sehr spät stattfindet, kann es dazu führen, dass die Zuckerwerte erst verzögert nachts im Schlaf ansteigen. Dies ist insbesondere bei einer sehr fett- und proteinreichen Mahlzeit der Fall.

Das hilft: „Hier gilt es vor allem, auszuprobieren“, sagt Dr. med. Roman Iakoubov, Oberarzt für Innere Medizin, Endokrinologie und Diabetologie am Klinikum rechts der Isar der Technischen Universität München. Welcher Zeitpunkt am günstigsten für den Nüchternblutzucker ist, könne sehr individuell sein. Wichtig sei auch, was auf dem Teller landet. Die Mahlzeit sollte möglichst fettarm sein und gesunde Proteine sowie eine kleine Portion vollwertiger Kohlenhydrate enthalten. Zum Beispiel eine großzügige Portion mediterranes Gemüse mit Olivenöl, ein bis zwei Kartoffeln und eine gegrillte Hähnchenbrust. Besonders, wenn die Mahlzeit doch mal üppiger ausfällt, könne es sich lohnen, einen kurzen Spaziergang zu machen. „Das trägt nicht nur zu einem erhöhten Glukoseverbrauch in den Muskeln bei, sondern kann auch die Insulinempfindlichkeit verbessern“, erklärt Dr. Iakoubov.

2. Zu wenig Insulin oder ungeeignete Medikamente

Eine zu niedrige Dosierung des Basalinsulins oder der blutzuckersenkenden Medikamente kann dazu führen, dass der Blutzuckerspiegel nachts ansteigt.

Das hilft: „Bei Menschen mit Typ-2-Diabetes deuten hohe Nüchternwerte oft auf einen nächtlichen Insulinmangel hin“, erklärt Iakoubov. Sie sollten mit ihrer Ärztin oder ihrem Arzt besprechen, welche Medikamente entgegenwirken und ob blutzuckersenkende Arzneimittel wie Metformin ausreichen. Wenn sich die Werte nicht verbessern, könnte möglicherweise Insulin erforderlich sein. Menschen mit Typ-1-Diabetes benötigen immer Insulin. „In diesem Fall könnte es sein, dass die aktuelle Dosis nicht (mehr) ausreicht“, sagt Oberarzt Iakoubov.

Blutproben

Laborwerte: Blutzucker (Glukose)

Die Bestimmung des Blutzuckerwerts hilft, eine Zuckerkrankheit (Diabetes mellitus) zu erkennen. Diabetes-Patienten und ihre Ärzte können anhand der regelmäßigen Glukose-Messung überprüfen, wie erfolgreich ihre Therapie ist zum Artikel

3. Nächtliche Unterzuckerungen

Wir bereits erwähnt, kann auch eine nächtliche Unterzuckerung zu hohen Nüchternwerten am Morgen führen. Ein möglicher Grund hierfür könnte auch eine zu hohe Dosis Insulin sein. Zum Beispiel, weil man abends noch Sport getrieben hat oder das Abendessen sehr kohlenhydratarm ausgefallen ist.

Das hilft: Besprechen Sie mit Ihrem Arzt oder Ihrer Ärztin, ob und wie Sie Ihre Insulindosis anpassen müssen. „Es kann aber auch notwendig sein, auf ein anderes Insulin umzusteigen“, sagt Dr. med. Tanja Bergmann, Oberärztin der Endokrinologie am Universitätsklinikum Erlangen. „Vor allem NPH-Insulin führt einige Stunden nach der Injektion zu Spitzenwerten des Insulinspiegels im Blut. Dies kann nachts zu einer Unterzuckerung führen“, erklärt die Expertin. Eine Möglichkeit für Menschen mit Typ-2-Diabetes wäre es, so Dr. Bergmann, das Langzeitinsulin später am Abend zu spritzen, etwa gegen 23 Uhr. Dadurch fällt die Hauptwirkung nicht in die sehr insulinsensitive Zeit gegen 24 Uhr. Eine andere Option wären länger wirkende Analog-Insuline. Menschen mit Typ-1-Diabetes könnte auch der Umstieg auf eine Insulinpumpe helfen. Diese lässt sich individuell programmieren und gibt so genau zur richtigen Zeit die passende Menge an Insulin ab.

Brauchen Sie einen Morgengupf?

Bei einigen Menschen, vor allem mit Typ-2-Diabetes, ist der Nüchternwert im Bett noch normal, doch kaum stehen sie auf, steigt der Blutzucker an. Der Grund für dieses Phänomen sind zuckererhöhende Hormone. „Hier könnte ein Morgengupf helfen“, sagt Endokrinologin Dr. Bergmann. Dabei handelt es sich um eine kleine Dosis (ein bis zwei Einheiten) schnell wirkendes Insulin, die Sie direkt nach dem Aufwachen spritzen.

Besprechen Sie vorab mit Ihrem Arzt oder Ihrer Ärztin, ob dies für Sie infrage kommt. Bei Typ-1-Diabetes tritt der Anstieg des Blutzuckerspiegels in der Regel bereits früher auf (siehe Dawn-Phänomen). „Hier korrigiert man eher die bereits schon erhöhten Werte“, so Dr. Bergmann.

4. Das Dawn-Phänomen

Der Körper schüttet ab 4 Uhr morgens verstärkt Cortisol aus. Das Stresshormon hemmt die Insulinwirkung. Vor allem bei Menschen mit Typ-1-Diabetes kann es dadurch zu hohen Blutzuckerwerten in den frühen Morgenstunden kommen. Bezeichnet wird das als Dawn-Phänomen („Dawn“ ist Englisch und heißt „Morgenröte“).

Das hilft: „Hier muss man ganz individuell mit dem Arzt oder der Ärztin schauen, welche Therapie am besten geeignet ist“, sagt Dr. Bergmann. Denn es gibt verschiedene Möglichkeiten, das Dawn-Phänomen zu vermeiden. „Menschen mit Typ-2-Diabetes, die ein NPH-Verzögerungsinsulin verwenden, können dieses zum Beispiel erst spät spritzen, etwa gegen 23 Uhr“, empfiehlt Dr. Bergmann. Dadurch fällt die Hauptwirkung in eine Phase mit geringerer Insulinempfindlichkeit. Auch der Umstieg auf ein lang wirksames Insulin kann hilfreich sein. Wer seinen Diabetes mit Tabletten behandelt, könnte von einer Änderung der Dosis oder des Einnahmezeitpunkts profitieren. „Für Menschen mit Diabetes Typ 1 sollte man auch eine Pumpentherapie in Erwägung ziehen“, so Bergmann. Sie lässt sich so programmieren, dass sie zu den Morgenstunden mehr Insulin abgibt.

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5. Andere Medikamente

Es gibt Arzneimittel, die einen negativen Einfluss auf die Insulinempfindlichkeit haben. Dadurch kann auch der Nüchternblutzucker höher ausfallen. „Vor allem bei der Einnahme von Kortison kann es passieren, dass die Blutzuckerwerte deutlich ansteigen“, sagt Dr. Iakoubov. Auch Medikamente zur Behandlung psychischer Erkrankungen wie Antidepressiva oder Immuntherapeutika im Rahmen einer Krebstherapie können sich negativ auf die morgendlichen Blutzuckerwerte auswirken.

Das hilft: Hier muss jeweils mit dem Arzt oder der Ärztin genau abgewogen werden, was sinnvoller ist: die Dosis des Medikamentes zu senken oder die Diabetestherapie anzupassen. „Bei Kortison könnte es sich lohnen, auf ein anderes Präparat umzusteigen“, sagt Dr. Iakoubov. Wichtig: Setzen Sie das Mittel auf keinen Fall ohne Absprache selbst ab! Ihr Apotheker oder Ihre Apothekerin kann ebenfalls überprüfen, ob die Medikamente, die Sie wegen anderer Erkrankungen einnehmen, sich auf Ihren Blutzuckerspiegel auswirken könnten.

6. Krankheiten und Stress

Sie haben aktuell eine Erkältung? Auch ein Infekt kann den Blutzucker in die Höhe treiben. Das liegt an den Stresshormonen, die während eines Infekts im Körper freigesetzt werden und die die Wirkung von Insulin hemmen.

Das hilft: Eventuell müssen Sie bei einem akuten Infekt Ihre Diabetes-Behandlung anpassen. Klären Sie dies in Ihrer Arztpraxis. „Eine langfristige Änderung der Therapie ist in der Regel nicht notwendig“, erklärt Dr. Bergmann. „Ist die Krankheit überstanden, pendelt sich der Blutzucker meistens wieder in den üblichen Bereich ein.“ Die Endokrinologin empfiehlt aber, bei Infekten noch mehr auf eine ausreichende Trinkmenge zu achten. „Flüssigkeit kann durch einen Verdünnungseffekt zusätzlich helfen, die Werte zu senken“, sagt sie.

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Ursachenforschung: Nachts messen

Wer morgens wiederholt erhöhte Werte hat, sollte diese nachts messen. „Am bequemsten geht das mit einem Diabetes-Sensor“, sagt Diabetologe Iakoubov. Durch die kontinuierlichen Messungen des Sensors bekommt der Arzt oder die Ärztin ein Gesamtbild davon, wie sich die Werte über die Nacht entwickelt haben.

Sind die Werte um zwei Uhr zu hoch, könnte möglicherweise eine zu späte Mahlzeit oder falsche Medikamentendosis dahinterstecken. Sind sie um diese Zeit dagegen eher im niedrigen Bereich und steigen erst frühmorgen an, könnte eine nächtliche Unterzuckerung oder das Dawn-Phänomen dahinterstecken.

„Hilfreich ist auch ein Ernährungsprotokoll“, ergänzt Bergmann. Hier sieht der Arzt oder die Ärztin, ob es am Abend zuvor Besonderheiten gab, die einen Einfluss auf die erhöhten Werte am Morgen haben könnten.


Quellen:

  • Carroll M , Schade D: The dawn phenomenon revisited: implications for diabetes therapy. National Library of Medicine: https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/... (Abgerufen am 26.03.2024)
  • Garaulet M, Lopez-Minguez J, S Dashti H et al.: Interplay of Dinner Timing and MTNR1B Type 2 Diabetes Risk Variant on Glucose Tolerance and Insulin Secretion: A Randomized Crossover Trial. National Library of Medicine: https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/... (Abgerufen am 26.03.2024)
  • Bolli G, Fanelli C, De Feo P et al.: Nocturnal blood glucose control in type I diabetes mellitus. National Library of Medicine : https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/... (Abgerufen am 26.03.2024)
  • Nakamura K, Tajiri E , Hatamoto Y: Eating Dinner Early Improves 24-h Blood Glucose Levels and Boosts Lipid Metabolism after Breakfast the Next Day: A Randomized Cross-Over Trial. National Library of Medicine: https://www.ncbi.nlm.nih.gov/... (Abgerufen am 26.03.2024)
  • Joseph J, Golden S: Cortisol dysregulation: the bidirectional link between stress, depression, and type 2 diabetes mellitus. National Library of Medicine: https://www.ncbi.nlm.nih.gov/... (Abgerufen am 26.03.2024)

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