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Die Einsicht kam spät, wie so oft in der Politik. Rund 490 Medikamente sind in Deutschland aktuell knapp. So steht es in der Engpassliste, die das Bundesinstitut für Arzneimittel- und Medizinprodukte führt. Über viele Jahre haben die Parteien das Problem nicht wirklich ernst genommen - erst die Pandemie brachte die Wende. Jetzt hat der Bundestag ein Gesetz gegen Lieferengpässe beschlossen. Doch das wird allenfalls punktuell Verbesserungen bringen.

Besonders dramatisch war die Lage zuletzt bei Kinderarzneimitteln. So mussten sich Eltern in Apotheken vielfach durchfragen, um an Fiebersaft zu kommen. Genau das hat Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) öffentlichkeitswirksam ins Zentrum seiner Reform gerückt. Tatsächlich setzt die Ampel in diesem Teilbereich an den richtigen Stellschrauben an: Preisregeln werden gelockert und Rabattverträge abgeschafft, über die Krankenkassen aktuell immer nur den günstigsten Herstellern den Zuschlag für die Versorgung erteilen. So wird die Produktion von Kindermedikamenten wieder attraktiver für die Industrie.

Mehr Produktion in Europa

Verbesserungen sind auch für Antibiotika in Sicht. Bei Rabattverträgen für diese Wirkstoffe sollen in Zukunft verpflichtend Unternehmen mit Produktion in Europa zum Zuge kommen. Das soll die Abhängigkeit von Asien bei der Arzneimittelherstellung reduzieren.

Hauptstadtkorrespondentin Stephanie Schersch

Hauptstadtkorrespondentin Stephanie Schersch

Bei vielen anderen Medikamenten allerdings bleibt das Gesetz ein stumpfes Schwert im Kampf gegen Lieferengpässe. Auch Blutdrucktabletten, Insuline, Psychopharmaka oder Krebsmedikamente sind immer wieder knapp. Zwar werden Hersteller und Klinikapotheken verpflichtet, wichtige Präparate in größeren Mengen einzulagern. Vorübergehende Engpässe sollen sie so besser abfedern können. Zudem will die Politik Preisgrenzen kurzfristig anheben, wenn zu wenige Anbieter bestimmte Medikamente produzieren. Damit würde sie dann allerdings viel zu spät auf einen drohenden Mangel reagieren.

Keine Frage, die Lage ist komplex. Den Krankenkassen fehlt Geld. Pharmahersteller rufen zugleich teilweise Mondpreise für innovative Arzneimittel auf. Doch ganz anders sieht es bei Nachahmermedikamenten, den sogenannten Generika aus. Hier wurde die Preisschraube in den zurückliegenden Jahren bereits vielfach überdreht. Im Schnitt erhalten Hersteller sechs Cent für eine Tagesdosis. So ziehen sich Unternehmen nicht selten aus Kostengründen aus der Produktion zurück.

Wir brauchen ein Konzept für alle Generika

Immerhin: Apotheken sollen auch in Zukunft einfacher auf ein Ersatzmedikament ausweichen können, wenn ein Präparat nicht lieferbar ist. Diese Regelung war in der Pandemie als Übergangslösung gedacht und wird nun dauerhaft greifen. So lässt sich vor Ort flexibler auf Lieferschwierigkeiten reagieren.

Trodzem, eine nachhaltige Strategie gegen Engpässe bringt das Gesetz nicht. Es fehlt ein Gesamtkonzept für alle Generika. Natürlich würden die Kosten der Reform damit weiter steigen. Fehlen dauerhaft lebenswichtige Medikamente, könnte uns das am Ende allerdings noch deutlich teurer zu stehen kommen. Bleibt zu hoffen, dass in der Ampel-Regierung auch diese Einsicht langsam wächst.