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Schnelle Hilfe, großer Schaden? Mehrere Apotheken in Deutschland werden verdächtigt, ein relativ teures, vom Staat bereitgestelltes Corona-Medikament illegal weiterverkauft zu haben. In Berlin laufen Ermittlungen gegen die Betreiber von sechs Apotheken, wie ein Sprecher der Staatsanwaltschaft am Montag auf Anfrage sagte. In Bayern stehen nach Behördenangaben acht Apotheken im Fokus der Ermittler. Allein in der Hauptstadt geht die Staatsanwaltschaft von einem Schaden in Höhe von drei Millionen Euro aus. Die Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA) warnte derweil davor, alle Apotheken in Deutschland unter Generalverdacht zu stellen.

Bei den Ermittlungen geht es um das Corona-Medikament Paxlovid, das im Fall einer akuten Corona-Infektion vor einem schweren Krankheitsverlauf schützen soll. Nach Angaben der Bayerischen Zentralstelle zur Bekämpfung von Betrug und Korruption im Gesundheitswesen (ZKG) in Nürnberg stellt das Bundesgesundheitsministerium das Mittel Apotheken kostenlos für Patientinnen und Patienten zur Verfügung. Es dürfe aber nicht an Dritte weiterverkauft werden, hieß es. An diese Vorgabe sollen sich die Verdächtigen nicht gehalten haben. Deshalb würden sie der Unterschlagung verdächtigt, möglich seien auch Verstöße gegen das Arzneimittelgesetz.

Bundesweite Ermittlungsverfahren gegen einzelne Apotheken

Nach Informationen von WDR, NDR und „Süddeutscher Zeitung“, die zuvor darüber berichtet hatten, erstattete das Bundesgesundheitsministerium in diesem Zusammenhang bundesweit an mehr als 25 Staatsanwaltschaften Strafanzeigen gegen Apothekerinnen und Apothekern.

Die acht Apotheken in Bayern, zu denen Ermittlungen laufen, sollen bis zu gut 2500 Packungen der Arznei geordert haben, wie ein Pressesprecher der ZKG sagte. Wie viele davon illegal weiterverkauft worden sein könnten, konnte er am Montag zunächst nicht sagen. „Über die Zahl der unterschlagenen Packungen Paxlovid kann derzeit nur spekuliert werden.“ Man sei erst am Anfang der Ermittlungen. „Es könnte in dem einen oder anderen Ermittlungsverfahren aber schon um einen Schaden in Millionenhöhe gehen“, sagte der Sprecher.

Ermittlerinnen und Ermittler hatten demnach bereits Mitte Dezember Objekte in Oberbayern, Mittelfranken, Oberfranken und der Oberpfalz durchsucht. Dabei stellten sie den Angaben zufolge zahlreiche Dokumente sicher. Für die Verdächtigen gelte die Unschuldsvermutung.

Bei der Staatsanwaltschaft Frankfurt am Main sind nach dortigen Angaben ebenfalls mehrere Ermittlungsverfahren anhängig. Es handle sich um eine „mittlere einstellige Anzahl“, in denen die Ermittlungen wegen des Verdachts von Vermögensstraftaten und des Verstoßes gegen das Arzneimittelgesetz andauern. Weitere Angaben machte die Staatsanwaltschaft aus ermittlungstaktischen Gründen nicht.

Paxlovid ins Ausland verkauft?

In Berlin sei bei Überprüfungen aufgefallen, dass sechs Apotheken ungewöhnlich viele Packungen des Medikaments geordert hatten, sagte der Sprecher der Staatsanwaltschaft. Durchsuchungen auf Antrag des Bundesgesundheitsministeriums habe es bereits im vergangenen Jahr gegeben, auch mit dem Ziel, Geschäftsunterlagen auszuwerten. „Möglicherweise ist ein großer Teil der Medikamente ins Ausland abverkauft worden“, sagte der Sprecher der Ermittlungsbehörde. Der Preis pro Packung liege im mittleren dreistelligen Bereich.

Die ABDA hat den Ermittlungsbehörden Unterstützung bei der Aufklärung der Vorwürfe zugesagt. „Klar ist, dass der Handel oder gar Export des dem Staat gehörenden Corona-Medikaments nicht zulässig ist und bei Verstößen strafrechtlich verfolgt werden kann“, erklärte ABDA-Sprecher Benjamin Rohrer. Man gehe allerdings davon aus, dass Staftaten nur in wenigen Einzelfällen vorgekommen seien. Auch die Landesapothekerverbände könnten nach einem abgeschlossenen Strafverfahren derweil berufsrechtlich gegen die betroffenen Apotheken vorgehen.

Mit deutlicher Kritik reagierte die Grünen-Gesundheitsexpertin Paula Piechotta. Sollten sich die Verdachtsfälle bestätigen, sei dies ein weiteres Beispiel dafür, wie unbürokratische Regeln im Zuge der Coronapandemie im Gesundheitssystem ausgenutzt worden seien, sagte sie. „Auch im Gesundheitswesen gilt leider: Vertrauen reicht nicht, Kontrolle muss sein.“ Das Bundesministerium für Gesundheit wollte mit Verweis auf die laufenden Ermittlungen keine Stellung zu den Vorkommnissen nehmen.

Paxlovid kann seit Ende Februar 2022 von Ärztinnen und Ärzten verordnet werden. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hatte in Kombination mit Impfungen große Hoffnungen auf das Medikament gesetzt. Es kann allerdings eine Reihe an Wechselwirkungen haben und muss bereits sehr früh während der Erkrankung eingenommen werden. Paxlovid war vom Bundesgesundheitsministerium in großer Menge eingekauft worden, allein für 2022 sollten eine Million Packungen bereitstehen, wie es damals geheißen hatte.

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