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Keine Zeit, zu viel Stress: Wir würden schon gerne, aber …

… wir müssten noch die Steuer machen, die Kinder ins Bett bringen, die Serie zu Ende schauen oder einfach nur erschöpft auf dem Sofa einschlafen. Viele Paare erleben das: Der Alltag läuft auf Hochtouren, Arbeits- und Freizeitstress bestimmen den Takt, abzuschalten fällt schwer.

Den letzten Funken Lust hat oft die Corona-Pandemie verglimmen lassen: Was vorher an Nähe fehlte, war während der Lockdowns plötzlich im Übermaß vorhanden. Darunter hat das Begehren in vielen Partnerschaften gelitten, beobachten die Münchner Paartherapeuten Birgitt Hölzel und Stefan Ruzas, selbst seit mehr als 25 Jahren miteinander verheiratet.

Fehlt es an Zeit und Lust? Nicht nur. „Intimität und Begehren brauchen Distanz“, sagt Birgitt Hölzel. „Andererseits hoffen viele Paare darauf, dass die Lust vom Himmel fällt – wie zu Beginn der Beziehung.“ Bewusst oder unbewusst erwarte man, dass sich der hormonelle Ausnahmezustand, die Vernarrtheit der ersten Wochen und Monate wieder einstellt. „Viele Paare wünschen sich den spontanen Sex zurück, den sie früher hatten“, sagt Hölzel.

Sie rät: Nicht warten, sondern Gelegenheiten schaffen, sich verabreden. Es muss nicht gleich das verlängerte Wochenende im Wellnesshotel sein. Manchmal reichen auch ein paar Stunden, in denen die Kinder außer Haus sind oder beide Partner sich freinehmen können.

Wichtig: Seien Sie ungestört. „Das ist die wichtigste Vo­raus­setzung, um ungezwungen die eigene Sexualität leben zu können“, betont Stefan Ruzas.

Und vor allem: Schaffen Sie Gelegenheit für Intimität – ohne zu hohe Erwartungen. Vielleicht reicht es Ihnen fürs Erste, in Ruhe miteinander sprechen oder nebeneinanderliegen zu können. „Manche Therapeutinnen und Therapeuten raten auch dazu, einfach mal schlechten Sex zu haben“, sagt Ruzas. „Haben Sie den Mut, unperfekt zu sein. Das nimmt den Druck.“ Und gibt zu hohen Erwartungen keine Chance.

Raus mit der Sprache: Was magst du? Was gefällt mir?

Sex ist überall. Doch eine unbelastete Sprache für ihr Begehren, ihre Wünsche und Sehnsüchte fehlt vielen Paaren. „Wir fühlen uns angreifbar beim Thema Sex und empfinden, was der Partner, die Partnerin vorbringt, schnell als Kritik oder Abwertung“, sagt Stefan Ruzas.

So wie sich unsere Lebensumstände, unsere Körper verändern, so entwickeln sich auch sexuelle Vorlieben und Wünsche in neue Richtungen. Hemmungen, darüber zu sprechen, sind normal, auch in langjährigen Beziehungen. „Umso wichtiger ist es, dieses Gespräch anzufangen, zum Beispiel, wenn die Stimmung entspannt ist“, sagt Birgitt Hölzel.

Nicht mit Kritik herausplatzen, sondern: Ich-Botschaften formulieren, um Erlaubnis fragen. Darf ich dir von einer Fantasie erzählen? Ein Vorschlag der Paartherapeutin: Schreiben Sie Ihre Wünsche auf kleine Zettel und tauschen Sie diese aus. So können beide für sich entscheiden, wann sie oder er die Botschaft liest, und hat Zeit zu reagieren.

„Gehen Sie neugierig aufeinander zu und freuen Sie sich über die Gelegenheit, die innere Landkarte des anderen immer wieder zu aktualisieren“, sagt Ruzas. „Das Navigationssystem im Auto bringen Sie ja auch auf den neuesten Stand.“

Nicht mehr so wie früher: körperliche Probleme

Zwischen 40 und 45 spüren Männer, dass sich ihre sexuelle Leistungsfähigkeit verändert. „Es dauert länger, bis sich die Erektion einstellt. Es braucht mehr Zeit für den kompletten Akt“, sagt Dr. Maher Abdin, Urologe und Androloge aus Emmendingen in Baden-Württemberg.

Männer spüren das Älterwerden, wenn auch weniger dramatisch und abrupt als Frauen. Einen Arzt sollten sie aufsuchen, wenn das Sexleben für beide Partner in den letzten drei bis sechs Monaten nicht mehr befriedigend sei, rät der Experte. Erektionsprobleme sollten auch immer ein Anlass sein, Durchblutungsstörungen und damit verbundene Erkrankungen wie Bluthochdruck oder Diabetes auszuschließen oder zu behandeln.

Medikamente, die bei erektiler Dysfunktion eingesetzt werden, helfen, die Durchblutung zu erhöhen und eine Erektion herbeizuführen. „Sie beheben jedoch nicht die Ursache“, so Abdin. Nachhaltiger sei es, den Lebensstil anzupassen: Übergewicht abzubauen, mehr Sport zu machen. „So verbessert sich häufig die Erektionsfähigkeit“, sagt der Urologe.

Bei Frauen spielt dagegen das Hormon Östrogen eine große Rolle. „Es ist wichtig für Vulva und Vagina, sorgt für gute Durchblutung und Durchfeuchtung“, sagt Dr. Roswitha Engel-Széchényi, Gynäkologin und Sexualtherapeutin aus Stuttgart. In den Wechseljahren komme es zum Östrogenmangel, die Vagina sei oft trocken, Schmerzen beim Sex sind die Folge. „Befeuchtende Cremes helfen nur kurzfristig“, so die Expertin. Sie rät zu lokalen Östrogen-Cremes und -Zäpfchen. Sprechen Sie mit Ihrer Gynäkologin oder Ihrem Gynäkologen darüber.

Libidoverlust: Willst du mich noch?

Das Verlangen nach Sex ist innerhalb einer Partnerschaft selten ganz ausgeglichen. „Libidoverlust über kurze oder längere Zeit ist normal, betrifft alle Geschlechter und Altersklassen“, sagt Sexualtherapeutin Engel-Széchényi. Schwierig sei es, wenn das Ungleichgewicht länger anhält und Unzufriedenheit entsteht.

Wer Sex möchte und ihn nicht bekommt, fühlt sich abgelehnt. „Und wer Körbe verteilt, hat Schuldgefühle, aber auch die größere Macht“, so Engel-Széchényi. Belastet das die Beziehung zunehmend und steckt vielleicht ein tiefer gehendes Problem dahinter, kann eine Sexualberatung oder -therapie helfen.

Über die Deutsche Gesellschaft für Sexualforschung finden Sie Therapeutinnen und Therapeuten:

https://dgfs.info/sexualtherapeutinnen/

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