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Ich habe Einschlafprobleme. Und zwar so richtig. Jahrelange Nachtdienste im Krankenhaus und zwei – insbesondere nachts – laute und hungrige Babys haben dafür gesorgt. Das, was bei mir wahrscheinlich auch ein Stück weit Veranlagung ist, konnte sich zu einer richtigen Schlafstörung auswachsen. Und jeder, der (Ein-)Schlafprobleme kennt, weiß: Man versucht alles, damit es besser wird.

Lavendel-Hopfen-Tee, ein Kopfkissen mit Zirbenholzspänen, Baldriantabletten, Sport, Schlaftraining. Das habe ich alles schon durch. Manches davon hilft mir gar nicht (Tee), manches nicht viel, mag ich aber (das Kopfkissen), anderes hilft wirklich (Sport, Baldrian). Meine neueste Errungenschaft ist seit einigen Monaten eine Gewichtsdecke. Auf Werbefotos sah sie dekorativ und gemütlich aus.

Woher kommt die Idee der Gewichtsdecke?

Eigentlich stammen die Gewichtsdecken aber aus einer ganz anderen Umgebung als einem kuscheligen Schlafzimmer. Sie kommen aus der Autismus- und Verhaltenstherapie. Das Prinzip, dass gleichmäßiger, deutlicher Druck auf den ganzen Körper beruhigend wirken kann, entdeckte die amerikanische Autistin Temple Grandin eher zufällig.

In den Siebzigerjahren beobachtete sie, dass Kühe in sehr engen Boxen ruhiger wurden. Daraufhin baute sie selbst eine „Hug Box“. Einen Apparat für Umarmungen, der möglichst gleichmäßigen Tiefendruck auf den Körper ausübt. Noch heute findet die Box Anwendung in der Arbeit mit autistischen Menschen.

Genau dieses Prinzip des Tiefendrucks nutzen auch die bis zu zwölf Kilogramm schweren Decken. In die Stofflagen sind kleine Kammern eingenäht, die mit Plastik-, Glas- oder Edelstahlkügelchen gefüllt sind. Alternativ ist gleich die ganze Decke aus besonders schwerem Material hergestellt. Unter dieser Decke zu liegen soll sich wie eine kräftige Umarmung anfühlen. Das Versprechen der Hersteller: Ängste lösen sich, Nutzer und Nutzerinnen der Decke schlafen schneller ein und insgesamt tiefer und erholsamer. Aber das stimmt leider nicht so ganz.

Hilft die Decke wirklich beim Einschlafen?

Eine Analyse aller durchgeführten Studien zeigte: Die Decken haben zwar wirklich einen positiven Einfluss bei Angststörungen, bei Schlafstörungen aber ist ihr Effekt nicht nachweisbar. Besonders bei Kindern sollte man zudem vorsichtig sein, denn die Decken sind wirklich schwer. Gewichtsdecken sorgen also tendenziell nicht für mehr Schlaf in den Betten von Schlaflosen.

Hat mir die Decke geholfen? Ich weiß es nicht. Denn Baldrian nehme ich trotzdem. Ich versuche weiter, wenigstens ein- oder zweimal pro Woche zum Laufen zu kommen. Und ich schüttle mir jeden Abend mein Zirbenkissen auf. So schlafe ich ganz gut ein – mit und ohne Decke.

Haben Sie sich auch schon einmal über fragwürdige Therapien gewundert?

Dann schreiben Sie mir: kritisch-hinterfragt@apotheken-umschau.de

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