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Herr Professor Dr. Andreas Stefan, warum ist Rauchen und Diabetes eine besonders schlechte Kombination?

Menschen mit Diabetes haben ohnehin schon ein großes Risiko für Herzkreislauferkrankungen, Rauchen erhöht dieses nochmal massiv. Der erhöhte Blutzuckerspiegel schädigt die Blutgefäße. Rauchen fördert die Schädigung von Arterien zusätzlich. Herzinfarkt und Schlaganfall können die Folge sein, Durchblutungsstörungen in den Beinen, Augen und Nieren. Und Studien haben gezeigt, dass Raucher doppelt so häufig einen Diabetes Typ 2 entwickeln und ein aufgetretener Diabetes sich durch Zigarettenrauch auch verschlechtert. So scheint Tabakrauch die Produktion des körpereigenen Insulins zu bremsen, was zu einem höheren Blutzuckerspiegel führt.

Professor Dr. Andreas Stefan ist Lungenfacharzt in Immenhausen und leitet die Taskforce Tabakentwöhnung der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin e.V.

Professor Dr. Andreas Stefan ist Lungenfacharzt in Immenhausen und leitet die Taskforce Tabakentwöhnung der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin e.V.

Viele Raucher fürchten, stark an Gewicht zuzulegen, wenn sie aufhören. Ein Dilemma für Menschen mit Diabetes, oder?

Natürlich sollten Menschen mit Diabetes ihr Körpergewicht möglichst auf Normalmaß bringen, weil Übergewicht ebenfalls die Risiken für Herz-Kreislauf-Erkrankungen steigert und den weiteren Verlauf der Diabeteserkrankung beeinflusst. Aber es ist absolut falsch, zu denken, die Gewichtszunahme während der Tabakentwöhnung sei schlimmer als weiter zu rauchen. Ein Rauchstopp lohnt sich immer, selbst mit ein paar Kilos mehr auf der Waage. Eine große US-amerikanische Untersuchung mit 160.000 Teilnehmenden hat gezeigt, dass das Körpergewicht etwas nach oben geht während der Tabakentwöhnung – im Schnitt um etwa drei Kilogramm – aber die Todesrate der Menschen, die es schaffen, auf die Zigaretten zu verzichten, geht runter. Sprich: Die Ex-Raucher leben länger. Im Vergleich zur Gewichtszunahme ist Rauchen also ein viel extremeres Gesundheitsproblem. Zudem muss man wissen: Raucherinnen und Raucher sind zwar manchmal schlanker, aber das Körperfett ist häufig besonders schädlich.

Warum kann das Körperfett von rauchenden Menschen problematischer sein?

Raucherinnen und Raucher wirken zwar oft schlank. Aber sie haben trotzdem mehr inneres Organfett am Bauch. Fett, das besonders problematisch ist, weil es Botenstoffe produziert, die Diabetes und Herz-Kreislauf-Erkrankungen fördern.

Statt Zigarette Schokoriegel: Für Menschen mit Diabetes ein No-Go. Wie kann man denn die Gewichtszunahme nach der Tabakentwöhnung vermeiden?

Natürlich besteht die Gefahr, dass Ex-Raucherinnen und -Raucher sich mit etwas Süßem eine Ersatzbefriedigung schaffen und zum Beispiel zum Kaffee statt der Zigarette einen Schokokeks essen. Grundsätzlich bin ich der Meinung, dass sich Menschen, die von den Zigaretten loskommen wollen, erst einmal voll und ganz darauf konzentrieren sollten. Es wird frustrierend, wenn sie auf die Zigarette verzichten müssen und dann auch noch die Schokolade durch eine Karotte ersetzen und sich auch noch mehr bewegen sollen. Um die Gewichtszunahme in Maßen zu halten, sollte man Strategien entwickeln und besonders, wenn man ein starkes Bedürfnis nach einer Zigarette verspürt, etwas anderes tun, als zu Süßigkeiten zu greifen. Das ist schwierig, ich weiß. Deshalb halte ich es für absolut empfehlenswert, sich Unterstützung zu holen. Nur rund fünf Prozent der Raucherinnen und Raucher schaffen es, ganz ohne Hilfsmittel langfristig aufzuhören.

Empfehlen Sie Nikotin-Ersatzpräparate?

Pflaster, Sprays, Inhalatoren, Kaugummis oder Tabletten mit Nikotin helfen, auf Zigaretten zu verzichten und hindern einen vielleicht daran, als Ersatz zu einem Schokoriegel zu greifen. Zum Beispiel verdoppelt die Anwendung von Nikotinmundspray plus Pflaster etwa die Chancen den Tabakkonsum langfristig erfolgreich zu beenden. Außerdem reduziert die Nikotinersatztherapie die Gewichtszunahme bei der Tabakentwöhung. Die Nikotinersatzpräparate sind ohne Rezept in Apotheken erhältlich, dort kann man sich auch umfassend beraten lassen. Ziel ist es, die Nikotinmenge schrittweise zu verringern und Entzugserscheinungen und das Verlangen nach einer Zigarette zu mindern. Gleichzeitig müssen Ex-Raucherinnen und Raucher ihr Verhalten ändern und sich Alternativen zum Rauchen überlegen. Dabei können verhaltenstherapeutische Entwöhnungsprogramme unterstützen.

In einer Gruppe gemeinsam aufzuhören ist wirksam?

Ja, verhaltenstherapeutisch orientierte Gruppentherapien mit medikamentöser Begleitung gelten als die effektivste Methode, um langfristig aufzuhören. Die Teilnehmenden analysieren, in welchen Situationen sie gewohnheitsmäßig zur Zigarette greifen und entwickeln gemeinsam Strategien, wie sie ihre Gewohnheiten ändern können. Angeboten werden die Kurse zum Beispiel von Kliniken. Die meisten Krankenkassen zahlen einen großen Anteil der Kosten.

Medikamentöse Begleitung? Pillen gegen das Rauchen?

Ja. Raucher können sich auch Arzneimittel zur Rauchentwöhnung auf Privatrezept verschreiben lassen. Sie enthalten Wirkstoffe wie Vareniclin oder Bupropion oder Cytisin. Die Behandlung sollte unbedingt unter ärztlicher Aufsicht erfolgen und die Behandlungsdauer beträgt mindestens acht Wochen. Die Medikamente sind nicht für jeden Raucher geeignet, sie können starke Nebenwirkungen haben und dürfen bei bestimmten Begleit-Erkrankungen nicht verwendet werden.

Die Medikamente müssen aber aus eigener Tasche bezahlt werden?

Derzeit leider schon noch. Künftig sollen die Kosten aber von der Krankenkasse übernommen werden. Es laufen Beratungen, welche Arzneimittel verordnet werden können und welche Bedingungen dafür vorliegen müssen.