Radfahren auf alten Bahntrassen
Von oben wirkt die Strecke wie ein gerader Strich. Auf 33 Kilometer Länge passiert sie reizvolle Buchenwälder, historische Viadukte und führt durch urige Tunnel. Wo früher eine Militäreisenbahn zockelte, sausen heute Radfahrer zwischen dem thüringischen Dingelstädt und dem hessischen Frieda an der Werra hin und her. Alte Signalanlagen, verlassene Bahnhofsgebäude: Jeder Halt entlang des Kanonenbahn-Radwegs öffnet ein Fenster in eine vergangene Welt.
Aus alt mach neu: Bahntrassen werden zu Fahrradwegen
"Für mich ist die Route total idyllisch, sie ist wie eine Allee, nur eben für Radfahrer und Spaziergänger", schwärmt Silvana Trappe aus Dingelstädt. "Durch das Kerzengerade ist sie gut einsehbar, die Augen haben Zeit zu schauen. Kein Straßenlärm stört, nur die Geräusche des Waldes, der Wiesen sind zu hören!"
Mehr als 760 Radwege mit einer Gesamtlänge von 5450 Kilometern verlaufen hierzulande auf einstigen Bahntrassen, schätzt Achim Bartoschek. Der Informatiker aus Leverkusen katalogisiert und bewertet seit 20 Jahren akribisch Strecken auf seinem Portal www.bahntrassenradeln.de. Und engagiert sich gemeinsam mit Bürgern vor Ort, isolierte und brachliegende Eisenbahnabschnitte zu Themenrouten auszubauen.
Praktische Radstrecken für Alltag und Tourismus
Alte Bahntrassen sind für Radfahrer ein Segen: Sie verbinden Ortskerne miteinander, verlaufen aber größtenteils fernab hektischer Landstraßen ohne große Steigungen. "Die Trassen haben wirklich einen besonderen Reiz. Der Brückenradweg ist schön breit und asphaltiert, von den Hochebenen hat man einen fantastischen Blick ins Fichtelgebirge", sagt Roland Schöffel, der sich als Wunsiedeler Lokalpolitiker und leidenschaftlicher E-Bike-Fahrer für ein dichtes Radwegenetz in der Region einsetzt.
Für kleinere Ortschaften sind Bahntrassenrouten die Chance, den Tourismus anzukurbeln – für größere Städte wie Braunschweig (siehe Tourenvorschlag unten), einen umweltfreundlichen Individualverkehr zu fördern. Entlang etlicher Routen gibt es gemütliche Einkehrmöglichkeiten: ein hübscher Picknickplatz, ein Museum, ein Café. Selbst mehrtägige Radreisen sind möglich.
Die Vennbahn zwischen Aachen und Troisvierges in Luxemburg etwa zählt mit ihren 125 Kilometern zu den längsten Bahntrassen-Radfernwegen Europas. Zum Ausprobieren lohnt sich zunächst eine gemütliche Tagestour – wie eine der Routen hier auf unseren Seiten.
Radtour gut vorbereiten
3 Erlebnistouren für Einsteiger:
Fichtelgebirge
Brückenradweg Bayern-Böhmen Start/Ziel: Von Wunsiedel bis Selb oder umgekehrt Länge: circa 26 km. Teil einer grenzüberschreitenden Route, die längere Variante führt von Fichtelberg bis nach Asch in Tschechien. Bustransfer für Radfahrer Charakter: Leicht hügelige, asphaltierte Route durch das Fichtelgebirge. Denkmalgeschützte Brücken. Sehenswert: Besuch des Greifvogelparks mit Falknerei in Wunsiedel, Porzellan-Museum in Selb.
Weitere Infos: E-Bike-Verleih u. a. in Wunsiedel und in Selb. Tourismuszentrale Fichtelgebirge, Tel: 092 72 / 96 90 30. www.fichtelgebirge.bayern
Von Thüringen nach Hessen
Kanonenbahn-Radweg Start/Ziel: Von Dingelstädt bis Frieda an der Werra oder umgekehrt Länge: circa 33 km
Charakter: Entlang der stillgelegten Bahnstrecke Leinefelde–Treysa führt der asphaltierte Kanonenbahn-Radweg durch fünf Tunnel und vorbei an zwei Viadukten. Bei Lengenfeld unterm Stein verläuft parallel eine Draisinenstrecke. Weitere Infos: Flyer unter www.dingelstaedt.de oder auf www.naturpark-ehw.de
Niedersachsen
Braunschweiger Ringgleis Start/Ziel: Einmal um das Zentrum der Stadt Braunschweig herum Länge: circa 22,5 km Charakter: Die Ringroute, einst Strecke einer Industriebahn, führt durch Wohn- und Gewerbegebiete und vernetzt Grünanlagen. Sie bietet Bewegungsparcours, Rastplätze und Infotafeln zur Industriegeschichte. Im Süden fährt man (noch) auf Alternativrouten. Jeder Abschnitt hat einen eigenen Charakter. Viele Anschlüsse ans Stadtzentrum. Weitere Infos: Faltblatt zum Ausdrucken unter www.braunschweig.de