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Warum ist Fasten für Muslime so wichtig?

Fasten im Ramadan ist für Muslime eine Pflicht. Wer fastet, kümmert sich um das Wohl seiner Seele. Das bringt eine angenehme innere Ruhe mit sich. Es gibt also mehrere Gründe, warum viele das Fasten nicht missen wollen.

Wem würden Sie trotzdem vom Fasten abraten?

Typ-1-Diabetikerinnen und -diabetiker können, wenn überhaupt, nur dann fasten, wenn ihr Blutzucker streng überwacht wird — empfehlen würde ich es trotzdem nicht. Und unter den Typ-2-Diabetikern gibt es einige Gruppen, die auf keinen Fall fasten sollten: schwangere Frauen zum Beispiel. Wenn eine Schwangere mit insulinpflichtigem Diabetes eine schwere Unterzuckerung bekommt, kann das auch für das Ungeborene lebensgefährlich sein. Menschen, die einen schwer einstellbaren Diabetes haben oder Unterzuckerungen nicht spüren, rate ich ebenfalls vom Fasten ab.

Johanna Karapinar ist geprüfte Diabetes-Assistentin (Zertifikat der Deutschen Diabetes Gesellschaft DDG und des Bundesverbandes der Diätassistenten VDD). Sie arbeitet in einer eigenen Praxis in Osnabrück.

Johanna Karapinar ist geprüfte Diabetes-Assistentin (Zertifikat der Deutschen Diabetes Gesellschaft DDG und des Bundesverbandes der Diätassistenten VDD). Sie arbeitet in einer eigenen Praxis in Osnabrück.

Wirkt sich das Fasten mit Diabetes überhaupt positiv auf die Gesundheit aus?

Vor allem übergewichtige Typ-2-Diabetiker können profitieren. Im Ramadan isst man weniger als sonst, und der eine oder andere nimmt dabei ab. Das Insulin wirkt besser. Dadurch entspannt sich die Stoffwechsellage. Außerdem aktiviert Fasten nachweislich die Autophagie, eine Art Recycling-Vorgang in den Zellen.

Nimmt man im Ramadan überhaupt ab? Das Fastenbrechen jeden Abend fällt ja oft üppig aus...

Das kommt auf die Umstände an. Hier in Deutschland läuft der Alltag weiter: Wir müssen zur Arbeit, die Kinder in die Schule. In diesem Jahr fällt der Ramadan in den April. Es ist also schon etwas länger hell, das Fastenbrechen eher etwas später. Das Essen sollte dann leicht sein: Günstig sind Suppen, Gemüsegerichte, Hülsenfrüchte, Rohkostsalate. Kohlenhydrate wie Brot, Reis oder Bulgur nur in geringen Mengen. Eine solche Kost belastet den Blutzucker weniger, sättigt aber gut, sodass man weniger isst und eher abnimmt — und auch besser schlafen kann.

Bei anderen Fastenformen heißt es immer: viel trinken!

Fastende im Ramadan essen und trinken tagsüber nichts. Ein Ausgleich ist aber beim Fastenbrechen nach Sonnenuntergang möglich: durch eine flüssigkeitsbetonte Kost mit Eintöpfen, Suppen, Dips, kalorienarmen Getränken und zuckerfreien Tees. Wer aber tagsüber Probleme bekommt, etwa mit dem Blutzucker, muss trinken und das Fasten brechen.

Die ungewohnten Essenszeiten wirken sich auf den Blutzucker aus. Was heißt das fürs Messen?

Messen ist ganz wichtig, auch wenn man nichts isst oder trinkt. Insbesondere bei Symptomen einer Unterzuckerung, etwa Heißhunger, Zittern, Schweißausbrüchen. Wenn der Blutzucker zu niedrig zu werden droht, muss das Fasten gebrochen werden. Bei welchen Werten das genau der Fall ist, sollte man vorher mit dem Arzt klären.

Muss man Medikamente oder Insulin jetzt anpassen?

Für die Fastenzeit muss die Therapie häufig neu eingestellt werden. Das geschieht durch den behandelnden Arzt oder das Diabetesteam.

Die meisten Ärztinnen und Ärzte in Deutschland sind keine Muslime. Wie gut funktioniert die Kommunikation zum Thema Ramadan und Fasten?

Meiner Erfahrung nach tut jeder Arzt das Beste für seine Patienten und freut sich, wenn sie gemeinsam mit ihm nach einer guten Lösung suchen — sofern das Fasten gesundheitlich machbar ist.

Wie weit im Voraus sollte man mit dem Arzt sprechen?

Am besten schon ein Vierteljahr im Voraus: Das Umstellen der Diabetestherapie für den Ramadan ist komplexer, als lediglich die Blutzuckerwerte zu kontrollieren.

Welche Vorkehrungen kann man noch treffen?

Informieren Sie die Menschen, mit denen Sie täglich zu tun haben, darüber, dass Sie Diabetes haben und fasten, damit sie im Notfall Bescheid wissen. Angehörige können zum Beratungsgespräch beim Arzt mitgehen. Außerdem ist eine Notfallkarte oder ein Diabetespass hilfreich, falls es doch mal zu einer schweren Unterzuckerung kommt. Und für unterwegs: schnell verfügbare Kohlenhydrate einpacken, etwa Saft oder Traubenzucker.

Ihr wichtigster Rat für Menschen mit Diabetes im Ramadan?

Halten Sie sich an die Anweisungen Ihres Arztes. Dann haben Sie gute Chancen, das Fasten zu meistern. Wenn der Körper signalisiert, dass ihm das Fasten nicht bekommt, lassen Sie es. Im Koran sind einige Gruppen von der Fastenpflicht befreit und können stattdessen jeden Tag, an dem sie nicht fasten, einen Bedürftigen speisen, also Essen spenden. Das gilt für Frauen während der Menstruation, der Schwangerschaft oder Stillzeit, alte, schwache und kranke Menschen sowie alle, die sich nicht in der Lage fühlen zu fasten, etwa Menschen mit einer chronischen Erkrankung wie Diabetes. Laut dem Koran ist unser Körper ein uns anvertrautes Gut und soll keinen Schaden nehmen.