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Die Zweitschwangeren sind ­Doris Scharrel am liebsten, wenn sie ehrlich ist. Seit 30 Jahren betreut die Gynäkologin in ihrer Praxis in Kronshagen bei Kiel Frauen, die ein Kind erwarten. "Die erste Schwan­gerschaft ist häufig angstbesetzt. Zweitschwangere hingegen haben den natürlichsten Umgang mit ihrem Zustand", sagt die Frauenärztin. Sie wissen, dass körperliche Beschwerden wie Übelkeit, Müdigkeit oder Rückenschmerzen keine Krankheitsanzeichen sind, sondern eine normale Veränderung während der Schwangerschaft. Sie wissen, dass sie sich nicht in Watte packen und schonen müssen, sondern sich besser viel bewegen und das Immunsystem stärken.

Was sie oft nicht wissen: dass in der zweiten Schwangerschaft alles viel schneller geht. "Der Bauch wächst schneller, sie spüren viel früher die Kindsbewegungen, sie haben eher Hämorriden oder Rückenschmerzen, dafür können sie aber auch schneller entbinden." Doch alles in ­allem gehen die meisten Frauen ziemlich gelassen in die zweite Schwangerschaft.

Trotzdem tauchen auch bei ihnen gelegentlich Fragen auf, die sie verunsichern können. Fragen, die in der ersten Schwangerschaft keine Rolle spielten – weil es noch kein Kind zu betreuen gab. Doris Scharrel hat die Antworten.

Darf ich mein Kleines ­hochheben und tragen?

Wenn ein Kind noch nicht laufen kann, lässt sich das gar nicht vermeiden. Es ist auch kein Problem, betont die Gynäkologin: "Das machen Mütter bis ans Ende der Schwangerschaft, ohne dass es zu vorzeitigen Wehen kommt." Natürlich strengt es an, wenn man neben dem Kind auch noch Einkaufstaschen in den vierten Stock hochschleppt, aber Sorgen muss ­es einem keine bereiten. Die Angabe, nach der Schwangere nicht regelmäßig Lasten von mehr als fünf Kilogramm Gewicht oder gelegentlich Lasten von mehr als zehn Kilogramm Gewicht heben sollen, bezieht sich rein auf die Arbeitstätigkeit. Und so spricht auch nichts gegen das Tragen des Kleinen in einem Tuch oder einer Tragehilfe. "Der Rücken wird ein bisschen empfindlicher, aber wenn die Muskulatur gut trainiert ist, geht das, solange der Bauch Platz dafür lässt", erklärt Doris Scharrel. Seinen Rücken und den Becken­boden schont, wer

  • zum Hochheben in die Knie geht,
  • Kind oder Gegenstand nahe an den Körper zieht und
  • langsam aufsteht. 

Frauen mit vorzeitigen Wehen erfahren von ihrer betreuenden Ärztin entsprechende Verhaltensregeln.

Ist es gefährlich, mit dem kranken Kind zu kuscheln?

Das kommt darauf an. "Ein Kleinkind hat etwa zwölfmal im Jahr einen Infekt. Es jedes Mal, wenn es schnieft oder hustet, von sich fernzuhalten, ist illusorisch und auch nicht notwendig", erklärt Doris Scharrel. Da das Immunsystem von Schwangeren aber heruntergefahren ist, sollten sie sich gegen Grippe impfen lassen (ab dem zweiten Schwangerschaftsdrittel). Außerdem rät die Ständige Impfkommission (STIKO) jeder Schwangeren (und allen anderen Bezugspersonen, die sich um das Baby kümmern werden) im letzten Trimenon zur Keuchhusten-Impfung, um das Neugeborene bis zur ersten eigenen Impfung davor zu schützen.

Für empfehlenswert hält die Gynäkologin einen Test auf Zytomegalie, denn eine Infektion mit dem Zytomegalievirus (CMV) könnte das Ungeborene schädigen und zu einer Fehl­geburt führen. Er ist jedoch nicht Teil der Mutterschaftsvorsorge, weshalb die Krankenkassen die Kosten nicht übernehmen. Die Infektion läuft meist unbemerkt ohne besondere Beschwerden ab. "Die Frauen, die noch keine CMV-Infek­tion vor der Schwangerschaft hatten und somit keine Antikörper aufweisen, stecken sich meistens bei ihrem ersten Kind an. Die Viren werden zum Beispiel über Speichel, Blut oder Urin und Stuhl übertragen", sagt Scharrel. Das Ri­siko einer Ansteckung schätzt sie als sehr hoch ein, da die Erkrankung bei Kleinkindern sehr häufig vorkommt. Gründ­liches Händewaschen mit ­Seife ist daher vor allem nach dem Kontakt mit Speichel oder nach dem Wickeln von Kleinkindern ein absolutes Muss. Geschirr oder Handtücher sollten nicht gemeinsam benutzt werden.

Fernhalten sollte sich eine Schwangere auch von ihrem Kind, wenn es Ringelröteln hat und sie selbst nicht immun dagegen ist. Ein Test kann darüber Aufschluss geben. Im konkreten Verdachtsfall wird er von den Krankenkassen bezahlt.

Wie schaffe ich es, mich trotz Kleinkind auszuruhen?

"Machen Sie sich kein schlechtes ­Gewissen. Auf das Baby im Bauch wirkt sich die fehlende Erholung nicht negativ aus", beruhigt Doris Scharrel. Trotzdem ist es natürlich sinnvoll, sich Freiräume zu schaffen, wenn man sich kaputt fühlt, und sich mit dem Partner darüber abzustimmen. Falls die Großeltern oder ein ­Babysitter wegen des Coronavirus nicht einspringen können, sollten Schwangere unbedingt auch die Schlafenszeit des Kindes zur Erholung nutzen. Mit einem speziellen Kurs zur Entspannung oder Geburtsvorbereitung (auch online) verschaffen sich Schwangere außerdem Raum und Zeit, sich hin und wieder nur auf sich und das ­Baby zu konzentrieren, was im Alltag oft zu kurz kommt.

Muss ich meinen Bauch besonders schützen?

Das Ungeborene wird durch die Fruchthöhle wie in einem Ballon gut abgepuffert. "Sitzt oder liegt das Erstgeborene auf Mamas Bauch, kann der Druck das Baby nicht schädigen. Es ist nach allen Seiten gut abgefedert", erklärt die Gynäkologin. Das Kind im Mutterleib findet das vielleicht doof und wehrt sich, aber es passiert ihm nichts dabei. Anders sieht es mit Tritten in den Bauch aus – vielleicht weil das Kleine beim ­Wickeln wild strampelt. Das kann ­gefährlich werden, gerade wenn es, weil man zum Beispiel unterwegs ist, auch noch feste Schuhe trägt. "Hat die Schwangere eine Vorderwandplazenta, kann sich diese im schlimmsten Fall bei einem punk­tuellen Tritt ablösen und zu einer Fehl­geburt führen", sagt Doris Scharrel. Allerdings, so beruhigt die Gynäkologin, passiert so etwas äußerst selten. Sie würde dem Kind zum ­Wickeln vorsichtshalber immer die Schuhe ausziehen.