Rauchfrei durch die Schwangerschaft
Der Verstand sagt, lass es – und dann siegt doch das Verlangen. Wahrscheinlich kann jede und jeder dieses Gefühl in irgendeiner Weise nachempfinden, weil es jeder schon mal selbst erlebt hat. Leider gibt es Laster, die schwerwiegende Folgen für die eigene Gesundheit haben – und auch andere massiv schädigen können. Rauchen gehört dazu. Die Folgen spüren ganz besonders Kinder. Viele bevor sie geboren werden, weil ihre Eltern während der Schwangerschaft nicht ohne Glimmstängel durch den Tag kommen.
Folgen werden unterschätzt
Obwohl sich die Raucherquote unter Schwangeren innerhalb von zehn Jahren nahezu halbiert hat, qualmen noch elf Prozent der Frauen gelegentlich bis regelmäßig, während ein Kind in ihrem Bauch heranwächst. "Den meisten Schwangeren ist nicht im Detail bewusst, welche Schäden das in Zigaretten enthaltene Nikotin und die vielen anderen Giftstoffe beim Baby anrichten können", sagt Dr. Christian Albring, Gynäkologe in Hannover und Präsident des Bundesverbandes der Frauenärzte. Fehlbildungen, Asthma, Allergien, eine hohe Infektanfälligkeit, Behinderungen, ADHS – all diese möglichen Folgen können das Leben des Kindes beeinträchtigen. Hinzu komme, dass rauchende Schwangere fast dreimal häufiger eine Fehlgeburt haben als Nichtraucherinnen. "Der Tabakkonsum kann auch zu Plazentaablösungen führen", sagt Albring.
Zu schwach zum Trinken
Die meisten Frauen wissen lediglich, dass ihre Kinder oft zu früh auf die Welt kommen und leichter sind als Babys von Nichtraucherinnen. "Die Folgen werden fatal unterschätzt", sagt Steffen Büchner, Kinder- und Jugendarzt aus Güstrow und 1. stellvertretender Vorsitzender des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte in Mecklenburg-Vorpommern. "Durchschnittlich 200 bis 300 Gramm wiegt ein Neugeborenes einer Raucherin weniger als das einer Nichtraucherin. Das mag wenig klingen. Aber in Verbindung mit dem erhöhten Frühgeburtsrisiko gibt es viele Kinder, die mit weniger als 2500 Gramm auf die Welt kommen." Die Kinder gedeihen schlechter. "Sie sind zum Beispiel zu schwach, um gut an der Brust zu trinken, haben aber gleichzeitig einen erhöhten Energiebedarf. Auch halten sie ihre Körperwärme noch schlechter als reife Neugeborene. Letztlich wachsen sie dadurch langsamer. Wir wissen auch, dass die Gewichtsentwicklung mit der Intelligenzentwicklung zusammenhängt", erklärt Büchner.
Nikotin gelangt in die Plazenta
Jede Zigarette, die werdende Mütter rauchen, raucht das Baby im Bauch mit. "Nikotin ist eins zu eins plazentagängig. Das bedeutet, dass das Kind im Mutterleib genauso viel Nikotin abbekommt wie die rauchende Frau. Jedoch kreisen die Tabakgifte viel länger im Körper des Ungeborenen und werden schlechter abgebaut als bei Erwachsenen", erklärt der Kinderarzt. Raucht eine Frau über die gesamte Schwangerschaft hinweg, kämpft das Kind nach seiner Geburt umso mehr mit dem Nikotin-Entzug. "Schreikrämpfe, Kopfschmerzen, starke Unruhe sind dann typische Begleiterscheinungen in den ersten zwei Lebenswochen", sagt Büchner.
Sucht statt Laster
Im Rahmen der Mutterschaftsvorsorge wird das Thema Rauchen bei jedem Termin angesprochen. Dennoch schaffen es starke Raucherinnen oft nicht, den Konsum zu reduzieren, so Albring. Das fällt umso schwerer, wenn der Partner weiter raucht. "Nikotin macht abhängig. Ohne Hilfe gelingt es Betroffenen selten, ihre Sucht zu bekämpfen", sagt der Psychotherapeut und Suchtmediziner Prof. Dr. Anil Batra von der Universität Tübingen. Wie stark die Abhängigkeit ist, hängt davon ab, wie intensiv und wie viel täglich geraucht wird. "Wer sein Rauchverhalten ergründen will, kann den Fagerström-Test machen (unten zum Download). Auch Therapeuten nutzen ihn, um besser einschätzen zu können, welche Maßnahmen sich zur Rauchentwöhnung eignen", so Batra. Übrigens: Wer nur gelegentlich raucht, hat gute Chancen, ohne therapeutische Hilfe aufzuhören.