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Eigentlich hatten Kim und ihr Mann es noch gar nicht darauf angelegt. Doch nach dem Besuch bei der Frauenärztin gab es keinen Zweifel mehr: Kim war schwanger. Das junge Ehepaar war zwar perplex, doch „die Freude war sofort riesig“, erzählt die 28-Jährige. So riesig, dass sie die Neuigkeit schnell mit ihren Familien und Freunden teilten. „Ich fühlte mich direkt so verbunden mit diesem Kind.“ Einige Wochen später dann der Schock: Beim Ultraschall konnte die Ärztin beim Baby keinen Herzschlag feststellen.

Rund 25 Prozent aller Schwangerschaften enden wie die von Kim mit einer Fehlgeburt, erklärt Professor Richard Berger, Chefarzt der Klinik für Frauenheilkunde und Geburts­hilfe im Marienhausklinikum St. Elisabeth Neuwied. Die meisten ereignen sich in den ersten drei Monaten. Oft haben die Frauen ihre Schwangerschaft noch gar nicht bemerkt. „Die häufigste Ursache sind Chromosomenstörungen in der jeweiligen Ei- oder Samenzelle“, sagt Berger. Der Embryo hört dadurch auf, sich zu entwickeln.

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Wann ist eine Schwangerschaft wieder möglich?

Seltener nistet er sich gar nicht erst in der Gebärmutter ein, sondern etwa in den ­Eileitern. So war es auch bei Tamara (29), als sie zum ersten Mal schwanger war. Ihre Vorfreude schlug um in schmerzhafte Trauer. Der Wunsch nach einem gemeinsamen Kind mit ­ihrem Mann blieb jedoch ungebrochen: „Für mich war damals völlig klar: Ich will so schnell wie möglich wieder schwanger werden.“

Einen neuen Versuch wagen – körperlich gesehen ist das oft kein Problem. Im Grunde, sagt Gynäkologe Berger, sei eine Schwangerschaft nach einer frühen Fehlgeburt direkt mit dem ersten Zyklus möglich. Fand eine Ausschabung der Gebärmutter statt, sei es aber oft ratsam, zwei bis drei Monate zu warten, bis sich die Schleimhaut wieder aufgebaut habe. Bei einer späten Fehlgeburt hingegen – zwischen der 13. und 24. Woche – brauche der Körper mehr Zeit, um sich zu regenerieren: „Dann liegt die Wartezeit bei einem halben Jahr.“ Um die eigene Situa­tion einzuschätzen, lassen sich Frauen am besten ärztlich oder von ihrer Hebamme beraten.

Die psychischen Folgen wiegen oft schwerer

Doch selbst wenn körperlich nichts gegen ­eine erneute Schwangerschaft spricht, heißt das nicht, dass Frauen und ihre Partner auch psychisch direkt wieder bereit sind. Viele erleben die Fehlgeburt als schmerzhaftes Ereignis – und müssen dieses erst mal verarbeiten, bevor sie offen für einen neuen Versuch sind. „Wie gut und schnell die Verarbeitung gelingt, ist sehr individuell“, sagt ­Antje-Kathrin Allgaier, Professorin für Klinische Psychologie und Psychotherapie an der Universität der Bundeswehr München. Manchen helfe der Versuch einer neuen Schwangerschaft, um nach vorn zu schauen. Andere wollten sich erst mal mehr Zeit nehmen und ausgiebig trauern. „Beides ist total legitim“, betont die Psychologin.

Unterscheiden müsse man jedoch eine normale Trauer von der Entwicklung einer psychischen Störung wie etwa einer Depression oder Angststörung. Gefährdet sind laut Allgaier vor allem Frauen, die bereits psychische Probleme hatten. Wichtig sei dann, sich früh Hilfe zu holen – etwa in Form einer Psychotherapie. Auch andere Faktoren können die Verarbeitung erschweren. Etwa, wenn eine Frau Schuldgefühle empfindet oder Angst hat, dass es mit dem Kinderwunsch gar nicht mehr klappt. Ein unterstützendes Umfeld ist ebenfalls wichtig.

Psychologin: „Verlust gleicht einem Scheitern“

Aufgehoben und unterstützt fühlte sich Kim vor allem durch ihren Mann. Auch er ­habe unter dem Verlust sehr gelitten, sich in der Woche der Ausschabung krankschreiben lassen. „Wir haben viel darüber gesprochen, das hat extrem geholfen“, erzählt sie. Auch ­ihrem Umfeld von dem Ereignis zu erzählen, empfand sie als heilsam: „Anfangs hatte ich Angst – ich habe mich geschämt, dass ich nicht gut genug war, ein gesundes Kind auszutragen.“ Doch je mehr sie darüber sprach, desto kleiner wurde die Scham – und desto öfter erfuhr sie von anderen Frauen, denen es ähnlich ging. „Das tat so gut“, erinnert sie sich.

Fehlgeburten sind oft noch ein Tabuthema. Das liege auch an unserer Leistungsgesellschaft, meint Allgaier. „Der Verlust gleicht einem Scheitern, damit geht man ungern hausieren.“ Dass inzwischen viele prominente Frauen über ihre Fehlgeburt berichten, findet die Expertin daher prinzipiell gut: „Es vermittelt die Botschaft: Du bist nicht allein.“ Totale Offenheit sei aber nicht immer ratsam. „Man muss nicht mit Leuten darüber sprechen, die einen wahrscheinlich nicht gut auffangen. Das würde man bei anderen sensiblen Themen auch nicht tun.“ Wichtig sei, mindestens eine Person zu haben – ob den Partner oder die beste Freundin –, bei der man das Gefühl habe, gehört und verstanden zu werden.

Die Angst vor einer erneuten Fehlgeburt

Tamara hielt fünf Monate nach ihrer Fehlgeburt ihren zweiten positiven Schwangerschaftstest in Händen. Die Freude war groß, wenn auch etwas getrübt, erzählt sie: „In den ersten drei Monaten hatte ich jeden Tag Angst vor einer Blutung.“ Erst als sie anfing, ihr Baby zu spüren, rückte die Sorge allmählich in den Hintergrund. „Solche Gefühle sind ganz ­typisch“, sagt Allgaier. In der Folgeschwangerschaft sei daher eine intensivere Begleitung oft sinnvoll. Die Sorge, direkt wieder eine Fehl­geburt zu erleben, bewahrheitet sich in der Regel nicht: Die meisten Frauen bringen mit der nächsten Schwangerschaft ein gesundes Kind zur Welt.

„Ich sage heute: Ich bin keine Zweifachmama, ich bin Dreifachmama – aber ich habe ein Baby verloren“, erzählt Tamara. Im August 2019 kam ihr Sohn zur Welt, ihr „Regenbogen­baby“. So nennt man Kinder, die nach einer Fehlgeburt gesund geboren werden – nach dem Regen wieder die Sonne. Zweieinhalb Jahre später folgte der zweite Sohn. Nach wie vor gibt es Momente, in denen Tamara an ihre Fehlgeburt zurückdenkt.

Kim schaut mittlerweile nach vorn, konzentriert sich auf das, was ihr Freude bringt, zum Beispiel ihr Hund Yuki. Bald wieder schwanger zu werden, kann sie sich gut vorstellen. Unter Druck setzen wollen sie und ihr Mann sich aber nicht. Sie habe in der Schwangerschaft alles so gemacht, wie man es soll – trotzdem habe es nicht geklappt. „Kinder sind ein Wunder“, ist Kim klar geworden. „Und ich hoffe, dass auch wir dieses Wunder erleben werden.“

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Quellen:

  • Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA): Ursachen für eine Fehlgeburt oder Totgeburt. Online: https://www.familienplanung.de/... (Abgerufen am 23.05.2023)
  • Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA): Nach einer Fehlgeburt oder Totgeburt wieder schwanger werden. Online: https://www.familienplanung.de/... (Abgerufen am 23.05.2023)