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Was sind Phthalate?

Phthalate sind eine Unterart von Industriechemikalien, die als Weichmacher eingesetzt werden. Weichmacher werden Kunststoffen zugesetzt, damit diese nicht spröde und hart, sondern – wie der Name schon sagt – weich, elastisch und biegsam werden. Enthalten sind sie vor allem in dem weit verbreiteten Kunststoff Polyvinylchlorid, kurz PVC. Einige Phthalate sind als besonders gesundheitsgefährdend eingestuft.

Wo werden die Weichmacher eingesetzt?

Phatalate werden überall dort eingesetzt, wo weiches PVC gebraucht wird. So finden sie sich etwa häufig in Kabelummantelungen, Folien, Fußbodenbelägen, Gartenschläuchen, Tapeten sowie Sport- und Freizeitartikeln. Eine Reihe von Phthalaten dürfen in der EU nicht in Produkten eingesetzt werden, die direkt oder indirekt engen Kontakt mit der Schleimhaut von Menschen haben können (siehe unten). Leider werden trotzdem immer wieder Phthalate auch dort nachgewiesen, wo sie eigentlich nicht erlaubt sind, zum Beispiel in Puppen oder anderem Spielzeug. „Das lässt sich zum Teil damit erklären, dass Produkte außerhalb der EU hergestellt werden, wo die Phthalate vielleicht nicht verboten oder weniger reguliert sind – und beim Import reichen dann die Kontrollen nicht aus“, sagt Prof. Dr. Martin von Bergen, Leiter des Departments Molekulare Toxikologie am Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung in Leipzig.

Wie gefährlich sind Phtalate für die Gesundheit?

Da Phthalate chemisch nicht fest an den Kunststoff PVC gebunden sind, können sie bei Kontakt mit Fett in der Haut, Schweiß oder Speichel recht schnell vom Körper aufgenommen werden.[1] Etliche der Substanzen stehen unter Verdacht, krebsauslösend, fortpflanzungsschädigend und hormonähnlich zu wirken. Das scheint vor allem die Qualität von Spermien zu beeinträchtigen. In Tierversuchen wurde auch gezeigt, dass bestimmte Phthalate rasch wirken: „Die Schädigung tritt bereits auf, während sich die Fortpflanzungsorgane im noch ungeborenen Tier entwickeln“, erklärt das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) auf Anfrage der Apotheken Umschau.

Da zahlreiche andere Studien ähnliche Ergebnisse zeigen, sind viele Phthalate von der Europäischen Union als fortpflanzungsschädigend eingestuft. Aufgrund des beobachteten Einflusses auf das Erbgut wird manchen Phthalaten auch eine möglicherweise krebsauslösende Wirkung zugeschrieben.

Darüber hinaus beeinflussen manche Phthalate wohl auch die Schilddrüse und die Hirnanhangsdrüse. Das könnte zahlreiche gesundheitliche Folgen nach sich ziehen. So haben Martin von Bergen vom Leipziger Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung und Kollegen in einer Studie[2] an Mäusen herausgefunden, dass Phthalate möglicherweise zur Entwicklung von Übergewicht beitragen. „Es braucht noch weitere Forschung, aber wir haben eindeutige Hinweise, dass Phthalate womöglich den Fettstoffwechsel derart beeinflussen können, dass Übergewicht entsteht“, sagt von Bergen. „Wenn man bedenkt, wie viele Menschen hierzulande übergewichtig sind und wie viele negative gesundheitliche Folgen damit verbunden sind, dann ist das alarmierend.“ Schon dieser Einfluss auf den Fettstoffwechsel sei Grund genug, die entsprechenden Phthalate umfassend weitergehend zu testen und den Gebrauch gegebenenfalls weiter einzuschränken.

In welchen Produkten ist der Einsatz von Weichmachern verboten?

In der Europäischen Union dürfen Weichmacher, die als fortpflanzungsgefährdend eingestuft wurden, nicht in Spielzeug und Lebensmittelverpackungen enthalten sein.

Deshalb sind die Phthalate Bis(2-ethylhexyl)phthalat (DEHP), Dibutylphthalat (DBP) und Benzylbutylphthalat (BBP) sowie Diisononylphthalat (DINP), Diisodecylphthalat (DIDP) und Di-n-octylphthalat (DNOP) seit 2007 generell in Babyartikeln und Spielzeug verboten.[3] DEHP, DBP und BBP dürfen laut Kosmetik-Verordnung der EU auch nicht in Kosmetika enthalten sein.[4] 2015 wurde die Regulierung für die sechs Phthalate noch einmal verschärft: Sie sind seitdem als zulassungspflichtig eingestuft, das heißt, sie dürfen ­nur nach Genehmigung verwendet werden – das gilt auch für Produkte, bei denen kein ausgeprägter Kontakt zu Menschen besteht.

Ob die Industrie die Stoffe nicht trotzdem einsetzt, soll in Stichproben kontrolliert werden, allerdings hält sich der Umfang der Kontrollen bislang in Grenzen.

Wie oft wurden Phtatlate in Kinder-Urin gefunden?

Das Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz in Nordrhein-Westfalen hat im Urin von Kindern in 61 Prozent der 250 untersuchten Proben aus den Jahren 2020/21 die Substanz Mono-n-hexylphthalat (MnHexP) gefunden. MnHexP ist ein Abbauprodukt des Weichmachers Di-n-hexyl-Phthalat (DnHexP). Auch in älteren Proben aus den Jahren 2017/18 fand sich die Substanz, damals aber nur in 26 Prozent der Proben.[5] Erste Ergebnisse einer laufenden Untersuchung ergaben den Nachweis auch im Urin von Erwachsenen.

Dass sich MnHexP überhaupt in den Proben findet und der Anteil noch zugenommen hat, ist erschreckend. Denn seit dem Jahr 2013 steht die Chemikalie in der Europäischen Union auf der Liste der besonders besorgniserregenden Stoffe. Als Weichmacher ist DnHexP deshalb in kosmetischen Mitteln, Lebensmittelverpackungen und Spielzeug verboten.[5]

Wie kommt der verbotene Weichmacher in Kinder-Urin?

Das Umweltbundesamt und andere versuchen herauszufinden, was die – höchstwahrscheinlich verbotene – Quelle des DnHexP ist, aus der offenbar so viele Kinder die verbotene Substanz unfreiwillig aufgenommen haben und womöglich noch aufnehmen. Noch gibt es keine stichhaltigen Funde dazu. Aber es werden bereits verschiedene Möglichkeiten diskutiert.

Dabei fällt ein erster Verdacht auf Sonnenschutzmittel: „In unseren ersten, sondierenden Analysen sehen wir einen Zusammenhang zwischen der Belastung mit MnHexP und Kosmetika, darunter insbesondere Sonnenschutzmitteln“, sagte Toxikologin Dr. Marike Kolossa-Gehring vom Umweltbundesamt gegenüber der Deutschen Presse-Agentur. Zugleich warnte sie, nun aber auf keinen Fall auf Sonnenschutzmittel zu verzichten. Die Krebsgefahr durch Sonnenstrahlen sei zu hoch. „Unsere Erkenntnisse reichen zu diesem Zeitpunkt nicht für eine Maßnahmenempfehlung“, sagte sie.

Eine ganz andere Theorie: Es könnte auch sein, dass Hersteller eine ähnliche Substanz wie DnHexP ihren Produkten beigemischt haben, die noch nicht verboten ist. Da sie jedoch über den gleichen Weg abgebaut würde, dürfte sie nicht minder gesundheitsgefährdend sein.

Was sind die Konsequenzen?

„Eine Sache steht jetzt schon fest: Die Befunde zeigen, dass das Kontrollsystem nicht ausreichend ist“, sagt Martin von Bergen. Er fordert, dass mehr und bessere Kontrollen durchgeführt werden, um Produkte unter anderem auf verbotene Weichmacher zu untersuchen. „Denn wir haben es bei dem aktuellen Fund mit einer Substanzgruppe zu tun, für die eine Reihe problematischer Wirkungen für die Gesundheit diskutiert werden“, sagt von Bergen.

Was kann ich tun, um den Kontakt mit Phtalaten zu vermeiden?

Phthalate sind nicht sichtbar und oft auch nicht gekennzeichnet. Ein Stück weit helfen könnte die kostenlose Smartphone-App des Umweltbundesamts „Scan4Chem“ (für Android- und Apple-Smartphones), die auch das Bundesinstitut für Risikobewertung empfiehlt. Mit der App lassen sich viele Produkte nach Namen oder über den Barcode, der auf der Verpackung abgebildet ist, absuchen. „Scan4Chem“ greift dabei auf die Produktdatenbank des europäischen Projekts AskREACH zu, in der bereits über 35.000 Produkte verzeichnet sind. Für viele der Produkte liegen Informationen vor, ob sie gesundheitsbeeinträchtigende Phthalate enthalten.

Eine weitere Möglichkeit besteht darin, bewusst auf Produkte zu setzen, die damit werben, keine Phthalate zu verwenden. Denn Hersteller kennzeichnen – insbesondere bei Baby-Produkten und Spielzeug – Phthalat-freie Produkte zunehmend, da dies angesichts des schlechten Rufs der Phthalate bei den Verbrauchern ein weiteres Kaufargument darstellen könnte. Auch wenn Spielzeug das Umwelt-Siegel „Blauer Engel“ trägt, kann man davon ausgehen, dass keine bedenklichen Weichmacher enthalten sind – denn das ist eine der Voraussetzungen für die Vergabe des Siegels.[6]

Das BfR empfiehlt außerdem: „Um bei kleinen Kindern die Aufnahme von Phthalaten über den Hausstaub zu verringern, sollten Böden und Teppiche regelmäßig gereinigt werden. Wichtig ist auch darauf zu achten, dass Kleinkinder nur Sachen in den Mund nehmen, die dafür hergestellt und gedacht sind.“

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Quellen:

  • [1] Thalheim, M: Phthalate: Innovation mit Nebenwirkung. Ärzteblatt: https://www.aerzteblatt.de/... (Abgerufen am 09.02.2024)
  • [2] Klöting N, Hesselbarth N, Gericke M et al.: Di-(2-Ethylhexyl)-Phthalate (DEHP) Causes Impaired Adipocyte Function and Alters Serum Metabolites. Plos One: https://journals.plos.org/... (Abgerufen am 09.02.2024)
  • [3] Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz: Phthalate. Online: https://www.bmuv.de/... (Abgerufen am 09.02.2024)
  • [4] Umweltbundesamt: Häufige Fragen zu Phthalaten bzw. Weichmachern. Online: https://www.umweltbundesamt.de/... (Abgerufen am 09.02.2024)
  • [5] Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz Nordrhein-Westfalen: Neue Funde von Weichmacher im Kinderurin. Online: https://www.lanuv.nrw.de/... (Abgerufen am 09.02.2024)
  • [6] RAL Umwelt: Blauer Engel, Das Umweltzeichen. Online: https://produktinfo.blauer-engel.de/... (Abgerufen am 09.02.2024)
  • Duty S, Singh N, Silva M et al.: The Relationship between Environmental Exposures to Phthalates and DNA Damage in Human Sperm Using the Neutral Comet Assay. Environ Health Perspect: https://www.ncbi.nlm.nih.gov/... (Abgerufen am 09.02.2024)