Babys und Kinder: Das richtige Gewicht
Es gibt diese zarten Kinder, die immer aussehen, als könnten sie noch einen Teller Spaghetti vertragen. Und es gibt die von Geburt an kräftigen Kleinen mit reichlich Pölsterchen. Egal, zu welcher Sorte der eigene Nachwuchs zählt – Sorgen machen sich fast alle Eltern um das ideale Gewicht ihres Kindes. Bekommt es genügend Nährstoffe? Wächst es gut? Oder hat es in letzter Zeit zu viel zugelegt?
BMI und Perzentilenkurven geben Normalgewicht an
Kinder- und Jugendarzt Dr. Thomas Kauth aus Ludwigsburg hat sich auf Ernährungsmedizin spezialisiert. Er kann Eltern beruhigen: "Die Bandbreite bei einem gesunden Gewicht für Kinder ist sehr groß. Manche erscheinen richtig dürr, andere kräftig, aber wenn der Body-Mass-Index (BMI) je nach Geschlecht und Altersgruppe im Normbereich liegt, ist es meistens in Ordnung." Der BMI setzt Körpergröße und Gewicht in ein Verhältnis zueinander. Und da bei Kindern beide Faktoren durch das Wachstum variieren, gelten andere Messwerte als bei Erwachsenen.
Anhand der sogenannten BMI-Perzentilenkurven, die der Kinderarzt im Vorsorgeheft führt, lässt sich die Entwicklung des Gewichts ablesen. "Liegt der BMI im Bereich zwischen Perzentil 10 und 90, spricht man von Normalgewicht", erklärt Kauth. "Die Werte sagen aus, wie viel Prozent ein Kind oberhalb oder unterhalb eines statistischen Normalwertes liegt."
Angenommen, der Kinderarzt hat das Kreuzchen bei Perzentil 75 gemacht, dann bedeutet das: 25 Prozent aller Kinder dieser Altersgruppe haben einen höheren BMI, 75 Prozent einen niedrigeren.

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© K. Kromeyer-Hauschild, M. Wabitsch, D. Kunze et al.: Monatsschr. Kinderheilk. (2001)
Die mittlere Kurve, die mit P50 bezeichnet ist, gibt das durchschnittliche Gewicht gleichaltriger Kinder an. P75 besagt, dass 75 Prozent aller Kinder in diesem Alter leichter oder genauso schwer sind, wie der entsprechende Wert. P90 gilt als die Grenze für Übergewicht, da 90 Prozent aller Kinder leichter oder genauso schwer sind wie der entsprechende Wert auf der Kurve. P97 ist die Grenze für Adipositas (Fettsucht) und P99,5 für extreme Adipositas. Untergewicht liegt vor, wenn der BMI-Wert unter der P10-Linie liegt.

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© K. Kromeyer-Hauschild, M. Wabitsch, D. Kunze et al.: Monatsschr. Kinderheilk. (2001)
Langfristige Entwicklung des Gewichts betrachten
Selbst, wenn der Wert mal über oder unter die Grenze zum Normbereich rutscht, besteht nicht gleich Grund zur Sorge. "Die BMI-Kurven verlaufen manchmal sprunghaft, zum Beispiel bei einem Wachstumsschub", erklärt Dr. Susanna Wiegand vom Sozialpädiatrischen Zentrum der Berliner Charité und ehemalige Sprecherin der Arbeitsgemeinschaft Adipositas im Kindes- und Jugendalter. "Gerade im Lauf des ersten Lebensjahres, wenn viele Babys schnell Speck ansetzen, steigen die Werte oft deutlich an."
Größere Kinder mit einer muskulösen, sportlichen Statur haben manchmal ebenfalls einen erhöhten BMI. Daher sollten Eltern bei einem Ausreißerwert zwar aufmerksam werden, aber erst mal abwarten. "Die Untersuchungsergebnisse bei den Vorsorgeterminen bilden immer nur eine Momentaufnahme ab", so Kauth. "Nur wenn eine auffällige Tendenz erkennbar ist, also das Gewicht im Verlauf zu hoch oder zu niedrig liegt, muss man das Ernährungs- und Bewegungsverhalten genauer betrachten."
Eltern sollten auf gesunde Ernährung und viel Bewegung achten
In den letzten Jahrzehnten ist die Zahl übergewichtiger oder gar adipöser Kinder (Perzentilenwert über 97) deutlich gestiegen. Experten vermuten, dass die Ursachen vor allem zu häufige, unregelmäßige und ungesunde Mahlzeiten und zu langes Sitzen sind. "Vom Baby- bis ins Vorschulalter haben Eltern die besten Chancen, rechtzeitig gegenzusteuern", so Wiegand. "Sie sind in der Verantwortung, ein gutes Vorbild zu sein und gesunde Regeln zu etablieren."
So liefern nach dem ersten Geburtstag nächtliches Stillen oder Fläschchengeben meistens zu viel Energie. Es mag helfen, ein Kind zu beruhigen. Aber: "Die zusätzlichen Kalorien braucht es eigentlich nicht", meint Kauth. Sobald die Kleinen Brei essen oder mit am Tisch sitzen, sollten Eltern feste, klar strukturierte Mahlzeiten einführen, möglichst ausgewogen und frisch zubereitet.
Geschmack und Hungergefühl müssen sich ausbilden
Viele Mütter und Väter, die gesundes Essen anbieten, fühlen sich von Mäkeleien schnell frustriert. Susanna Wiegand rät hier zu Ausdauer. "Zweimal Spinat oder Brokkoli servieren und danach entnervt vom Speiseplan streichen – das reicht nicht aus. Bieten Sie immer wieder ballaststoffreiche, vollwertige Nahrungsmittel in verschiedenen Varianten und Zubereitungsarten an. Kinder müssen oft erst lernen, bestimmte Geschmacksrichtungen zu mögen."
Nicht aus jedem drallen Baby wird ein pummeliger Erwachsener. Und ein mageres Frühchen bleibt nicht zwangsläufig untergewichtig. "Trotzdem sollten Eltern von Anfang an eine Sensibilität für ein angemessenes Gewicht und einen gesunden Lebensstil entwickeln und nicht einfach darauf hoffen, dass sich alles von alleine fügt", gibt Wiegand zu bedenken. Die Erfahrung zeigt etwa, dass übergewichtige Eltern bei ihrem Kind zu viele Pfunde eher noch als normal ansehen.
"Bei einem ersten Verdacht ist es immer gut, das Gewicht engmaschiger zu kontrollieren und weitere Untersuchungen vorzunehmen", so Kauth. Sehr selten können genetisch bedingte Störungen oder Stoffwechselerkrankungen die Auslöser sein. In der Regel gilt aber: Je mehr Gelegenheiten Kinder haben, Spaß an ausgewogenem Essen und spielerischer Bewegung zu finden, desto wahrscheinlicher wird ihr Gewicht im Normbereich liegen.