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Nicht zu viel Fahrerei

Dieses Jahr fällt Heiligabend auf einen Samstag. „Viele, die reisen, werden am Freitag starten“, sagt Katharina Lucà, Unternehmenssprecherin des ADAC. Der Verband rechnet mit volleren Straßen, auch Staus – nervenzehrend mit Baby an Bord! Falls Sie flexibel sind: besser schon am 22. Dezember loskommen. Auch im Zug gilt: Am 23. wird es voll, Kleinkind-ab­teile könnten ausgebucht sein. Unbedingt rechtzeitig reservieren oder, noch besser, an ­einem anderen Tag starten.

Neugeborene sollten nicht länger als eine, Babys nicht länger als zwei Stunden in der Auto-Babyschale sitzen. Der Grund: „Sie können sich nicht ausstrecken“, er­läutert Dr. Soraya Seyyedi. Ihr Tipp: Bei län­ge­ren Fahrten Pausen vorab planen, etwa entlang von familienfreund­lichen Rast­stätten, und flexibel starten – nämlich dann, wenn das Baby kurz vor einer Schlafphase ist. Beachten: Ist die Babyschale auf dem Beifahrersitz fixiert, muss der Airbag ausgeschaltet sein. Ideal ist eine Auto-­Temperatur von 20 Grad. Und: Kinder tragen im Sitz keine Winterjacke.

Bloß keinen Stress

Die Kleinsten sind Superchecker. Sind die Eltern angespannt, merken Babys das an Mimik und Sprache – und werden unruhig. Jetzt hilft, dass Sie selbst runterkommen. Die Frage lautet: Was brauche ich? Auszeiten sind auch für Sie erlaubt! Ist der andere gerade lockerer? Dann übernimmt er oder sie das Kind.

Oberste Regel, um Stress zu ver­meiden: Keinen Packesel einseitig beladen! Deshalb alle anfallenden Aufgaben fair aufteilen – schon vor dem Fest! Wickeln, Füttern, ­Gäste betüdeln: Überlegen Sie vorab, wer was übernimmt und wo Sie sich gegenseitig entlasten können. „Mein Mann und ich haben zum Beispiel immer vorher festgelegt, wer die Einschlafbegleitung macht“, erzählt die Bonner Pädagogin Inke Hummel von der Zeit, als ihre drei Kinder klein waren. Klarer Vorteil: Auf die Schlafanzeichen des Babys wird unmittelbar und ohne lange Diskussion reagiert.

„Besuche im Schnellzugtakt sind für Babys zu viel Stress“, sagt Hebamme Mandy Tontch aus Bernstadt bei Ulm. Ihr Tipp: die Termine strecken. Wie wäre es beispielsweise vor Weihnachten mit einem Adventstreffen für die Großeltern bei Punsch, Kakao und Spekulatius? Oder gleich direkt auf dem Weihnachtsmarkt. Nicht vergessen: unbedingt absprechen, ob die Geschenke trotzdem unterm Tannenbaum liegen sollen, vorab oder nachträglich geschenkt werden.

Kein Stress gilt auch fürs Festtagsmenü. Das Ziel dieser Mahlzeit ist es doch, gemeinsam eine schöne Zeit zu haben. Pizza ist lecker und lässt sich einfach vorbereiten oder bestellen. Viele Restaurants bieten auch Menüs to go an. „An unserem ersten Weihnachten mit Kind kochte meine Mama und brachte bei ihrem Besuch das Essen mit“, erzählt Hebamme Mandy Tontch.

Sind wir unter Druck, „schütten wir Adrenalin aus“, sagt Hebamme Tontch. Es ist ein Blocker für das Stillhormon Oxytocin. Die Folge: Der Milchfluss kann stocken. Tontchs SOS-Tipp: Ausruhen – gerne im Bett – und stillen, stillen, stillen. Halten Brustverhärtungen länger als einen halben Tag an, sollte eine Hebamme das prüfen. Wollfett, auch Lanolin genannt, und Muttermilch helfen gegen gereizte Brustwarzen.

Getragen zu werden beruhigt überreizte Babys. Und hilft, dass es erst gar nicht so weit kommt. Eng an Mama oder Papa gekuschelt, fühlt sich das Kleine sicher und überreizt weniger schnell. Praktischer Nebeneffekt: Sitzt der Weihnachtsneuling in einer Trage, wird er nicht von Arm zu Arm gereicht. „Ihr Baby aus der Hand zu geben, fällt vielen Neueltern nicht leicht“, sagt Tontch aus ihrer Erfahrung als Hebamme.

Alles ist neu! Das will verarbeitet werden, und dafür benötigt ein Baby Pausen. Ideal ist ein Weihnachtsspaziergang. Doppelt gut: Auch Sie als Eltern profitieren von fixen Auszeiten. Viele Neu­eltern haben Schlafmangel, und kurz nach der Geburt wirkt die Hormonumstellung nach und macht sensibel. Tipp: Feiern Sie außer Haus, fragen Sie vorab nach einem Rückzugsraum für sich und Ihr Kind.

Fröhlich bleiben

„Schon allein bei der Erwartung von Positivem schütten wir das Glückshormon Dopamin aus“, erklärt die Neurowissenschaftlerin und Autorin Friederike Fa­britius aus Heidelberg. Ihr Rat: „Planen Sie un­bedingt Erlebnisse ein, auf die Sie sich aus vollem Herzen freuen.“ Ein lustiges Fotoshooting unterm Weihnachtsbaum, einen Schnack mit der Kindheitsfreundin, einen leckeren Nachtisch …

Friederike Fabritius ist Neurowissen­schaftlerin und Mutter von fünf Kindern. Ihr Gute-Laune-­Weihnachtsrezept lautet: tanzen. „Beim Tanzen bauen wir Stresshormone ab und schütten Dopamin und Endorphine aus.“ Macht das Baby in der Trage mit – natürlich nur, wenn es nicht quengelig-müde ist –, entsteht auch noch das Kuschelhormon Oxytocin. Und jetzt alle: Last christmas, I gave you …

„Babys brauchen ganz viel: ‚Das kenne ich‘“, sagt Pädagogin Inke Hummel. Das gibt ihnen Sicherheit. Behalten Sie darum Routinen ­möglichst bei, auch wenn Sie nicht zu Hause feiern. Den gemeinsamen Mittagsschlaf,das Ab­spielen der Spieluhr beim Wickeln.

Mädchen schmückt Christbaum

Die Weihnachtsgeschichte und -bräuche

Der geschmückte Baum, Geschenke, Plätzchen, Kerzen: Kein Fest steckt so voller Traditionen wie Weihnachten. Gerade deshalb lieben es Kinder. Die wichtigsten Bräuche erklärt zum Artikel

Klarheit schaffen

Die Oma besteht auf dem traditionellen Gänsebraten an ihrem Wohnzimmertisch, die Schwiegereltern wollen Weihnachten aber auch nicht alleine sein. Und man selbst? Würde am liebsten zu Hause bleiben! Oft sieht man klarer, wenn man sich die Vor-und Nachteile aller Möglichkeiten aufschreibt. Zum Beispiel so: Feiern bei der (Schwieger-)Familie Vorteile: kein Putzen, kein Kochen – ankommen und entspannen! Nachteile: raus aus der gewohnten Umgebung, anstrengende Anreise, eventuell fehlt ein Rückzugsraum Feiern in den eigenen vier WändenVorteile: Die gewohnte Umgebung bleibt, die Anreise (inklusive packen) entfällt, neue Traditionen können wachsen.Nachteile: Putzen, Dekorieren, Kochen und Co: Stress schon vor dem Fest! Welche Punkte sind Ihnen am wichtigsten? Danach wird entschieden!

Unterschiedliche Erwartungen führen schnell dazu, dass es an Weihnachten Streit gibt. Werden sie vorher angesprochen, entsteht oft Verständnis für die Situation der anderen. Kommunizieren Sie darum klar, dass Sie sich nach dem Baby richten werden. Beispielsweise so: „Wir entscheiden vor Ort, ob wir mit in die Kirche gehen. Denn das hängt davon ab, wie unser ­Baby sich fühlt.“

Sie wollen nicht in Bergen unerwünschter oder unnützer Geschenke versinken? Dann sagen Sie einfach vorher, was Sie sich ­wünschen. Im ersten Babyjahr sind auch praktische Dinge gefragt, etwa eine Wickel­tasche oder ein Fläschchenwärmer.

Geschenk-Ideen

Klar, Babys verstehen noch nicht, was „beschenkt werden“ heißt. Doch die meisten Eltern und Groß­eltern, Onkel und Tanten haben viel Freude am Schenken. Was ist wann sinnvoll? ­Tipps von Kinderärztin Dr. Soraya Seyyedi:
0 bis 3 Monate: Gucken, Saugen, Fühlen: Dafür eignen sich Schmusetücher und -tiere oder Mobile
3 bis 6 Monate: Geräusche werden noch spannender, Greifen und Fühlen differenzierter – jetzt sind Spieluhr, Rassel, Pappbilderbücher mit Tönen oder Strukturen angesagt
6 bis 9 Monate: Langsames Fortbewegen: Holzautos zum Schieben, Bauklötze
9 bis 12 Monate: Noch mobiler: Schiebe- und Ziehtiere, Steckspielzeug. Aber Achtung: keinen Gehfrei

Gesund bleiben

Unabhängig von teils kurzfristigen Pandemie-Vorgaben sollte jeder, der sich krank fühlt oder Symptome hat wie Halsschmerzen, Husten, Schnupfen oder Magen-Darm, nicht mitfeiern oder nur per Video. „Ich rate unbedingt zu Schnelltests direkt vor dem Treffen“, sagt Dr. Soraya Seyyedi, Kinderärztin in Wiesbaden. Vorher ab­-sprechen, damit sich alle daran halten!

Darf die Stillmama auf Weihnachten anstoßen? „Jein“, sagt Kinderärztin Seyyedi. Einmal am Sekt nippen sei kein Problem – am besten direkt nach dem Stillen. Doch Alkohol trinken und bei Bedarf stillen geht nicht. Inzwischen gibt es gute alkoholfreie Alternativen. Am besten gut gekühlt und in einem schönen Glas serviert genießen.

Hausapotheke für Kinder

Bettina De Schrijver, Apothekerin aus Vellmar, empfiehlt, vor den Feier­tagen die Hausapotheke zu überprüfen. Das sollte nicht fehlen:

- Fieberthermometer und fiebersenkende/schmerz­stillende Zäpfchen∙
- abschwellendes Nasenspray speziell für Babys und Nasentropfen mit isotonischer Kochsalzlösung
- Popo-Wundsalbe, etwa mit dem Wirkstoff Zinkoxid∙
- Hustensaft und ein Balsam zum Einreiben∙
- Verbandmaterial inklusive Pflaster und Pinzette, Wund- und Heilsalbe sowie Brandsalbe

Übrigens: Der ärztliche Bereitschaftsdienst ist überall in Deutschland unter 116 117 zu erreichen. In akuten Notfällen rufen Sie den Rettungsdienst unter 112 an.

Verbrühungen, Verbrennungen und Brüche sind die ­typischen Festtagsverletzungen, berichtet Kinderärztin ­Seyyedi. Ihre Tipps für ein babysicheres Fest:∙ Stellen Sie Kerzen und heiße Getränke wie Kaffee oder Tee immer außer Reichweite des Säuglings∙ Gleiches gilt für Erdnüsse wegen der Erstickungsgefahr oder für Gläser und Pralinen mit Alkohol ∙ Verzichten Sie möglichst auf Tischdecken, an denen das Kind ziehen könnte ∙ Entsorgen Sie Geschenk- und Spielzeugverpackungen sofort, an denen das Kind ersticken könnte ∙ Stellen Sie den Baum kippsicher auf, verzichten Sie auf echte Kerzen. Die Kleinen ziehen an den Zweigen∙ Aufpassen, dass das Baby keine Knopfbatterien oder Kleinteiliges, etwa von Geschenken für ältere Kinder, in die Finger bekommt. Es könnte es verschlucken! ∙ Sie feiern außer Haus? Checken Sie vorab: Gibt es ungesicherte Treppen? Welche Tür muss geschlossen bleiben, damit das Baby nicht zu den Treppen kommt?

Interview: „Wir schaffen neue Traditionen“

Spätestens wenn das Baby da ist, wollen ­Paare nicht mehr getrennt Weihnachten feiern. Doch wie findet man die richtige Form für seine eigene kleine Familie?

Inke Hummel ist Familientherapeutin, Erziehungsberaterin und Autorin. Sie hat drei Kinder und lebt in Bonn.

Inke Hummel ist Familientherapeutin, Erziehungsberaterin und Autorin. Sie hat drei Kinder und lebt in Bonn.

Frau Hummel, die Schwiegerfamilie hat Weihnachten zu sich geladen, dabei würde man am liebsten zu Hause bleiben. Wie gelingt es, allen Ansprüchen zu Weihnachten gerecht zu werden?

(lacht) Das gelingt, fürchte ich, nur in der Margarine-Werbung. Ich würde das „allen“ streichen und mein Baby in den Fokus rücken. Gute Überlegungen sind: Muss eine längere Anreise gemeistert werden? Ist mein Baby im Kreis vieler sehr unruhig?

Was Weihnachten angeht, hat ja jeder seine eigenen Traditionen und Erwartungen. Wie finden Neueltern gute Kompromisse?

Sie wechseln nach der Babyebene – Was braucht unser Baby? – auf die Paarebene und überlegen ganz ehrlich: Was brauchen denn wir? Und was wollen wir?

Und wenn man sich einfach nicht einig wird?

In meinen Beratungen machen wir dann eine Mindmap, schreiben also ­alles auf und sortieren es thematisch. Dinge schwarz auf weiß sehen, macht sie greifbarer, auch das Erkennen von Lösungen gelingt leichter. Und ja, da muss einiges verknotet werden, das ist so. Priorisieren hilft, aufrechnen ist ­erlaubt. Etwa so: Ich verzichte auf meine Raclette-Tradition, und wir ­essen deinen Kartoffelsalat mit Würstchen, im Gegenzug singen wir vor der ­Bescherung meine Weihnachtslieder.

Aber was tun, wenn der Rest der Familie, zum Beispiel Oma und Opa, mit meinen Kompromissen nicht zurechtkommt?

Die Neueltern dürfen sich klarmachen: Wir sind nun eine eigene Familie, und als solche haben wir jetzt eigene Wünsche und Bedürfnisse. Unser Fokus ist unser Baby. Wird das auch nach Gesprächen nicht akzeptiert, darf man sich natürlich abgrenzen. Ein Blick in die Zukunft kann allen guttun. Es ist das erste, aber nicht das letzte Weihnachten mit Kind; man kann als Kernfamilie feiern und in den kommenden Jahren den Kreis erweitern. Und man sollte das Schöne sehen: Wir erschaffen gerade neue Traditionen, die das Beste aus zwei Welten kombinieren.