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Wie ist eigentlich mein Verhältnis zur Medizin? Als Mann mit einem gewissen Alter habe ich inzwischen einige Erfahrung mit dem komplexendeutschen Gesundheitswesen sammeln dürfen. Es war nicht immer positiv, was ich erlebt habe, aber Größtenteils doch. Vor allem war es effizient. Wie sagt der Amerikaner so schön: "Getting the Job done." Jedenfalls habe ich ein Grundvertrauen in unsere Ärzt:innen. Vielleicht erklärt das meine bisherige, eher liederliche Selbstvorsorge. Verständlich, aber leider wirklich nachlässig. Zudem sind bei mir Schwankungen zwischen unbekümmertem Mir-geht-es-doch-super-Leichtsinn und akutem Hypochondertum mittelschwerer Stärke keine Seltenheit.

Eigentlich ist alles gut, aber ...

Wären Sie meine Hausärztin oder mein Hausarzt, hätten Sie meine Ausführungen inzwischen mit der ungeduldigen Nachfrage "Hmm, hmm und was fehlt Ihnen nun genau?" zu Recht unterbrochen. Eigentlich ist alles gut. Ein paar Kilo zu viel, mehr Sport wäre besser, die Ausdauer lässt zu wünschen übrig, aber sonst: danke. Es folgen auf diesen Routinedialog die Blutentnahme, das Abhören und die Blutdruckmessung. Und dann kommt die wohlgeübte Ansage: "Ja, ich sehe schon, Ihr Blutdruck."

Klaus Madzia ist Journalist und Digital-Stratege

Klaus Madzia ist Journalist und Digital-Stratege

Bluthochdruck: eine Diagnose, die mich nicht wirklich überrascht. Einige Empfehlungen zur Änderung des Lebensstils folgen, Medikamente und ich gehe heim. Danach – siehe oben – vergehen dann auch wieder einige Jahre bis zum nächsten Routine-Check-up oder dem nächsten akuten Praxisbesuch aus unaufschiebbaren Gründen.

Ich stelle mich

Mag es Covid-19 sein, mögen es schwere Krankheiten im Freundeskreis sein. Die letzten Monate haben mich zu einer intensiven Beschäftigung mit dem eigenen Körper, der Verletzlichkeit und den damit verbundenen Ängsten bewogen. So wollte ich das Thema Bluthochdruck und die damit verbundenen Herz-Hypochonder-Themen endlich aus dem Kellergeschoss meiner Psyche befreien.

Ein Freund und Arzt rät mir zur Reise nach München, in die Praxis von Professor Dr. Alexander Leber. Als älterer weißer Mann muss ich mich ganz ohne Ironie für meine hoch privilegierte Situation entschuldigen – viele andere haben solche Möglichkeiten nicht.

Das Team von Prof. Leber macht den Intensivcheck rund ums Herz – fast ein halber Tag ist weg. Die Ergebnisse sind weniger schön. Ich übersetze mal in Männer-Sprech: "Ja, TÜV schaffen wir noch, aber da ist doch einiges, was mir am Motor Sorgen macht, da müssen wir genauer hinschauen." Ich bin auch von Berlin in den Süden gefahren, um diesmal mehr zu tun als in den Jahren zuvor: Ich möchte mich nicht mehr allein auf Medikamente und gute Vorsätze verlassen. Denn das mit den Vorsätzen ist ein wenig wie die Zahnseide nach dem Zahnarztbesuch.

Vollmundige Versprechen

Dank der digitalen Medizin wird diesmal hoffendlich alles anders. Alexander Leber ist nicht nur Herzspezialist, sondern auch Start-up-Gründer. Er ist einer der Köpfe hinter iATROS, einer Digitalen Gesundheitsanwendung, die vollmundig Großes verspricht: "Wir kümmern uns um Ihren Bluthochdruck, Sie sich um Ihre Zukunft: Unser Arzt erstellt für Sie im ersten Gespräch einen persönlichen Therapieplan. Dazu gehören die passende Medikation, begleitende Coaching-Gespräche und das korrekte Messen Ihrer Werte." Er wolle Menschen mit Herz-Kreislauf-Krankheiten ihr Sicherheitsgefühl zurückgeben, sagt Leber. Am Ende des Besuchs erhalte ich nicht nur ein Rezept, sondern auch eine bunte Broschüre mit Tipps und Anweisungen, wie ich die iATROS-App auf mein iPhone lade.

Zurück in Berlin, dämmert mir: Nun habe ich mir freiwillig einen digitalen Quälgeist angeschafft. Jeden Morgen, jeden Mittag, jeden Abend erinnert mich das Programm an Tabletteneinnahme, Blutdruckmessung und – Sie ahnen es alle – die 30 Minuten Bewegung, die so wichtig sind fürs Herz. Das ist alles klar und verständlich präsentiert, dazu männerkompatibel in hellblauem Farbklima. Nur die Schwuppdizität des Programms passt eher zu Windows 95 als in die moderne Apple-Welt.

Schwierige Verständigung

Leider versteht sich die iATROS-App nicht wirklich gut mit meinen anderen digitalen Helferlein. Ich besitze einen Blutdruckmesser der Firma Omron, mit dem ich sehr gute Erfahrungen gemacht habe. Und auch die digitale Waage, die Ruhepuls und Gewicht für mich aufzeichnet, findet bei iATROS kein Gehör. Gleiches gilt auch für die Fitness- und Gesundheitsmessungen meiner Smartwatch. Dabei sollten alle diese Dinge auf meinem iPhone miteinander Daten austauschen. Healthkit – eine Art zentraler Gesundheitsspeicher – ist dafür vorgesehen. Leider erinnert das Zusammenspiel eher an das deutsche Gesundheitswesen, in dem Arztbrief und Laborergebnisse meist per Brief und Fax ausgetauscht werden.

"Unser Ziel ist es, jede Hardware einzubinden, sodass alle Daten automatisiert übertragen werden", sagt Leber dazu. Noch ist es nicht so weit. Ich tippe also brav Blutdruck, Gewicht und anderes regelmäßig in die App. Das ist umständlich. Datum, Werte aus der Blutdruck-App ablesen und dann erneut eingeben. Ebenso Gewicht und sportliche Aktivitäten aus der Nokia- und Apple-App lesen. Eigentlich könnte ich ein Tagebuch ausfüllen.

Eine Auswertung zeigt den Verlauf meiner Gesundheitswerte und dient den Ärzt:innen als nützliche Dokumentation. Das iATROS-Team um Prof. Leber kann diese Werte jederzeit aus der Ferne auslesen. Ich kann die Werte aber auch ausdrucken oder digital anderen Ärzt:innen zusenden. Darüber hinaus erhalte ich informative und motivierende Videobotschaften, die mir Tipps zur Messung, zur Ernährungsumstellung und zum Krankheitshintergrund vermitteln.

Wirkt beim Technik-Spielkind

Die App ist nicht nur Datensammler und Erinnerungsstütze sondern ergänzt dies auch durch Videosprechstunden mit realen Ärzt:innen. Einfach Termin auswählen und ein Mitglied aus dem Team von Prof. Leber beantwortet Fragen oder schreibt Folgerezepte aus. Die Terminvergabe funktioniert sehr schnell und zuverlässig. Und auch die Gespräche mit Prof. Leber und seinen Ärzt:innen sind empathisch, kompetent und wertvoll.

Was hat es gebracht? Es mag meine Konditionierung als Technik-Spielkind sein, es mag mein Alter sein, es mag Covid-19 sein. Aber Ärzt:innen und App haben bei mir etwas bewirkt – ich hoffe nachhaltig. Ich messe meinen Blutdruck zwar nicht mehr dreimal am Tag, aber doch täglich. Leichte Anpassung meiner Ernährung, dazu eine neue Medikamentenkombination. Und – dank Peloton – mehr Bewegung. So kam ich in drei Monaten von Bluthochdruck auf erhöhten Blutdruck – 10 Prozent weniger. Das feiere ich als einen persönlichen Erfolg.

Mein Beitrag gegen Fax und Briefe

Ich sammle auch meine Laborwerte und Arztbriefe in der iATROS-App. Das ist eine schöne Funktion, die mir beim Termin bei einem Spezialisten schon gute Dienste geleistet hat – ein zentraler Ort, an dem ich meine medizinischen Unterlagen digital sicher sammeln kann. Die Alternative zum Leitzordner und mein Beitrag gegen Fax und Briefe.

In Zukunft soll die App nicht nur bei Prof. Leber im Einsatz sein. Die Gründer:innen wollen die Software anderen Praxen zur Verfügung stellen. Durch die Wearable-basierte Erfassung von Vitalparametern sollen niedergelassene Ärzte oder die iATROS-Teleärzte den Gesundheitszustand jederzeit beurteilen können – und Nutzer:innen, egal, wo sie gerade sind, per Video fast wie in der Praxis beraten.