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In der Nacht im Club oder auf dem Partyevent tanzen gehen, am Morgen mit einem Filmriss aufwachen: Für Opfer von K.o.-Tropfen versinken Stunden des Lebens im Dunkel. Was in dieser Zeit passiert, ist oft traumatisierend: Raub, sexueller Missbrauch bis hin zur Vergewaltigung. Es gibt keine verlässlichen Zahlen dazu, wie oft jedes Jahr K.o.-Tropfen in Drinks gemischt werden. Die Dunkelziffer dürfte laut Expertinnen hoch sein. Der Grund: Betroffene bemerken teilweise erst zu spät oder gar nicht, dass sie Opfer geworden sind. Sie glauben zum Beispiel, am Vorabend zu viel Alkohol getrunken zu haben. Dabei wurden sie ausgeknockt.

Was versteht man unter K.o.-Tropfen?

Unter den Begriff „K.o.-Tropfen“ fallen verschiedene Substanzen, die Menschen bewusst-, hilf- oder wehrlos machen. Ein Beispiel: Liquid Ecstasy. Es hat mit Ecstasy-Pillen nichts zu tun. Vielmehr handelt es sich um eine andere Droge: Gamma-Hydroxybuttersäure (GHB) wirkt unter anderem am am sogenannten GABA-Rezeptor im Gehirn und löst dort eine hemmende Wirkung aus. In geringen Mengen kann sie entspannen und euphorisch machen. In höheren Dosen führt sie zu Bewusstlosigkeit bis hin zum Koma. GHB ist chemisch eng verwandt mit GBL, Gamma-Butyrolacton, das ebenfalls zu den K.o.-Tropfen zählt. Aber es gibt auch andere Substanzen, die ein K.o. auslösen können, wie zum Beispiel Benzodiazepine.

An welchen Symptomen erkenne ich, dass mir K.o.-Tropfen verabreicht wurden?

"Das ist schwierig zu unterscheiden“, sagt Rechtsmedizinerin Dr. Britta Gahr, Leiterin der Gewaltopferambulanz am Institut für Rechtsmedizin des Universitätsklinikums Düsseldorf. Die Symptome seien sich sehr ähnlich: Es fange an mit Misswahrnehmungen, Schwindel, Taubheitsgefühl und Übelkeit. „Die Menschen fühlen sich teilweise wie in Watte gepackt.“ Weiter gehe es mit Gedächtnisverlust, bis hin zu Fällen von kompletter Bewusstlosigkeit und Filmriss. "All das gibt es jedoch auch bei starkem Alkoholkonsum", sagt Gahr. Am ehesten ließen sich Alkohol und K.o.-Tropfen laut der Expertin vielleicht dadurch unterscheiden, dass bei K.o.-Tropfen die Wirkung sehr plötzlich einsetze. „Bei Alkohol hingegen merkt man schon, ob man nur zwei Bier oder schon vier Bier getrunken hat. Da gibt es Abstufungen.“

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Wie lange wirken K.o.-Tropfen?

"Die meisten K.o.-Tropfen beginnen nach einer halben Stunde bis Stunde zu wirken", sagt Britta Gahr. Manche sind aber auch schon nach zehn, fünfzehn Minuten spürbar. Was viele der Mittel eine: Nach zwölf bis 24 Stunden sei ihre Wirkung meist wieder abgeklungen.

Kann ich erkennen, dass in meinem Drink K.o.-Tropfen sind?

"Grundsätzlich sind die Flüssigkeiten farblos, geruchlos und nahezu geschmacklos", sagt der Toxikologe Professor Florian Eyer, Chefarzt der Abteilung für Klinische Toxikologie und Giftnotruf München am Universitätsklinikum rechts der Isar. Manche Menschen berichten laut Eyer zwar, es habe ein wenig seifig geschmeckt. „Aber einem Getränk wie einem Cocktail beigemischt, kann man K.o.-Tropfen nicht erkennen."

Es gibt im Internet, im Drogeriemarkt oder Apotheken Armbänder, um GHB-Tropfen zu erkennen. Man träufelt das Getränk auf das Armband, das sich daraufhin verfärbt. "Diese Armbänder sind aber sehr unsicher“, sagt Eyer. Außerdem habe er den Test im Labor nachgestellt: „Bei gutem Laborlicht lässt sich die Verfärbung mit etwas Fantasie erkennen. Aber nicht im schummerigen Licht eines Clubs oder einer Bar.“

Neben den Armbändern gibt es noch eine Art Strohhalm, den man in sein Getränk taucht. Sind K.o.-Tropfen im Drink, leuchtet eine rote Leuchtdiode. „Aber auch das ist sehr unsicher", sagt Eyer. Hinzu kommt laut Experten, dass Bändchen und Strohhalme nur auf eine Art von K.o.-Tropfen – nämlich GHB - reagieren. Man sollte sich also auf keinen Fall in Sicherheit wägen, lautet seine Empfehlung.

Sind K.o.-Tropfen in Blut und Urin nachweisbar?

Ja. Allerdings oft nicht allzu lange. GHB und GHL etwa lassen sich nach der Einnahme rund sechs Stunden lang im Blut nachweisen, im Urin rund zwölf Stunden lang. Das Perfide ist also: Wer sich erst spät untersuchen lässt oder lassen kann, kann nicht mehr nachweisen, dass ihm die Substanzen verabreicht wurden. "Andere Betäubungsmittel hingegen lassen sich teilweise noch nach Tagen, teils sogar nach Wochen auffinden", sagt Britta Gahr.

Warum sind K.o.-Tropfen so gefährlich?

Neben der Gefahr, im betäubten Zustand ausgeraubt oder vergewaltigt zu werden, sind bereits die Substanzen an sich gefährlich. "Je nach Dosis sind sie ein Narkosemittel", sagt Florian Eyer. "Ein Koma kann so tief sein, dass die Atemtätigkeit eingeschränkt wird.“ Und es kann Schutzreflexe außer Kraft setzen: Betroffene können beispielsweise Erbrochenes nicht mehr ausspucken. Schlimmstenfalls gelangt es in die Lunge. "Spätfolgen sind jedoch sehr selten", sagt Britta Gahr. Sie treten ein, wenn eine Substanz in so hoher Dosis verabreicht wird, dass die Nieren oder die Leber als abbauende Organe geschädigt werden. Auch das Gehirn kann durch eine Vergiftung oder einen Sturz im Zuge der Wirkung geschädigt werden.

Was tun beim Verdacht, K.o.-Tropfen bekommen zu haben?

  • Zur nächsten Notaufnahme fahren zur Blut- und Urinkontrolle
  • Bei Verdacht auf sexuellen Missbrauch oder Vergewaltigung unbedingt die behandelnde Ärztin oder den behandelnden Arzt in der Notaufnahme informieren; sie oder er kann die nötigen Maßnahmen für einen solchen Fall in die Wege leiten. Gegebenenfalls können auch DNA-Proben genommen werden
  • Anschließend so bald wie möglich an die Polizei wenden
  • Opfertelefon: 116 006. Das Opfer-Telefon des WEISSEN RINGS. Anonym. Bundesweit. Kostenfrei. Täglich 7 – 22 Uhr.
  • Frauenberatungsstellen auch bei Fragen zu K.o.-Tropfen gibt es in jeder Stadt

Gibt es Gegenmittel gegen K.o.-Tropfen?

Ja. Je nach verabreichter Substanz gibt es in der Notfallmedizin das eine oder andere "Gegengift". "Ärzt:innen geben es aber nur, wenn sie nach einem Labortest ganz sicher sind, dass eine entsprechende Substanz verabreicht wurde", sagt Britta Gahr. Voraussetzung dafür ist, dass die K.o.-Tropfen noch nicht vom Körper abgebaut und ausgeschieden wurden. Die Expertin warnt Laien jedoch dringend davor, zu Mitteln zu greifen, die im Internet als "Gegenmittel" oder "Prophylaxe" angepriesen werden. Denn es gebe kein pauschales Gegenmittel und schon gar keine sinnvolle pauschale Prophylaxe.

Welche Strafe gibt es für das Verabreichen von K.o.-Tropfen?

Das hängt davon ab, was genau passiert ist. „Die Verabreichung ist mindestens eine einfache Körperverletzung“, sagt Britta Gahr. Bei stärkerer Dosierung kann die Tat bis hin zum versuchten Totschlag strafrechtlich verfolgt werden. Eine Vergewaltigung unter Verabreichung von K.o.-Mitteln wird gewertet wie eine Vergewaltigung mit vorgehaltener Waffe – „eine schwere Vergewaltigung also“, sagt Gahr. Das macht sich im Strafmaß bemerkbar.

Tipps zur Prävention und für möglicherweise Betroffene

Vorsichtshalber sollte man immer auf sein Getränk oder sein Essen achten ­–im Club genauso wie auf Privatpartys. Denn auch dort kann es passieren, dass einem K.o.-Tropfen ins Getränk geschüttet werden. „Im Zweifel sollte man sein Getränk nicht mehr anrühren“, rät Florian Eyer. Da die Substanzen rasch abgebaut werden und dann nicht mehr nachweisbar sind, sollte man bei Verdacht, K.o.-Tropfen erhalten zu haben, schnellstmöglich eine Urinprobe sicher stellen. Die Probe muss bis zum Testen bei normaler Kühlschranktemperatur gelagert werden. Testen lassen kann man sie in einem medizinischem Labor. Doch nicht alle Labore können K.o.-Tropfen nachweisen. Oder man lässt eine Blut- und Urinuntersuchung im nächsten größeren Krankenhaus durchführen. Über das Internet kann man auch das nächstgelegene Institut für Rechtsmedizin für eine Blut- und Urinabnahme ausfindig machen. Achtung: Die Kosten müssen eventuell selbst getragen werden, wenn die Untersuchung nicht über die Polizei veranlasst wird.