Implantierter Defibrillator: Problem am Lebensende
Kleine Metallkästen unter dem linken Brustmuskel beschützen seit den 1980er-Jahren Menschen mit lebensbedrohlichen Herzstörungen. Die implantierbaren Defibrillatoren bringen das Herz mit Elektroschocks wieder in den richtigen Rhythmus, wenn es aus dem Takt gerät und zu versagen droht. So unverzichtbar diese Schutzengel im Lauf des Lebens sind, so sehr können sie am Lebensende zur Qual werden.
Unerwünschte Schocks
Egal aus welchem Grund jemand stirbt: In der Sterbephase kommt es häufig vor, dass das Herz verrücktspielt. "Die Geräte erfüllen natürlich auch dann ihre Aufgabe", erklärt Professor Johannes Waltenberger, Kardiologe und Chefarzt am Zentralklinikum Suhl. "Sie registrieren die Rhythmusstörungen und lösen entsprechende Schocks aus. Nur sind sie in diesen Momenten nicht nur unnötig, sondern auch ungewollt."
Denn für die Betroffenen bedeutet das: Ihr Sterben wird zusätzlich belastet oder gar verlängert. Wie oft es zu solchen Situationen kommt, ist schlecht belegt. Experten gehen davon aus, dass am Lebensende etwa jeder dritte Defibrillator unerwünschte Schocks auslöst.
Technische Herzensangelegenheit
Mehrere Hunderttausend Defi-Träger gibt es in Deutschland. Etlichen von ihnen wurde das Gerät in der Mitte ihres Lebens eingesetzt, nun erreichen sie ein hohes Alter. "Außerdem haben in den letzten Jahren auch viele über 80-Jährige solche Defibrillatoren implantiert bekommen", berichtet Waltenberger. Das Problem beschäftigt daher zahlreiche Patienten – und es lässt sich technisch leicht lösen.
"Es gibt verschiedene Stufen der Deaktivierung", erklärt der Herzspezialist. Die einfachste Variante bestehe darin, einen Magneten auf die Haut über dem Gerät zu legen. Dieser verhindere, dass es bestimmte Rhythmusstörungen erkenne. Nur: Sobald der Magnet entfernt wird, funktioniert der Defibrillator. Eine richtige Deaktivierung ist aufwendiger, muss von Kardiologen durchgeführt werden – behebt die Schwierigkeit aber definitiv.
Legitimer Behandlungsabbruch
Doch darf ein Arzt überhaupt den Schutzengel abschalten und so die Therapie beenden? "Er darf es nicht nur", sagt Professorin Bettina Schöne- Seifert vom Institut für Ethik, Geschichte und Theorie der Medizin der Universität Münster. "Vielmehr ist es sogar ein ethisches Muss, das Gerät abzuschalten, wenn der Patient es wünscht – was in den beschriebenen Situationen ja naheliegt."
Rechtlich sei die Situation völlig unstrittig. "Eine gewünschte Deaktivierung gilt als legitimer Behandlungsabbruch, keinesfalls als aktive Sterbehilfe", erklärt Schöne-Seifert.
Recht auf Aufklärung
Zusammen mit Waltenberger und anderen Experten hat sie für die Deutsche Gesellschaft für Kardiologie eine Stellungnahme erarbeitet, wie mit den kleinen Wunderwerken der Technik am Lebensende umzugehen ist.
"Jeder Betroffene hat das Recht, über die Problematik und die Möglichkeit einer Deaktivierung informiert zu werden, insbesondere natürlich vor der Implantierung und beim Eintritt in die letzte Lebensphase", betont die Ethikspezialistin. Derzeit allerdings erhalten nur wenige Defi-Träger eine entsprechende Aufklärung. Zu groß ist die Unsicherheit unter Ärzten und Patienten.
Patientenverfügung ergänzen
Experten empfehlen: Wünscht ein Patient, sein Gerät am Lebensende deaktivieren zu lassen, sollte er diesen Entschluss schriftlich festhalten. Matthias Kollmar, Leiter des Vereins Defibrillator Deutschland, dem deutschen Dachverband der Selbsthilfegruppen: "Wir raten, zunächst mit dem Hausarzt oder Kardiologen zu sprechen und anschließend eine Patientenverfügung zu verfassen oder eine bestehende zu ergänzen."
Kollmar ist selbst Träger eines Defibrillators und weiß aus eigener Erfahrung, wie heikel das Thema ist: "Es geht schließlich um das Gerät, das einen am Leben hält und beschützt." Doch sosehr er seinem Schutzengel auch vertraut, am Lebensende will er auf ihn verzichten: "Meine Patientenverfügung habe ich entsprechend ergänzt."