Arztgespräch: Bilder statt Worte
Es ist ein bisschen wie in einer bekannten Käsewerbung: Ein Paar im Frankreich-Urlaub betritt einen Laden auf der Suche nach dem Käse, der so gut geschmeckt hat. Mit ihrem spärlichen Französisch vermögen die beiden das Objekt der Begierde nicht zu beschreiben. Stattdessen skizzieren sie seine charakteristische Form – der Ladenbesitzer versteht, alle sind glücklich und zufrieden.
Emoji für die Periode
Bilder sagen eben manchmal mehr als tausend Worte. Das gilt auch, wenn Ärzte ihren Patienten einen komplexen Befund mitteilen oder sie über eine Behandlung aufklären müssen. Oder wenn diesen im Gespräch mit dem Mediziner die passenden Worte fehlen, weil es um vermeintliche Tabus geht.
Vorangetrieben vom Kinderhilfswerk Plan International erschien im letzten Jahr beispielsweise ein Emoji für das Smartphone, das die Menstruation symbolisiert – immer noch ein schambehaftetes Thema.
Das Piktogramm soll genau das ändern und beispielsweise junge Mädchen ermutigen, mit ihrem Arzt offen über die Blutung zu sprechen. Bei manchen Messenger-Diensten können sich die Nutzer außerdem mit Symbolen über innere Organe, Rollstühle, Prothesen und medizinische Instrumente austauschen.
Schmerzhafte Gesichter
Symbolhafte Bilder haben längst Einzug auch in Praxen und Kliniken gehalten – etwa, um herauszufinden, wie gravierend Schmerz erlebt wird. Neben der Einordnung auf einer Schmerzskala von eins bis zehn hilft eine symbolische Abfolge von Strichgesichtern – sogenannten Smileys –, die je nach Farbe und Gesichtsausdruck für unterschiedlich starke Pein stehen.
Doch nicht nur der Sprachgebrauch kann ein Problem werden. "Manchmal reicht im Gespräch zwischen Arzt und Patient die Zeit nicht aus, um Patienten die medizinischen Grundlagen zu vermitteln, die sie benötigen, um ihre Diagnose oder die bevorstehende Therapie wirklich zu begreifen", sagt Professorin Verena Stangl, Kardiologin an der Charité Universitätsmedizin in Berlin.
Erklär-Comic zum Mammographie-Screening
Jede Frau kann ab dem 50. Lebensjahr alle zwei Jahre an einem Programm zur Früherkennung von Brustkrebs teilnehmen
"Ich bin davon überzeugt, dass anschauliche Informationsmaterialien Patienten dabei unterstützen können, sich ein Grundwissen zuzulegen, mit dem sie in der Lage sind, genauere Fragen zu stellen."
Aufklärung per Video
Das sah der Mediziner Dr. Johannes Wimmer genauso, als er als YouTuber mit medizinischen Videos an den Start ging. Zusammen mit dem Universitätsklinikum Essen und dem Picker-Institut befragte er Patienten in zwei Kliniken, denen vor dem Arztgespräch unterschiedliche Aufklärungs-Videos gezeigt wurden. Die Kontrollgruppe sah keine Filme. Tatsächlich fühlte sich die Video-Gruppe insgesamt deutlich besser informiert.
Während Wimmer selbst vor die Kamera tritt, setzen andere Anbieter komplett auf Bildsprache und produzieren Animationsfilme zu medizinischen Themen. Solche Videos bietet etwa das Mammografie-Screeningprogramm in Deutschland an – zu Sinn und Inhalt des Aufklärungsgesprächs, das jede Frau vor der Untersuchung in Anspruch nehmen kann. Oder zur Frage: Tut Mammografie weh?
Besser informiert durch Comics
Verena Stangl bevorzugt Informationsmaterial, das sich anfassen lässt. "Ich bin ein echter Comic-Fan", erzählt sie, "da lag es für mich nahe, mithilfe solcher Bildergeschichten aufzuklären." Gemeinsam mit ihrer Kollegin, der Kardiologin Dr. Anna Brand, entwickelte Stangl einen 15-seitigen Comic, der zeigt, wie eine Herzkatheteruntersuchung mit anschließender Implantation eines Stents abläuft.
Die Ärztinnen prüften den Nutzen der Comics wissenschaftlich – mit überzeugendem Ergebnis. Patienten, die vor dem Eingriff nicht nur ein Aufklärungsgespräch hatten, sondern zusätzlich den Comic lasen, fühlten sich besser informiert. Und sie verfügten auch tatsächlich über mehr Wissen zum Eingriff als die Teilnehmer der Kontrollgruppe. "Außerdem hatten sie deutlich weniger Angst", sagt Stangl.
Aufklärung in Buchform
Für die Kardiologin, die derzeit an einem weiteren Comic arbeitet, hat die Heftform einige klare Vorteile: "Man kann sie anfassen, im eigenen Tempo lesen, jederzeit zurückblättern und überallhin mitnehmen."
Die Frage, ob Film oder Heft besser informiert, ist vermutlich vor allem Geschmackssache. Wissenschaftliche Untersuchungen belegen lediglich, dass Menschen, die an Papier gewöhnt sind, sich mit digitalen Medien schwertun. Entscheidend ist, dass Patienten sich aufgeklärt fühlen. Denn ein besseres Krankheitsverständnis fördert letztlich auch die Therapietreue.