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Sie spielen mit Tochter und Enkelin drei Generationen der Chaos-Familie Rosinski. Haben Sie dreimal gesagt: Gut, dass wir nicht so sind?

Das ist ja das Schöne am Spielen, dass man Dinge macht, die man im wahren Leben nicht machen würde. Diesmal darf ich kriminell sein, einen Leibwächter haben und ein fettes Auto fahren – so würde ich ja nie leben wollen.

Können Sie nachvollziehen, dass Oma Rosinski es mit Recht und Gesetz nicht so genau nimmt?

Ohne eine gewisse kriminelle Energie kommt man nicht weit im Kapitalismus. Das führen uns ja einige Konzerne und Fußballmanager sehr deutlich vor Augen.

Haben Sie in sich auch schon mal eine kriminelle Energie aufkommen gespürt?

Ja, natürlich. Das wäre ja unnormal, wenn ich die nicht gespürt hätte, die spürt doch jeder mal in sich, oder?

Sie haben sie aber erfolgreich niedergekämpft?

Sagen wir mal, weil ich ein Schisser bin und einen gewissen Respekt vor dem Gesetz habe, habe ich es mir einfach verkniffen.

Typische Eigenschaften vieler Ihrer Charaktere sind Humor und Gewitztheit – typisch auch für Sie?

Die Schwierigkeiten, die Furcht und das Unglück kommen von ganz allein im Leben. Es hat mir immer gutgetan, nicht alles so wahnsinnig schwerzunehmen. Der Gedanke, dass es eine Katharsis nicht nur durch das Leiden gibt, sondern auch durch das Lachen, ist sehr befreiend.

Humor hat einen festen Platz in Ihrem Alltag?

Ich weiß es nicht, das macht man ja nicht bewusst. Ich finde es schrecklich, wenn ein Tag ohne Lachen vergeht. Solange es noch geht, sollte man lachen. Ich mag es auch, wenn die Leute über mich lachen.

Die "Welt" schrieb über Sie: "Katharina Thalbach verkörpert das Brechtsche Berlin".

Ich liebe Berlin, ich liebe Brecht. Ich gäbe was drum, wenn ich die 1920er-Jahre hätte miterleben können, als er Furore machte. Das war eine künstlerisch enorm aufregende Zeit. Brecht repräsentiert genauso das Nachkriegsberlin, was auch aufregende Zeiten waren. Ich liebe die deutsche Sprache, wie es auch Brecht getan hat, und ich liebe Brechts Sprache. Also, ich nehme das als Kompliment.

Wenn Sie eine Zeitreise machen könnten, dann in die 20er-Jahre?

Ja. Aber nicht nur. Dank der Schauspielerei mache ich ja ständig Zeitreisen: Wenn ich mich mit Aristophanes oder Shakespeare auseinandersetze, fühle ich mich in andere Epochen versetzt. Wenn ich eines Tages in Rente gehe, will ich auf jeden Fall noch studieren, in Richtung Geschichte oder Archäologie.

Zur Person:

  • Katharina Thalbach wurde am 19. Januar 1954 in Ostberlin geboren.
  • Bühnenerfolge: Seit ihrem fünften Lebensjahr steht sie auf der Bühne. Ihre Karriere startete sie am Theater in der DDR. 1976 siedelte sie in die Bundesrepublik. Seitdem zahlreiche Rollen im Fernsehen und Theater sowie Regiearbeiten.
  • Bühnengene: Thalbach stammt selbst aus einer Theaterfamilie. Ihre Tochter Anna (*1973, vom Schauspieler Vladimir Weigl) und ihre Enkelin Nellie (*1995) sind ebenfalls Schauspielerinnen. Sie lebt in Berlin.
Durchbruch: 1979 spielte Katharina Thalbach neben Mario Adorf in der Grass-Verfilmung "Die Blechtrommel"

Durchbruch: 1979 spielte Katharina Thalbach neben Mario Adorf in der Grass-Verfilmung "Die Blechtrommel"

Glauben Sie wirklich, dass Sie mal in Rente gehen?

Na ja, vielleicht dass ich mal weniger arbeite. Die armen jungen Menschen müssen nebenbei kellnern – ich darf ein bisschen was spielen.

Wie gehen Sie mit dem Thema Älterwerden um?

Das Blöde am Leben ist doch, dass es so endlich ist. Wir sind nur sehr kurze Zeit auf diesem Planeten, darum ist es zum Erringen der Glückseligkeit gescheiter, das Gestern und das Morgen nicht so wichtig zu nehmen wie das Heute. Dann hat man vielleicht was von der kurzen Zeit.

Also im Hier und Jetzt leben?

Ich denke schon. Obwohl ich das Gestern enorm spannend finde, darum will ich ja Geschichte studieren. Weil man da so schön sieht, wie vergänglich Dinge sind, aber auch, was überlebt.

Ist es nicht eine ärgerliche Verschwendung? Auf dem Höhepunkt seines Wissens und seiner Reife muss der Mensch abtreten …

Na ja, was wissen wir denn, wo diese ganzen Energien bleiben?

Sind Sie ein gläubiger Mensch?

Auf eine bestimmte Art und Weise schon. Glauben Sie an ein Weiterleben nach dem Tod? Man weiß es nicht. Aber ich fände es fantasielos, sich nicht auch was für danach auszudenken.

Sie haben sich so etwas Mädchenhaftes bewahrt …

Echt? 

Ja.

Danke schön.

Woran könnte das liegen?

Ich weiß es nicht. Ich glaube, ich hatte auch viel Glück in meinem Leben, viele Chancen. Mein Leben war und ist sehr abwechslungsreich. Ich durfte immer neugierig sein, auf der Suche bleiben. Dieses "Ich weiß nichts, ich muss wieder von vorne anfangen" ist ein sehr schöner Zustand. Wie mein Vater immer gesagt hat: "Ich bin ein Stein, der rollt, und ein rollender Stein setzt kein Moos an." Der Spruch hat mir immer imponiert.

"Wenn ich mich zufriedengebe, ist es vorbei." Ihr Zitat.

Am "Verweile doch, du bist so schön" ist ja schon Faust gescheitert. Ich misstraue mir, wenn ich anfange, richtig zufrieden zu sein. Wenn ich nichts mehr habe, das mich treibt. Dann denke ich, gleich passiert irgendwas Schlimmes. 

Welche Fähigkeit würden Sie gerne noch erwerben?

Ich würde gerne zaubern.

So wie Siegfried und Roy?

Nein, ich möchte wirklich zaubern.

Das ist anspruchsvoll …

Ich sage doch: Man muss träumen können.

Was würden Sie als Erstes zaubern?

Das weiß ich noch nicht so genau. Vielleicht würde ich mit Tieren sprechen, am liebsten mit ganz kleinen. Mich mit einem Wurm zu unterhalten fände ich toll. 

Dessen Welt besteht doch nur aus Erde ...

So stellen wir arroganten Wesen uns das vor. Aber das Spannende ist doch: Wie sieht er das?

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