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Warum unterhalten wir uns auf Englisch? Sie haben seit mehr als 25 Jahren einen deutschen Ehemann!
Suzi Quatro: Ich habe versucht, Deutsch zu lernen, aber ich war wohl schon zu alt. Und mein Mann spricht sehr gut Englisch. Das ist praktisch: Wir streiten uns nur so lange, bis er behauptet, die Ursache liege in der Sprachbarriere. Damit ist alles gesagt.

Sie leben in England, Ihr Mann lebt in Hamburg. Das klappt?
Oh, sehr gut. Das Hin-und-Her-Wech­­seln hält uns frisch.

Sie sind gerade mit Ihrem neuen Album auf Tour. Ihr Vater gab noch mit 89 Jahren Jazzkonzerte. Wollen Sie ihn übertreffen?
Es dauert lange, bis man richtig gut ist. Ich rocke die Bühne seit 54 Jahren, ich liebe es! Es gibt keine Altersbegrenzung, solange man seinen Job korrekt macht und den Menschen etwas geben kann.

Was unterscheidet Ihre neue CD von früheren Werken?
„No Control“ ist mein kreativstes ­Album, ich konnte wirklich machen, was ich wollte, wurde in keine Richtung gedrängt. Mein Sohn hat mit mir zusammen daran gearbeitet. Es ist alles ich. Und ein Gefühl, als ob ich von einer langen Reise zurückkomme.

Fühlt es sich heute anders an, Konzerte zu geben?  
Mir gefällt es heute besser. Ich fühle mich wohl in meiner Haut, ich weiß jetzt, wer ich bin, was ich mache, habe Sicherheit gewonnen. Ich kann alle Farben und Facetten ausspielen.

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Sie waren der erste weibliche Rockstar. Wie haben Sie sich durchgesetzt in der Männerwelt? 
Ich habe einfach nicht drauf geachtet, mich nie „weiblicher Musiker“ genannt, sondern immer „Musiker“. Ich habe ernsthaft gearbeitet, die Jungs hatten Respekt und ich darum nie Probleme. Sicherlich habe ich da ein Statement gesetzt, und andere Frauen konnten folgen.

Wann wurden Sie sich über Ihre besondere Rolle klar? 
Erst als sich der Erfolg einstellte und ich die ersten Interviews gab. Dabei war meine Absicht immer nur, mir selbst treu zu bleiben und alles so zu machen, wie ich will, ohne Kompromisse.

Suzi Quatro:

  • geboren am 3. Juni 1950 in Detroit (USA) als Susan Kay Quatro
  • Ein Leben für den Rock: Als Kind spielte sie in der Band ihres Vaters. Als Teenie ­startete die Bassistin mit ihrer eigenen Band durch.
  • Erster Hit 1973 "Can The Can". Weitere große Hits u. a. "If You Can’t Give Me Love", "She’s in Love With You".
  • Bis heute rockt Suzi Quatro die Bühne. Im Mai 2019 war sie auf Deutsch­land-Tournee.

Ihr Karrierestart fiel in die Hoch-Zeit von „Sex, Drugs and Rock’n’Roll“. Wie haben Sie sich von den Drogen ferngehalten? 
Mein Vater sagte zu mir: „Die Leute haben Eintritt bezahlt, um dich zu sehen. Es ist deine Pflicht, sie zu unterhalten mit allem, was du kannst.“ Daran habe ich mich gehalten.

Viele Künstler fallen nach dem Auftritt in ein tiefes schwarzes Loch. Sie auch? 
Es ist fürchterlich. Auch heute noch sind die schlimmsten Minuten der Moment kurz vor dem Auftritt und wenn du die Bühne verlässt. Du kommst völlig aufgedreht in diese plötzliche Stille. Mein Trick ist, dass ich dann ein Glas Champagner trinke. So falle ich nicht ins Erdgeschoss, sondern nehme die Treppe. Nach ein bis eineinhalb Stunden bin ich wieder normal.

Wie halten Sie sich fit?
Früher haben wir fünf Shows am Abend gemacht, jeweils 45 Minuten. Ich hatte immer die Bassgitarre umgehängt, die so viel wiegt wie ich. Ich kann heute noch in einer Zwei-Stunden-Show singen, laufen, springen, spielen, und am Schluss singe ich ­eine Ballade am Klavier und bin kein bisschen außer Atem. Wenn keine Auftritte anstehen, jogge ich, mache Yoga und Gymnastik.

Zuhause haben Sie einen „Ego-Raum“. Was soll das sein?
Er liegt im dritten Stock und ist nur über eine steile Treppe zu erreichen, man muss aufpassen, sich nicht den Kopf zu stoßen – das Ego soll ja nicht zu einfach zu erreichen sein. Hinter einer großen Holztür sind die Wände mit Postern tapeziert, viele meiner Bühnenklamotten liegen dort, drei Bassgitarren, alle CDs, Videos, Alben, ein riesiges „Das ist ihr Leben“-Buch. Ich setze mich, stöbere in den alten Sachen. Wenn ich gehe, schließe ich die Tür sorgfältig. Das ist wichtig: Ich lasse das Ego im Raum zurück. Jeder sollte einen Ego-Raum haben, das hält einen normal.

Sie schreien viel auf der Bühne. Sollte ich auch mehr schreien, um mit 68 noch so vital zu sein?
Sie sollten schreien, unbedingt! Ärger für sich zu behalten ist Gift. Ärger muss auf den Tisch, dann verliert er seine Kraft. Wenn ich mich jetzt über Sie ärgern würde, würde ich es Ihnen direkt sagen. Dann ist es raus, und wir können in Ruhe einen Kaffee trinken.

Fühlen Sie so etwas wie Altersweisheit?
In mir war immer eine alte Seele und eine gewisse Weisheit. Ich liebe es, mit Menschen zu kommunizieren, aber ich hasse Small Talk. Ich bin eine sehr gute Zuhörerin und wurde immer um Rat gefragt. Natürlich habe ich auch Fehler gemacht, aber ich war pfiffig genug, daraus zu lernen.

Das gelingt längst nicht jedem …
Ich habe Freundinnen, die machen denselben Fehler wieder und wieder.

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Was ist Ihre größte Angst?
Bevor ich abtrete, möchte ich alles erledigt haben, was auf meiner Liste steht. Ich bin da etwas schräg: Wenn ich Tag und Stunde meines Todes ­­erfahren könnte, wollte ich sie unbedingt wissen. So hätte ich die Kontrolle. Weil das nicht geht: Nichts auf den letzten Tag verschieben, denn man weiß nicht, wann der ist! So oft habe ich gehört: „Hätte ich nur gewusst, wann mein Vater, meine Mutter stirbt! Ich hätte mich so gerne von ihnen verabschiedet!“ Wenn ich frage „Was hättest du ihm oder ihr gesagt?“, ist die Antwort immer dieselbe: „Ich liebe dich.“ Das kann man doch nicht oft genug sagen – heute schon.

Ihr Vater war italienischer Abstammung, Ihre Mutter ungarischer. Spüren Sie sich diesen Ländern besonders verbunden?
Wenn ich nach Rom fahre, fühle ich das italienische Blut durch meine Adern fließen und in Budapest das ungarische. Das habe ich mir bewahrt.

Was bedeutet Heimat für Sie?
Detroit ist meine geistige Heimat, in England habe ich als Erwachsene meine Wurzeln geschlagen, und Hamburg ist meine Lieblingsstadt in Deutschland, wo ich mit meinem Ehemann zusammen bin. Wo man aufgewachsen ist, das wird man nicht mehr los.  

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