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Langsam führt der Narkosearzt mit der rechten Hand eine Nadel durch die Bauchdecke und mit der linken knapp daneben einen Schallkopf. Auf dem Bildschirm neben dem Patienten sieht er im Ultraschall, in welcher Schicht der Bauchdecke sich die Nadel befindet. In der dritten Lage, kurz vor der Darmwand, verläuft das Nervengeflecht, auf das Thorsten Steinfeldt abzielt. Der Chefarzt der Anästhesie, Intensivmedizin und Schmerztherapie der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik (BGU) Frankfurt ist einer der führenden Experten auf dem Gebiet der Regionalanästhesie.

Dabei wird ein Betäubungsmittel in die Nähe von Nerven injiziert, die in einer bestimmten Region des Körpers den Schmerz weiterleiten. Bei dem Patienten auf dem OP-Tisch soll ein Teil der Bauchwand „geblockt“ werden, wie Steinfeld erklärt. Die Chirurgen werden später ein Stück des Beckenkamms entnehmen und es dem Mann in den Unterschenkel wieder einsetzen. Mit Hilfe des körpereigenen Transplantats soll der zu dünne Knochen über der Fessel wieder nachwachsen. Andere Teile seines Körpers wurden schon betäubt, bevor der Patient in Narkose versetzt wurde, etwa der Unterschenkel durch eine Punktion im Kniebereich.

Vorteile der Teilnarkose: Weniger Übelkeit und Schmerzen

Die Vorteile zeigen sich laut Deutscher Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin (DGAI) vor allem nach der Operation: „Der Patient wacht entspannter auf, klagt seltener über Übelkeit, hat weniger Schmerzen und ist schneller wieder fit“, sagt DGAI-Vizepräsident Frank Wappler. Eine Regionalanästhesie sei bei vielen Eingriffen sinnvoll. „Wir wünschen uns, dass diese Verfahren noch größere Verbreitung finden.“

Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes lag die Zahl der Operationen in Deutschland im Jahr 2021 bei rund 16 Millionen. Zahlen, welche Art der Narkose dabei eingesetzt wurde, gibt es laut DGAI nicht. Sicher ist jedoch, dass bei einer Vielzahl der Vollnarkosen auch parallel eine Art Regionalanästhesie angewendet wird, einerseits zur Reduzierung von Schmerzen und Schmerzmittelbedarf während der Operation, andererseits zur Schmerzvermeidung nach dem Eingriff.

Zwei weitere Arten der Betäubung neben Teilnarkose

Klassisch gibt es drei Grundformen der Anästhesie:

  • die Vollnarkose (Fachleute sprechen von Allgemeinanästhesie),
  • die lokale Betäubung und
  • die Regionalanästhesie.

Im ersten Fall bekommt der Patient unter anderem eine Kombination aus Schlafmittel und Schmerzmittel. Der Zustand ähnelt laut Steinfeldt eher einem künstlichen Koma als einem tiefen Schlaf. Bei der Lokalanästhesie wird nur eine kleine Stelle betäubt, etwa ein Finger, ohne dass dabei das Bewusstsein beeinträchtigt wird.

Die Regionalanästhesie funktioniert sowohl im Wachzustand als auch unter Vollnarkose. Unter dem Begriff Teilnarkose ist das Verfahren seit Jahrzehnten bekannt. Am verbreitetsten ist es in der Geburtshilfe. Dabei wird ein Lokalanästhetikum in die Nähe des Rückenmarks gespritzt, um den Wehenschmerz zu lindern oder einen Kaiserschnitt zu ermöglichen. Regionalanästhesie ist also nicht neu, „aber sie hat sich weiterentwickelt“, wie Steinfeldt sagt, vor allem in den vergangenen etwa 15 Jahren.

Regionalanästhesie: Ultraschall kann helfen

Voraussetzung war die Verbesserung der Ultraschalltechnik. Der Anästhesist muss sehen, wo die Nadel genau ist, damit er gezielt die Nerven ausschaltet und nicht nebenan eine Verletzung verursacht. Bei dem beleibten Patienten mit der Bauchwandblockade zum Beispiel könnte er die voluminöse Körpermitte falsch einschätzen, zu tief stechen und dabei die Darmwand durchstoßen.

„Das ist ein relativ filigranes Verfahren“, sagt Wappler: „Sie müssen sich mit der Anatomie auskennen, Sie müssen gut mit dem Ultraschall-Gerät umgehen können und Sie müssen die Techniken regelmäßig einsetzen. Man braucht Zeit, Geduld und Fingerspitzengefühl.“

Werden manchmal kombiniert: Teil- und Vollnarkose

Wird eine Regionalanästhesie parallel zur Vollnarkose gesetzt, ist es möglich, die Narkose flacher zu halten, erklärt Steinfeldt. Der Patient brauche während und nach der Operation auch weniger Schmerzmittel. Die Folge: Er wacht schneller auf, ihm ist seltener übel, er ist weniger lang desorientiert.

Das sogenannte „Delir“ mit Desorientierung ist vor allem bei älteren, vorerkrankten Patienten ein nicht unerhebliches Narkoserisiko, wie eine 2020 im „British Journal of Anaesthesia“ veröffentlichte Übersichtsstudie belegte. Der Studie zufolge ist das postoperative Delirium „eine relativ verbreitete und ernsthafte Komplikation“. Es erhöhe die Zahl der Krankenhaustage statistisch um zwei bis drei Tage und die Wahrscheinlichkeit, in den nächsten 30 Tagen zu versterben, um sieben bis zehn Prozent.