Hörgeräte: Modelle für jeden Geschmack
Es tut sich was auf dem Hörhilfen-Markt: Hersteller sprechen von „Hörgeräte-Revolution“ oder geben „100 Prozent Garantie für gesteigerte Lebensfreude“. Neue Systeme legen das Hilfsmittel-Image ab und versprechen Lifestyle und Hörgenuss. Ist die Zeit der Bananen-förmigen Gehäuse – die oft nicht hinter dem Ohr steckten, sondern ungenutzt in Schubladen verschwanden – vorbei?
Moderner wirken auch die Namen: Hörsysteme statt -geräte. Immer noch aber brauchen Menschen mit Hörbeeinträchtigung Geduld und die Offenheit, sich auf die Technik einzulassen – sowie individuelle Beratung. Zwei Expertinnen geben Tipps, was bei der Suche nach dem optimal passenden Hörsystem wichtig ist.
Wie finde ich mein Hörakustik-Fachgeschäft?
Wählen Sie eines, in dem Sie sich gut beraten fühlen. Schwerhörige Menschen haben unterschiedliche Bedürfnisse: Manche legen Wert auf hohe Klangqualität in Konzerten, andere auf Komfort bei der Handhabung. Und alle möchten gesprochene Sprache besser verstehen. Aktuell ist ein Maskenprogramm hilfreich: Es verstärkt Konsonanten, die durch einen Mund-Nasen-Schutz gedämpft werden. Über persönliche Bedürfnisse zu reden, fällt leichter, wenn die Chemie stimmt.
Ebenfalls wichtig: Das Fachgeschäft sollte gut erreichbar sein. Vor allem zu Beginn sind Anpassungen, etwa der Lautstärke, erforderlich. Bei manchen Geräten müssen Schallschlauch oder Filter regelmäßig getauscht werden.
HNO-Praxis oder Hörakustik-Fachgeschäft: Wohin zuerst?
Wer das Gefühl hat, nicht mehr gut zu hören, vereinbart am besten einen Termin in einer HNO-Praxis. Die Ärztin oder der Arzt testet nicht nur das Hörvermögen, sondern untersucht auch, ob Fremdkörper oder Ohrenschmalz den Gehörgang verstopfen oder ob eine Erkrankung vorliegt, die das Hören beeinträchtigt. Wenn nötig wird ein Hörsystem verordnet.
Bei der Wahl des passenden Systems beraten Hörakustikerinnen oder Hörakustiker. Sie testen ebenfalls das Hörvermögen und finden mithilfe einer sorgfältigen Befragung heraus, was die Hörhilfe für die betroffene Person leisten sollte: welche Programme sinnvoll sind und welche Bauform sich eignet.
Viele Hörakustik-Fachgeschäfte bieten unverbindliche Hörtests ohne Hörhilfenverordnung an. Wird dabei eine Beeinträchtigung erkannt, kann man ein Hörsystem einen Tag lang testen und anschließend zur HNO-Praxis gehen. Das ist auch ein guter Weg, wenn man auf einen Termin bei Arzt oder Ärztin lange warten muss und klären möchte, ob eine Hörhilfe helfen könnte.
Warum ist frühzeitige Versorgung so wichtig?
Beim Hören bewegen sich die Haarzellen in der Schnecke im Innenohr und stimulieren so den Hörnerv, der die Impulse ans Gehirn weiterleitet. Bei Schwerhörigkeit sind diese Haarzellen häufig geschädigt. Sie brauchen höheren Schalldruck von außen, um den Hörnerv reizen zu können.
Geräusche und Töne werden dann aber oft als zu laut oder als scheppernd empfunden. Eine frühzeitige Anpassung von Hörhilfen unterstützt die geschädigten Haarzellen: So wird der Hörnerv von einer gut verträglichen Mischung aus gesunden und geschädigten Haarzellen stimuliert.
Es gibt Hinweise, dass unbehandelte Hörprobleme eine Demenz verstärken oder zu dem Eindruck führen, man werde dement. Ob Hörhilfen geistigen Abbau im Alter bremsen, wird erforscht.
Welches Hörgerätezubehör ist sinnvoll?
Zubehör kann die Hörqualität verbessern oder die Nutzung komfortabler machen. Hier einige Beispiele:
- Externe Mikrofone: Die Person, mit der man sich etwa in einem Café unterhält, trägt ein Mikrofon. Die Signale gelangen über Bluetooth direkt ins Hörsystem, Störgeräusche bleiben draußen.
- Smartphone-Schnittstelle und App: Damit lassen sich Lautstärke, Programm und Mikrofonausrichtung eines Hörsystems bequem regulieren. Rollstuhlfahrende können so etwa das nach hinten gerichtete Mikrofon gezielt ansteuern.
- TV-Streamer: Sie ermöglichen eine Übertragung des Fernsehtons in die Hörsysteme.
Muss ich Hörsysteme selbst zahlen? Was übernimmt die Kasse?
In Deutschland übernehmen die Krankenkassen die Kosten für verordnete Hörsysteme. „Sogenannte Basis-Hörsysteme ermöglichen den Betroffenen meist einen guten Ausgleich ihrer Hörminderung“, sagt Hörakustikerin Eva Keil-Becker aus Koblenz. Für diese Systeme fällt kein privater Eigenanteil an, lediglich eine gesetzliche Zuzahlung von zehn Euro pro System. Die sechsjährige Nachbetreuung ist in der Regel kostenfrei.
Die Energieversorgung durch Batterien geht zulasten der Nutzerinnen und Nutzer. Auch für mehr Komfort, zum Beispiel aufladbare Akkus, müssen sie selbst bezahlen. Auf Dauer gesehen kann die umweltfreundliche und bequeme Akkutechnologie aber eine kostengünstige Alternative sein.
Lassen sich gebrauchte Hörgeräte wiederverwenden?
Bauteile von Hörsystemen können zum Beispiel durch Körperflüssigkeiten wie Schweiß in Mitleidenschaft gezogen werden. Die Reinigung und Aufbereitung ist aufwendig und teuer. Dieser Prozess entfällt bei neuen Systemen. Von der Weitergabe gebrauchter Hörsysteme raten Expertinnen und Experten daher ab.
Häufige Hörgeräte-Typen
Hinter-dem-Ohr-Gerät (HdO)
Bauweise
Im Gehäuse steckt die ganze Technik: Mikrofon, Verstärker/Mikroprozessor, Lautsprecher, Batterie. Das Schallsignal gelangt über den Schallschlauch in den äußeren Gehörgang.
Vorteile
- großes Gehäuse bietet viel Platz für Technik, kann mit gängigem Zubehör gekoppelt werden
- auch bei höhergradiger Schwerhörigkeit geeignet
- einfachere Handhabung und Reinigung
Nachteile
- relativ klobig, von außen zu erkennen
Anderes Hinter-dem-Ohr-Gerät (HdO)
Bauweise
Die Technik steckt im Gehäuse, bis auf den externen Lautsprecher. Dieser liegt im Gehörgang und erhält seine Signale über einen dünnen Schlauch beziehungsweise Kabel.
Vorteile
- hoher Tragekomfort, weil der Gehörgang teilweise frei bleibt
- guter Klang, weil Lautsprecher nah am Trommelfell und entfernt vom Mikrofon sitzt
- auch bei höhergradiger Schwerhörigkeit geeignet
Nachteile
- Fingerfertigkeit für die Handhabung und Reinigung erforderlich
In-dem-Ohr-Gerät (IdO)
Bauweise
Alle Teile des Hörsystems stecken in dem individuell angefertigten Gehäuse. Dieses liegt ganz oder teilweise im Gehörgang.
Vorteile
- sehr unauffällig
- guter Klang, da Lautsprecher nah am Trommelfell
- kein Verheddern mit Brillenbügeln oder Mund-Nasen-Schutz
Nachteile
- Verstärkung reicht bei höhergradigem Hörverlust nicht aus
- schlechtere Belüftung
Weitere Informationen zum Thema finden Sie im Internet unter www.schwerhoerigen-netz.de